Key Facts
  • Wasserstoff wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert im Stadtgas per Pipeline transportiert.
  • Die Fernleitungsnetzbetreiber Gas haben bereits Pläne für ein potenzielles Wasserstoffnetz für die Jahre 2030 und 2040 veröffentlicht.
  • Europäische Gasnetzbetreiber haben ebenfalls einen Plan für eine europäische Wasserstoffinfrastruktur geplant - das European Hydrogen Backbone.

Wie kann Wasserstoff per Pipeline transportiert werden?

Der Transport von Wasserstoff (H2) per Pipeline hat in Deutschland bereits von ca. 1900 bis 1960 stattgefunden. Dort wurde im sog. Stadtgas ein Wasserstoffanteil von 40 - 60 % beigemischt und für die Gasversorgung des Landes eingesetzt. Allerdings war das damalige Leitungsnetz deutlich kürzer als das heutige - die Gesamtlänge des Gasnetzes beträgt heute ca. 520.000 km [1]. Für den reibungslosen Transport gibt es ein Regelwerk des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.), welches technische Regeln für alle Anlagen zur leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Gas beinhaltet. Die Regelwerke sind bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Einsatz und bilden nach dem Energiewirtschafts-Gesetz (EnWG) die Grundlagen für einen sicheren Betrieb nach dem anerkannten Stand der Technik - daher ist es sinnvoll, dass bei der strömungstechnischen Auslegung des Wasserstoffnetzes auf die bereits gemachten Erfahrungen zurückgegriffen wird.

Die geplante Einbindung von Wasserstoff in das Energiesystem macht Lösungen für die Speicherung und den Transport von Wasserstoff zwingend erforderlich. In Deutschland besteht neben der Errichtung eines dedizierten Wasserstoffnetzes aus neuen H2-Pipelines auch durch die Umwidmung von bestehender Gasinfrastruktur großes Potenzial.

Industriellen Großverbrauchern, welche aktuell ihren Energiebedarf zum großen Teil aus Erdgas beziehen, wie bspw. die Stahl- und Chemieindustrie, bietet sich durch einen Anschluss am Wasserstoffnetz die Möglichkeit zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Im Ruhrgebiet sowie im mitteldeutschen Chemiedreieck bestehen bereits seit Jahrzehnten größere Wasserstoffpipelines, welche von der Industrie genutzt werden.

Nach heutigem Stand wird die Integration von Wasserstoff in das deutsche Gassystem schrittweise erfolgen. Um die Versorgungssicherheit während der Übergangsphasen zu gewährleisten, kann der Aufbau von Transportkapazitäten für Wasserstoff zunächst parallel zu bestehenden Erdgassystemen erfolgen. Hierfür können oftmals bereits vorhandene Infrastrukturen von parallel liegenden Erdgasleitungen genutzt werden. So kann Wasserstoff das Erdgas als Energieträger zunächst ergänzen und durch die Umstellung weiterer Leitungen nach und nach bedarfsgerecht substituieren.

Eine parallele Wasserstoff- und Erdgasinfrastruktur auf der Ferngasebene bietet zudem die Möglichkeit, die Zusammensetzung des Gases - und damit auch den Defossilisierungsgrad der Energieversorgung - über Mischstationen an die lokalen Randbedingungen anzupassen und auf allen Ebenen einen versorgungssicheren Übergang zu gewährleisten. Abbildung 1 zeigt eine mögliche Wasserstoffintegration in den deutschen Gasmarkt. Die Grafik unterschiedet zwischen dem Netz des Fernleitungsnetzbetreibers (FNB) und dem nachgelagerten Netz des Verteilnetzbetreibers (VNB).

 

Abbildung 1: Mögliche Wasserstoffintegration in den deutschen Gasmarkt, Grafik: Siemens Energy, Gascade Gastransport GmbH, Nowega GmbH [2]

Deutsches Wasserstoffnetz

Mit dem Aufbau eines dedizierten Wasserstoffnetzes durch den Aufbau neuer Gasnetzinfrastruktur sind hohe Investitionskosten verbunden, welche durch die Umwidmung bestehender Gasleitungen reduziert werden könnten. Wie tauglich Rohrleitungen, Verdichter, Armaturen oder ähnliche Bauteile für den Transport von Wasserstoff sind, ist Gegenstand von zahlreichen, umfassenden Untersuchen - etwa zur Wasserstoffversprödung, Bruchzähigkeit, Korrosion oder zur Veränderung von Ex-Zonen (Bereiche in denen explosionsfähige Atmosphären auftreten können). Im Rahmen der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) wurden die Ergebnisse solcher Untersuchungen unter Einbeziehung von potenziellen H2-Quellen und Senken in einem Plan für das Wasserstoffnetz "H2-Startnetz 2030" veröffentlicht. Der Plan sieht vor ein 1.200 km langes Wasserstoffnetz auf Grundlage des bestehenden Erdgasnetzes zu errichten. Dies ist in den Abbildungen 2 und 3 für die geplanten Ausbaustufen 2030 und 2050 dargestellt. Ende 2022 sollen die ersten Gasleitungen bereits umgestellt sein [3]. An dieses Netz könnten mehr als 100 Standorte angebunden werden, die ca. 90 % des heutigen Gesamtbedarfs an Wasserstoff in Deutschland ausmachen und sich innerhalb eines engen Korridors entlang der gezeigten Trassen befinden [2]. Nach ersten Schätzungen könnte der heutige Bedarf in Deutschland von rund 1,5 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr über diese Infrastruktur transportiert werden [3]. Damit erscheint das skizzierte Pipelinesystem für eine zügige Hochlaufphase ausreichend dimensioniert und für die zukünftige Energieversorgung gerüstet. Perspektivisch könnte die Einspeisung von Wasserstoff durch Importe erweitert werden, um die steigende Nachfrage decken zu können.

Abbildung 4: Geplanter Verlauf der GET H2-Pipeline, Quelle: Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (www.lgln.de), © 2022 [7]

Praxisbeispiel: GET H2 Nukleus

Die Idee, dass man bereits bestehende Gasnetzinfrastruktur umwidmet, wird besonders in unserer Region fokussiert. Im Nordwesten von Deutschland wird bis 2030 der geplante Umstieg von L-Gas auf H-Gas stattfinden. Der Unterschied der beiden Gasarten besteht darin, dass H-Gas über einen höheren Brennwert als L-Gas verfügt und damit mehr Energie freisetzen kann. Im Rahmen des Projektes "GET H2 Nukleus" werden bisher für den Transport von L-Gas genutzte Leitungen modifiziert und bilden somit die Basis für das erste öffentlich zugängliche Wasserstoffnetz in Deutschland. Das bedeutet, dass alle Unternehmen, die Wasserstoff produzieren und einspeisen, als auch sämtliche Abnehmer das Recht haben, diskriminierungsfrei und zu gleichen Preisen auf das Wasserstoffnetz zuzugreifen (wie es aktuell bereits beim Erdgasnetz der Fall ist). Das geplante Wasserstoffnetz soll von Lingen (Ems) nach Gelsenkirchen führen. Von den geplanten 130 km Gasleitungen wird mit 118 km der größte Teil aus umgewidmeter Gasinfrastruktur bestehen [2]. Die Abbildung 4 zeigt den geplanten Verlauf des GET H2-Wasserstoffnetzes.

 

Gibt es bereits Pläne für ein europäisches Wasserstoffnetz?

Im Strategiepapier "European Hydrogen Backbone" wurde von mehreren europäischen Gasnetzbetreibern die Vision eines europäischen Wasserstoffnetzes untersucht. 2030 sollen bereits zehn Länder durch ein gemeinsames Wasserstoffnetz verbunden sein - Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande, Belgien, Tschechien, Dänemark, Schweden und die Schweiz. Laut dem Papier wird eine Infrastruktur mit einer Länge von ca. 6.800 km angestrebt, hiervon sollen ca. 75 % aus umgewidmeten Erdgasnetzen bestehen. Bis 2040 wird bereits von einem Wasserstoffnetz mit ca. 39.700 km ausgegangen - hier würde das Netz sich aus 69 % umgewidmeter Erdgasleitungen und 31 % neuer Wasserstoffleitungen zusammensetzen [6]. Die Abbildungen 5 und 6 zeigen die Ausbaupläne für dieses Netz für die Jahre 2030 und 2040.


Interview mit Frank Heunemann (Geschäftsführer NOWEGA GmbH)

Maßgeblich beteiligt am Aufbau des zukünftigen leitungsgebundenen Transport des Wasserstoffs ist die Münsteraner Firma NOWEGA, die als Gründungsmitglied der Initiative GET H2, eine Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland etablieren möchte. Die Experten-Einschätzung von Herrn Heunemann der NOWEGA lesen Sie im folgenden Interview.

Fünf Fragen zum leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff - Interview mit Herrn Frank Heunemann vom Fernleitungsnetzbetreiber NOWEGA:

Gibt es aktuell bereits einen leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff und wie sehen Sie die Entwicklung des Wasserstofftransportes per Pipeline in den nächsten Jahren?

Ja, es gibt heute und schon seit Jahrzehnten den leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff. Allerdings getrieben aus industriellem Erfordernis des Einsatzes von Wasserstoff heute in unterschiedlichsten Anwendungen der industriellen Produktherstellung. Wir haben bspw. im Ruhrgebiet ein Cluster von Unternehmen mit Leitungsverbindungen - ein rund 200 km langes System, welches von AirLiquide betrieben wird. Ein weiteres privatwirtschaftlich betriebenes Netz gibt es in der Region um Leuna, dieses wird durch Linde betrieben. Auch international gibt es z. B. in den USA umfangreiche Systeme für den Transport und die Speicherung von Wasserstoff. Auch eine Kavernenspeicherung ist dort bereits heute in der Anwendung. Damit lässt sich feststellen, dass die Thematik nichts Neues ist. Allerdings muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Fokus im Rahmen der Energiewende beim Wasserstoff nicht nur beim industriellen Bedarf liegt, sondern Wasserstoff insgesamt als einer von zwei Energieträgern der Zukunft gilt - neben Strom auch der gasbasierte Energietransport.

Könnte perspektivisch das Wasserstoffnetz das Erdgasnetz komplett (oder in Teilen) ablösen oder wird es parallele Strukturen zwischen H2 und CH4 geben?

Dadurch das sich der Fokus ändert, ändert sich auch der Transportbedarf in Größenordnungen von mehreren Zehnerpotenzen. Wenn man einen kurzen Vergleich anbringt: Die aktuell in Deutschland betriebenen Wasserstoffleitungen, welche privatwirtschaftlich betrieben werden, haben eine Länge von ca. 400 km. Die Erdgas-Fernleitungsnetze haben eine Länge von ca. 40.000 km. Das zeigt schon die Dimensionsunterschiede. Der Umgang mit diesem Transformationsprozess, d. h. für eine zukünftige Substitution von Erdgas durch Wasserstoff für den weiteren Betrieb, das wird Jahrzehnte dauern. Da stehen wir deutschlandweit, europaweit und auch weltweit noch relativ am Anfang des Prozesses. Anfangs fokussieren wir uns auf die Teilbereiche, welche zuerst relevant werden, denn letztendlich muss jeder der Teilschritte auch wirtschaftlich umsetzbar werden. Hier stehen wir noch vor vielen Herausforderungen, aber perspektivisch wird das fossile Erdgas fast komplett substituiert werden. Wichtig ist hierbei jedoch den Begriff der Defossilisierung und nicht der Dekarbonisierung zu erwähnen - wir müssen die fossilen Einsatzstoffe substituieren, gleichwohl werden wir den Kohlenstoff als Bestandteil in vielerlei Produkten benötigen. Daher werden wir zukünftig weiterhin mit einem gewissen Anteil an Methan in den Leitungen arbeiten. Die zukünftigen Wasserstoffleitungen werden ebenfalls in der Lage sein auch Methan zu transportieren.

Welche wichtigsten Aufgaben sind auf dem Weg zum deutschlandweiten bzw. europäischen Wasserstoffnetz noch zu lösen?

Eine Vielzahl großer Projekte stehen international auf der Startposition. Hier ist der dringlichste Schritt, dass auf der regulatorischen Seite die Hürden so weit freigeräumt werden, dass hier unkompliziert gearbeitet werden kann. Die wesentlichsten Aufgaben wurden in Deutschland bereits letztes Jahr vorgenommen: Das Energierecht ist in Deutschland soweit angepasst. Allerdings gibt es noch kartellrechtliche Fragestellungen, die das Zusammenarbeiten, wie wir es als selbstverständlich erachten, auf der Ebene der öffentlichen Strom- und Gasnetze vor erhebliche Herausforderungen stellt. Dürfen wir uns mit anderen Netzbetreibern über die Möglichkeit der hydraulischen Zusammenarbeit austauschen? Klar ist, wenn wir ein integriertes europäisches Wasserstoffnetz planen, dann kann dieses nur durch Zusammenarbeit gestaltet werden und nicht durch den parallelen Aufbau von Netzen. Wichtig ist, wohlwissend dass es noch nicht alle Schritte sind, dass erste Schritte gegangen werden müssen, um in eine wirtschaftliche Realisierung zu kommen die den Prozess anstößt.

Bei der Umrüstung der Erdgasnetze auf Wasserstoffnetze kann bei den Fernleitungsnetzen i. d. R. davon ausgegangen werden, dass die Leitungen als Haupt-Asset ohne größere Probleme für den Transport von Wasserstoff geeignet sind. Allerdings müssen Armaturen und obertägige Stationsanlagen ertüchtigt werden, ebenso wie die Übergangsstationen angepasst werden müssen. Der Vorteil in der Wahrnehmung in der Bevölkerung besteht auch darin, dass nur an wenigen Stellen sichtbar Baustellen entstehen und der Rest untertägig passiert.

An wen muss ich mich bei Interesse an einem Anschluss an eine Wasserstoffpipeline wenden?

In der Gemeinschaft der Fernleitungsnetzbetreiber wurde in 2019 und 2021 der Bedarf von Wasserstoff im Transport abgefragt, um danach in eine koordinierte Netzentwicklungsplanung einzusteigen. Dort wo Projektplanungen heute schon konkreter werden, wie bspw. beim Projekt GET H2 Nukleus, können Sie sich auch direkt an die beteiligten Projektpartner wenden, dass Sie Interesse an einem Netzanschluss hätten.

Welche Zielsetzungen werden mit dem TransHyDE Projekt verfolgt? Wie ist der aktuelle Stand?

TransHyDE ist eines der drei Leitprojekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) um das Thema Infrastruktur in der Wasserstoffwirtschaft wissenschaftlich zu erforschen. Dort wird sich vorrangig um den leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff gekümmert, allerdings werden ebenfalls weitere Transportmöglichkeiten bspw. per Schiff untersucht. Im Projekt gibt es eine Reihe von Einzelprojekten wie z. B. zur Werkstofftechnik, Transportfähigkeit, Reinheit von H2 während des Transports. Wir als NOWEGA haben bereits eine Leitung, welche für den Wasserstofftransport vorgesehen ist, einer Molchung und Inspektion unterzogen. Die Ergebnisse sollen die Integritätsprüfung und -gewährleistung für das Leitungssystem während des laufenden Betriebes sicherstellen. So arbeiten wir uns näher an den üblichen Betrieb eines solchen Wasserstoffnetzes heran.



Quellen

[1]

G. Cerbe und B. Lendt, Hg., Grundlagen der Gastechnik: Gasbeschaffung - Gasverteilung - Gasverwendung, 8. Aufl. München: Hanser, 2017.

[2]

Peter Adam, Frank Heunemann, Christoph von dem Bussche, Stefan Engelshove und Thomas Thiemann, Wasserstoffinfrastruktur – tragende Säule der Energiewende: Umstellung von Ferngasnetzen auf Wasserstoffbetrieb in der Praxis. [Online]. Verfügbar unter: https://www.get-h2.de/wp-content/uploads/200915-whitepaper-h2-infrastruktur-DE.pdf (Zugriff am: 22. Januar 2022).

[3]

FNB Gas e.V., Netzentwicklungsplan Gas 2022–2032: Szenariorahmen. [Online]. Verfügbar unter: https://fnb-gas.de/wp-content/uploads/2021/09/210621_de_fnb_gas_szenariorahmen_nep_gas_2022-2032_konsultationsdokument.pdf (Zugriff am: 22. Januar 2022).

[4]

FNB Gas e.V., Wasserstoffnetz 2030: Aufbruch in ein klimaneutrales Deutschland. [Online]. Verfügbar unter: https://fnb-gas.de/pressematerialien/h2-netz-2030/ (Zugriff am: 4. Februar 2022).

[5]

FNB Gas e.V., Wasserstoffnetz 2050: für ein klimaneutrales Deutschland. [Online]. Verfügbar unter: https://fnb-gas.de/pressematerialien/h2-netz-2050/ (Zugriff am: 4. Februar 2022).

[6]

Jaro Jens, Anthony Wang, Kees van der Leun, Daan Peters, Maud Buseman, Extending the European Hydrogen Backbone: A EUROPEAN HYDROGEN INFRASTRUCTURE VISION COVERING 21 COUNTRIES. [Online]. Verfügbar unter: https://gasforclimate2050.eu/wp-content/uploads/2021/06/European-Hydrogen-Backbone_April-2021_V3.pdf (Zugriff am: 22. Januar 2022).

[7]

Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, © 2022




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