Key Facts
  • Dem Wärmemarkt kommt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele zu - rund ¼ der heutigen Treibhausgas (THG)-Emissionen haben Ihren Ursprung im Wärmemarkt
  • Durch Brennstoffzellenheizungen gibt es bereits heute Lösungen für die Nutzung von Wasserstoff (H2) im Wärmemarkt
  • Mit dem Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes werden sich weitere Vorteile im Bereich der Infrastruktur und der Wirtschaftlichkeit ergeben

Ausgangssituation - wie sieht der Wärmemarkt aktuell aus?

Fast 50 % der Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung in Deutschland werden derzeit direkt aus Erdgas erzeugt, über 70 % wird aus fossilen Energieträgern hergestellt (Siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Anteile der Endenergieträger zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser (FNB Gas, 2022)

Das bestehende Gasnetz versorgt über 9 Mio. Wohngebäude mit rund 20 Mio. Wohnungen, damit wird ein Wärmebedarf von fast 400 TWh jährlich gedeckt (Umweltbundesamt, 2022). Zusätzliche 2,5 Mio. Wohnungen werden indirekt über die mit Gas erzeugte Fernwärme erreicht. Entscheidender als die bereitgestellte Energiemenge über das Jahr ist allerdings die Deckung des Energiebedarfs in Verbrauchsspitzen. Die Saisonalität ist ein entscheidendes Merkmal des Wärmebedarfs - es ergeben sich durch einen deutlich höheren Energiebedarf in den Wintermonaten im Vergleich zu den Sommermonaten sehr hohe Speicherbedarfe.

Das Gassystem ist seit jeher auf die Saisonalität des Wärmemarktes ausgelegt: So beträgt beispielsweise der gesamte Gasverbrauch im kältesten Monat (Januar oder Februar) etwa das Dreifache des Verbrauchs als im wärmsten Monat (Juli oder August) (Umweltbundesamt, 2022). Dies beinhaltet auch den kontinuierlichen Gasverbrauch der Industrie, die saisonale Spannbreite des Gasverbrauchs für den Wärmemarkt ist entsprechend noch deutlich höher. Die Rolle von Wasserstoff im Wärmemarkt von Frontier Econmics wurde, unter Rückgriff auf gemessene Erdgasflüsse der deutschen Ferngasnetzbetreiber (FNB) von 2014 bis März 2021, eine maximale zeitgleiche Gaslast von über 250 GW identifiziert (siehe Abbildung 2) (FNB Gas, 2022). Gemessen wurde die Maximallast am 12. Februar 2021, bei einer bundesweiten Durchschnittstemperatur von minus 7,1 Grad Celsius. Der Wert zeigt deutlich das enorme Substitutionspotenzial.

Abbildung 2: Tägliche innerdeutsche Gasflüsse auf Übertragungsnetzebene (01.01.2014 - 31.03.2021)(FNB Gas, 2022)

Deutschland hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt: Bis 2030 sollen 65 % der Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) gegenüber 1990 reduziert werden und bis 2045 soll die Klimaneutralität (Reduktion um 95 % der THG-Emissionen ggü. 1990) erreicht werden (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Auch die Europäische Union (EU) verfolgt ehrgeizige Klimaziele, nach denen die EU-weiten THG-Emissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 sinken sollen und Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden soll (Umweltbundesamt, 2022). Dem Wärmemarkt kommt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele zu, da knapp ein Viertel der heutigen THG-Emissionen ihren Ursprung im Wärmemarkt haben (Umweltbundesamt, 2022). Ursache hierfür ist ein erheblicher Energiebedarf bei der Wärmeerzeugung - der jährliche Endenergieverbrauch für Raumwärme und Warmwasser beträgt rund 800 TWh/a mit einem hohen Anteil fossiler Energieträger von etwa 80 % - im Vergleich zu 770 TWh/a im gesamten Verkehrssektor oder 550 TWh/a Strombedarf (Umweltbundesamt, 2022). Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die THG-Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 auf 67 Mio. a/t zu senken, gegenüber 118 Mio. a/t im Jahr 2020 (Umweltbundesamt, 2022). In den nächsten zehn Jahren müssten die Emissionen um 43 % sinken, relativ betrachtet also etwa genauso stark, wie in den vergangenen fast 30 Jahren (44 % zwischen 1990 und 2019), wobei das Tempo der Emissionsreduktion in den vergangenen Jahren bereits zurückgegangen ist.

Wasserstoff als Energieträger im Wärmemarkt

Fossiles Erdgas als Energieträger hat angesichts der Klimaschutzziele keine langfristige Zukunft. Zudem rückt die Thematik der Energieunabhängigkeit durch den Ukraine Krieg stärker in den Fokus. Spätestens für das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 kann Erdgas (ohne Abspaltung des Kohlenstoffdioxids (CO2)) daher keine wesentliche Rolle mehr einnehmen. Eine Alternative für Erdgas besteht, neben den grünen Alternativen wie Biogas und synthetischem Methan (SNG) in der direkten Nutzung von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff. Durch den Einsatz von Wasserstoff kann der Beitrag des Gassystems, die hohe und stark saisonale Wärmenachfrage zu bedienen, auch in einem klimaneutralen Energiesystem genutzt werden.

Die bestehenden Gasnetze (40.000 km Transport- und 510.000 km Verteilnetz) können auf Wasserstoff umgestellt werden. Die europäischen Gasnetzbetreiber haben hierzu bereits verschiedene Konzepte erarbeitet und erproben Umstellungen von Erdgaspipelines in konkreten Pilotprojekten in der Praxis. Ein Beispielkonzept für die Transportnetzebene ist der "European Hydrogen Backbone", welcher zu 70 % auf konvertierten Erdgasleitungen basiert, in Deutschland sogar zu 90 % (Jens, Wang, Leun, Peters, & Buseman, 2021). Des Weiteren erforschen die Verteilnetzbetreiber in verschiedenen Projekten wie Verteilnetze auf 100% Wasserstoff umgestellt werden können. Weitere Informationen hierzu finden Sie in der Frage des Monats Februar.

Der Gesamtwirkungsgrad ist in Neubauten oder vollsanierten Altbauten aufgrund der guten Dämmung und der niedrigen benötigten Vorlauftemperaturen bei elektrischen Wärmepumpen durchgehend höher als bei wasserstoffbasierten Heizungssystemen (FNB Gas, 2022). Entsprechend wird elektrischen Wärmepumpen eine sehr wichtige Rolle insbesondere bei der klimaneutralen Wärmeversorgung von Neubauten zukommen. Der Gesamtwirkungsgrad liegt in nicht oder nur teilsanierten Altbauten in Situationen, welche für die Auslegung der Infrastruktur relevant sind, bei allen betrachteten Heizungssystemen in ähnlicher Größenordnung. Dies ist auf deutlich sinkende Wirkungsgrade von elektrischen Wärmepumpen bei unzureichender Wärmedämmung und bei kalten Außentemperaturen sowie signifikante Umwandlungsverluste durch saisonale Zwischenspeicherung bei unzureichendem Wind- und Solardargebot in der Heizperiode zurückzuführen. Es gelten nur 13 % des heutigen Gebäudebestands als vollsaniert oder Neubau, während rund 36 % der Gebäude als unsaniert und 51 % als teilsaniert gelten (FNB Gas, 2022). Die Wärmebereitstellung muss auch in Kälteperioden mit geringem Dargebot erneuerbarer Energien gewährleistet werden und die Wärmeinfrastruktur muss entsprechend auf diese Perioden ausgelegt werden. Wasserstoff kann daher ein wichtiger Faktor für die Beheizung der Bestandsgebäude werden.

Gibt es bereits verfügbare Technologieoptionen auf dem Markt?

Eine Brennstoffzelle wandelt die eingesetzte Energie in einem elektrochemischen Prozess hocheffizient in Elektrizität und Wärme um. Dies ist, im Vergleich zu herkömmlichen Heizgeräten, die auf Basis von emissionsintensiven Verbrennungsprozessen arbeiten, ein wesentlicher Vorteil.

Für den Umwandlungsprozess benötigt die Brennstoffzelle Wasserstoff, welcher aktuell zur Verwendung in Gebäuden häufig dezentral per Dampfreformierung aus Erdgas erzeugt wird und damit abhängig von einem fossilen Energieträger ist. In Zukunft könnte sich dies ändern, da der grüne Wasserstoff bereits jetzt mittels Elektrolyse und Photovoltaik (PV)-Anlage auch vor Ort hergestellt werden kann - ein Hindernis ist aktuell die Kostenintensität der Elektrolyse in derartig kleinem Maßstab. Zur Lösung des Problems könnte beitragen, dass die Ferngasnetzbetreiber den Aufbau eines Wasserstoff-Pipelinenetzes planen, sodass in einigen Jahren der benötigte grüne Wasserstoff, ähnlich wie aktuell beim fossilen Energieträger Erdgas, per Pipeline bezogen werden kann (Jens, Wang, Leun, Peters, & Buseman, 2021). Mit dem Anschluss an eine Wasserstoffpipeline werden sich durch den Wegfall der dezentralen Wasserstoffspeicher weitere Kostenvorteile ergeben, da die Pipeline-Infrastruktur als Speicher genutzt werden kann und zudem Wasserstoff aus Elektrolyseuren, welche den grünen Wasserstoff kostengünstig in industriellem Maßstab herstellen, bezogen werden kann.

In Abbildung 2 werden die Vorteile einer Brennstoffzelle in Kombination mit der Eigenstromerzeugung durch PV sichtbar. Anhand der Jahresstrombilanz eines 140 m² Einfamilienhauses wird ersichtlich, dass durch die Brennstoffzelle die abnehmende Stromproduktion der PV-Anlage im Winter ausgeglichen wird. Im Sommer können die Stromüberschüsse in Form von Wasserstoff gespeichert werden und bei Bedarf im Winter genutzt werden.

Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Jahresstrombilanz eines 140 m² Einfamilienhauses(H2 Homes, 2022)
Neben der Brennstoffzellenheizung können in den Bestand gasbasierter Brennwertgeräte gemäß Heizungsherstellern heute bereits ohne Anpassungsbedarf flexibel mindestens 10 Volumenprozent Wasserstoff verwendet werden. Die jüngsten Generationen gasbasierter Brennwertgeräte könnten gemäß dieser Angaben 20-30 Volumenprozent Wasserstoffbeimischung ohne signifikante Mehrkosten sicher verarbeiten. Zudem sind einfache und kostengünstige Nachrüstlösungen durch deutsche Heizungsgerätehersteller für die Zeit ab 2025 angekündigt, um diese für "reinen" Wasserstoff zu ertüchtigen (FNB Gas, 2022).

Die grundlegende Funktionsweise der Brennstoffzellenheizung wird in folgendem Video erklärt:

Drei Fragen zum Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt - Interview mit Herrn Christopher Giesken vom Rheinenser Unternehmen H2homes

Christopher Giesken ist Experte für nachhaltige Energieversorgung. Er war über mehrere Jahre im Bereich der erneuerbaren Energien und in der Immobilienbranche tätig. Er hat die H2homes zusammen mit einem Team aus Architekten und Fachingenieuren im letzten Jahr in Rheine gegründet. Die H2homes entwickelt und vermarktet nachhaltige Lösungen für den Endkunden im Wohnimmobiliensektor. Das Portfolio reicht von ganzheitlich nachhaltigen Einfamilienhäusern bis hin zu regenerativen Energieversorgungskonzepten für neue Wohngebiete. Wasserstoff spielt dabei in den Planungen sowohl als Speichermedium, als auch für die Wärmeversorgung immer eine Rolle.
Was sind die wesentlichen Vorteile für einen Wasserstoffeinsatz im Wärmemärkt?

Derzeit werden einige Diskussionen zum Wasserstoffeinsatz im Wärmemarkt geführt - grüner Wasserstoff ist aktuell noch ein knappes Gut, mit dem man sorgsam umgehen muss und daher ist sind die Nutzungsdiskussionen richtig und wichtig. Lösungsmöglichkeiten in denen der Wasserstoff verbrannt und thermisch genutzt wird, sehe ich eher kritisch und nicht zeitgemäß. Allerdings gibt es große Potenziale, wenn man die Verlustenergie bei Elektrolyseuren und Brennstoffzellen, welche hauptsächlich Wärme ist, nutzt und sinnvoll einsetzt. Mit dem "Abfallprodukt" Wärme kann man den Gesamtwirkungsgrad in Wasserstoffsystemen heben und im Gebäudesektor hat man in der Regel den direkten örtlichen Zusammenhang von Elektrolyseuren und Brennstoffzelle. So kann man neben der elektrischen Energie ideal die Abwärme der Anlagen vor Ort nutzen.
Man muss allerdings auch sagen, dass zentrale Elektrolyseure aktuell wirtschaftlicher und mit einem höheren Wirkungsgrad betrieben werden können. Jedoch halte ich den parallelen Aufbau von dezentralen Wasserstoffprojekten für elementar, da dort bspw. durch Energiegenossenschaften Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen werden und so die Akzeptanz zur Thematik Wasserstoffnutzung verbessert wird. Dezentrale Wasserstoffanwendungen zur Wärmeerzeugung machen Wasserstoff erlebbar und können die Energiewende zu einem wirtschaftlichen Vorteil der Bevölkerung machen.

Spielt es für den Einsatz eine Rolle, ob es sich bei der Immobilie um einen Neu- oder Altbau handelt?

Hier ist die entscheidende Frage: Wie viel Wärmeenergie wird benötigt? In einem energetisch hochgedämmten Neubau wird die Abwärme aus der Brennstoffzelle und Elektrolyse in Kombination mit einer zentralen Wärmerückgewinnung ausreichen. Bei Bestandsgebäuden ist man in der Regel darauf angewiesen, dass eine zusätzliche Heizungsanlage installiert wird. Hier kann die Kombination einer Brennstoffzelle mit einer Wärmepumpe sehr spannend sein, da im Winter über die Brennstoffzelle elektrische Energie für die Wärmepumpe verfügbar gemacht werden kann. Die PV-Anlage kann im Sommer ihren Überschussstrom in Wasserstoff speichern und im Winter, bei Unterdeckung des elektrischen Energiebedarfs durch die PV-Anlage, durch die Brennstoffzelle bereitstellen.

Wie sieht denn die Wirtschaftlichkeit bei der Nutzung von Wasserstoff im Wärmebereich aus?

Das ist aktuell stark abhängig davon, wie man die Wasserstoffinfrastruktur aufbaut - eine komplett autarke Versorgung mit Elektrolyse und Brennstoffzelle ist aktuell ohne Fördergelder noch nicht wirtschaftlich. Für ein Einfamilienhaus rechnet sich aktuell allerdings bereits wirtschaftlich eine Brennstoffzelle mit einer vorgeschalteten Dampfreformierung, d. h. der Wasserstoff wird aus Erdgas hergestellt. Bei einem 140 m² Haus rechnet man bei einer Dämmung nach KFW 40-Standard mit einer Brennstoffzelle, welche 750 Wel und 1,2 kWth liefert. Hiermit kann die elektrische und thermische Grundlast des Hauses gedeckt werden. Ein wichtiger Schritt für die Wirtschaftlichkeit wäre jedoch, wenn die dezentralen Speicher unnötig werden und das Gasnetz als Speicher nutzbar wäre. Es müsste ähnlich wie beim Strommarkt laufen, d. h. die Gasnetzbetreiber müssten dezentrale H2-Erzeuger anschließen und die vorhandene Infrastruktur mit riesigem Speichervolumen für jeden Haushalt nutzbar machen.
Wir dürfen unser aktuelles Gasnetz nicht aufgeben, sondern müssen es weiterhin als Speicherinfrastruktur nutzen. Wir haben an vielen Haushalten einen direkten Anschluss und haben damit ein sehr großes Potenzial, welches nicht vernachlässigt werden darf.




Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Seite drucken