Key Facts
  • Die 3 wesentlichen Arten der biologischen Wasserstoffproduktion befinden sich aktuell noch im Forschungs- und Entwicklungs(F&E)-Stadium
  • Aus heutiger Sicht scheint das Verfahren der dunklen Fermentation geeignet, um größere Wasserstoffmengen im industriellen Maßstab zu erzeugen
  • FH Münster erforscht bereits im Technikums- und Pilotmaßstab mögliche Skalierungen der biologischen Wasserstoffproduktion durch dunkle Fermentation am FH-Standort Saerbeck und sammelt Scale-Up-Daten

Welche Arten der biologischen Wasserstofferzeugung gibt es?

Die biologische Wasserstofferzeugung kann in die mikrobielle Elektrolyse, die dunkle Fermentation sowie die Biophotolyse aus Biomasse, Reststoffen und Abwässern unterteilt werden. Ebenso besteht die Möglichkeit der Dampfreformierung von Biomethan oder Bioethanol [1]. Eine Übersicht der unterschiedlichen Verfahren sowie Umwandlungsschritte bietet die Abbildung 1.
Abbildung 1: Einteilung der biologischen Wasserstofferzeugung nach [1]

Biophotolyse:

Beim Verfahren der Biophotolyse bilden Grünalgen und Cyanobakterien die Grundlage der Wasserstoffproduktion. Im Prozess werden die Algen extern in Ihrem Stoffwechselverhalten manipuliert, sodass Sauerstoff und Wasserstoff entstehen. Der Wirkungsgrad liegt zwischen 0,2 mg bis 0,8 mg Wasserstoff pro Stunde und Liter Nährlösung. Das Verfahren steht technisch noch am Anfang (Technology Readiness Level 3 (TRL 3)) und eine wirtschaftliche Nutzung ist kurzfristig in den nächsten Jahren nicht zu erwarten [1].

Mikrobielle Elektrolyse:

Bei der mikrobiellen Elektrolyse werden neben der Biomasse zusätzlich noch regenerativ erzeugter Strom und Sonnenlicht benötigt. Das Verfahren ist bereits über 100 Jahre bekannt: In einer galvanischen Zelle verstoffwechseln Mikroorganismen die Biomasse, zusätzlich wird hierbei elektrische Spannung angelegt. Nun folgen die Schritte der klassischen Elektrolyse. Insgesamt wird bei der mikrobiellen Elektrolyse weniger elektrische Energie benötigt, da die Energie aus den Stoffwechselprozessen der Bakterien genutzt werden kann.

Neben der Wasserstofferzeugung kann das Verfahren ebenfalls in der Abwasserreinigung eingesetzt werden - dort kann aus Abwasser direkt elektrische Energie erzeugt werden und zudem zum Teil auf die energieintensive Belüftung des Belebtschlamm-Beckens verzichtet werden. Die Technologie befindet sich aktuell in TRL 3 - die Grundidee wurde noch nicht in eine von der Größenordnung industriell anwendbare Anlagentechnik umgesetzt [1]. Die FH Aachen erforscht dieses Verfahren aktuell im Projekt eBioH2 [2].

Fermentation:

Bei der Fermentation gibt es ebenfalls zwei Verfahrensformen: Die Photofermentation unter Einfluss von Licht und die dunkle Fermentation ohne Lichteinfluss [1].

Bei der Photofermentation wird die Biomasse unter Einfluss von Licht durch eine Reihe von photosynthesischen Bakterien anaerob in Wasserstoff umgewandelt. Hierbei ist die Effektivität des Umwandlungsprozesses davon abhängig, dass kein Sauerstoff in den Bioreaktor gelangt und wie gut die Zusammensetzung der Mikroben an die eingesetzte Substratmischung angepasst ist. Die Technologie ist noch nicht vollends ausgereift und befindet sich noch in der TRL 3 [1].

In der dunklen Fermentation wird durch die Unterstützung von anaerob wirkenden Mikroorganismen unter Abwesenheit von Licht und bei Temperaturen von 30°C - 80°C Wasserstoff erzeugt. Hierbei werden lediglich die Schritte 1-3 des klassischen Biogasverfahrens durchlaufen (siehe Abbildung 2), wobei im dritten Schritt durch den Abbau von Glukose (Zucker) Wasserstoff, Kohlendioxid und Essigsäure erzeugt wird [1].

Abbildung 2: Entwicklungsschritte der fermentativen Wasserstofferzeugung nach [1]

Was sind die Besonderheiten der dunklen Fermentation?

Da die dunkle Fermentation im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte der FH Münster vielversprechende Ansätze zur biologischen Wasserstofferzeugung liefert, wird dieses Verfahren im Folgenden genauer beschrieben. Der Prozess ist grafisch in der Abbildung 3 dargestellt. Hierbei handelt es sich um ein biologisches und anaerobes Verfahrenskonzept, bei dem in zwei Verfahrensschritten kontinuierlich Wasserstoff durch dunkle Fermentation erzeugt wird.
Abbildung 3: Biologische Wasserstofferzeugung durch Dunkle Fermentation, Eigene Darstellung mit BioRender.com nach [3]

Das zweistufige Verfahren verfügt über einen Wasserstoff- und einen Methanreaktor. Beide können als sog. EGSB-Reaktoren (Expanded Granular Sludge Bed; deutsch: Hochleistungsschlammbett-Reaktor (betrieben mit Pelletschlamm)) betrieben werden. Im ersten Schritt wird Biomasse in einem Reaktor mittels wasserstoffbildender, anaerober Mikroorganismen aus Rein- oder Mischkulturen ohne Licht- und Sauerstoffzufuhr bei Temperaturen von 30°C - 80°C zu Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) gespalten. Im weiteren Schritt werden die restlichen nicht-zersetzten organischen Stoffe unter anaeroben Bedingungen zu Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2) umgewandelt. Als praxisnahe Einsatzstoffe kommen hierbei vor allem kohlenhydrathaltige Abwässer, bspw. aus der Lebensmittel- und Agrarindustrie in Frage. Die Substrate werden vor der Einbringung in den Bioreaktor thermisch vorbehandelt und über einen Zeitraum von ca. zwei Stunden der Temperatur von 80°C ausgesetzt. Hierbei werden die wasserstoffverzehrenden und methanbildenden Mikroorganismen eliminiert werden.

Das Verfahren befindet sich aktuell in der TRL 4-5 [1]. Tobias Weide (Leiter der Arbeitsgruppe Abwasser und Umwelttechnik, FH Münster) führt zu dieser Art der Wasserstofferzeugung aktuell umfangreiche Forschungsarbeiten durch. Die Laboranlage aus Saerbeck sowie der Scale-Up im Technikumsmaßstab in Saerbeck sind in der Abbildung 4 bzw. 5 dargestellt.

Im Ausgangsprodukt ist in der Theorie ein Wasserstoffanteil von bis zu 66 % zu erreichen, in der Praxis haben sich jedoch Werte von 50 % bis 55 % als realistisch erwiesen. Ca. ¼ der Energie im Ausgangsprodukt befindet sich (bezogen auf das produzierte Gasvolumen) im Wasserstoff, im Methan hingegen ¾ der Energie [3].

Die Nutzung von Abwässern, welche aktuell nicht weiter verwertet werden, stellt in diesem Erzeugungsverfahren eine zusätzliche Wirtschaftlichkeit dar [1]. Die Potenziale der dunklen Fermentation werden aktuell durch das vom BMWi geförderte Forschungsprojekt "HyTech - Biologische Wasserstofferzeugung für eine nachhaltige Energiewirtschaft" untersucht. Durch das Projekt werden die Möglichkeiten zur Optimierung des Verfahrens der dunklen Fermentation untersucht (Projektlaufzeit: August 2020 bis Juli 2023).

Ob die Erzeugung von Biowasserstoff durch vorhandene Biomassepotenziale, wie bspw. kohlenhydrathaltige Abwässer, einen Teil der zukünftigen Wasserstoffnachfrage decken und in ein großtechnisches Verfahren überführt werden kann, wird sich zeigen. Erste Einschätzungen lesen Sie im Interview mit unserem Experten Tobias Weide:

Vier Fragen zu der biologischen Wasserstofferzeugung mit dunkler Fermentation - Interview mit Herrn Tobias Weide von der FH Münster

Wie bist du auf das Thema gekommen?

An der FH Münster forschen wir seit ca. 20 Jahren an der Optimierung der Biogastechnologie. Die dunkle Fermentation ist sehr ähnlich zum Biogasgasprozess, man nutzt grundsätzlich das gleiche Verfahren. Bei der dunklen Fermentation jedoch umgeht man den letzten Schritt der Biogasherstellung in welchem Methan entsteht und erzeugt somit H2 und CO2 in gasförmigem Zustand. Vor ca. 5 Jahren gab es eine große Bewegung zum Themenbereich Wasserstoff und wir haben uns gefragt, ob es Möglichkeiten der biologischen Wasserstofferzeugung gibt. Wir haben dann mit kleinen Labortests angefangen und festgestellt, dass die theoretischen Überlegungen auch in der Praxis funktionieren. Daraufhin haben wir dann zur weiteren Erforschung zwei Forschungsprojekte auf den Weg gebracht: BioTecH2 und HyTech.

Welche Potentiale zur Skalierung und Herstellung im Industriemaßstab bietet das Verfahren?

Im Rahmen der Forschungsprojekte konnten wir das Verfahren mittlerweile in den Technikumsmaßstab skalieren. In diesem vergrößerten Maßstab können wir möglichst praxisnah arbeiten und Scale-Up-Daten sammeln, welche für eine weitere Skalierung essenziell sind. Wichtig ist außerdem, dass wir mit Reaktortechnik aus der Industrie arbeiten, welche bereits seit 30 bis 40 Jahren großindustriell im Einsatz ist. Es werden lediglich einige Prozessparameter verändert, daher könnte man recht schnell in der Industrie mit diesem Verfahren Fuß fassen und interessierte Partner finden. In diesem Zusammenhang konnten wir mit den ersten Erkenntnissen bereits einen Business Case für ein Unternehmen in der Lebensmittelindustrie berechnen.

Welche Herausforderungen sind für die großskalige Nutzung noch zu meistern?

Der Knackpunkt bei diesem Verfahren ist nicht der verfahrenstechnische Prozess, sondern die sinnvolle Nutzung des entstandenen Wasserstoffs. Grundsätzlich konkurriert man immer mit dem klassischen Konzept der Abwasserbehandlung mit Methanerzeugung und da muss sich für jedes Unternehmen individuell zeigen: Welche Vorteile bietet das zweitstufige Verfahren mit der Erzeugung von Wasserstoff? Außerdem ist eine weitere Herausforderung, dass im Gasgemisch 50 % CO2 enthalten ist und somit eine Gasaufreinigung nötig ist - eine direkte Nutzung des Gases bspw. in einer Brennstoffzelle wäre nicht möglich.

Gibt es Vorteile gegenüber anderen Wasserstofferzeugungs-
technologien?

Unternehmen, welche aktuell Ihre Abwasserströme noch nicht behandeln, geben diese i. d. R. an eine Kläranlage ab und müssen dort für die "Extrabehandlung" zahlen. In diesem Fall könnte man das Abwasser über die dunkle Fermentation vorbehandeln und damit die organischen Frachten um 60-80 % reduzieren. In der Wirtschaftlichkeit können somit negative Kosten für die eingesparte "Extrabehandlung" der Abwasserströme berechnet werden. Zudem kann durch das konstante Aufkommen von Abwasser eine gewisse Grundlast an Wasserstoff- und Methangas erzeugt werden.

Jedoch muss man sagen, dass das Verfahren der dunklen Fermentation sehr schwer mit der klassischen Wasserstofferzeugung durch die Elektrolyse zu vergleichen ist - man vergleicht dort Äpfel mit Birnen. Der Fokus bei diesem Verfahren liegt auf der Aufreinigung der Abwasserströme und deren energetischer Nutzung in Form von Wasserstoff und Methan. Somit sind die Ausgangsstoffe und Zielsetzungen der beiden Verfahren sehr unterschiedlich.

Wichtig ist jedoch, dass man ins Gespräch kommt und man die jeweiligen Möglichkeiten der Abwasserbehandlung des Unternehmens in den Blick nimmt. Kommen Sie hierfür gerne auf mich zu.

Weitere Infos zur Forschung der FH Münster im Bereich der biologischen Wasserstofferzeugung erhalten Sie zudem in den nachfolgend verlinkten Podcast-Beitrag mit Tobias Weide und Dr. Elmar Brügging:


Quellen

[1]     T. Schmidt, Wasserstofftechnik: Grundlagen, Systeme, Anwendung, Wirtschaft. München: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2020.

[2]     FH Aachen, Forschungsteam am Campus Jülich stellt Wasserstoff aus Gräsern her. [Online]. Verfügbar unter: https://nachrichten.idw-online.de/2021/11/29/forschungsteam-am-campus-juelich-stellt-wasserstoff-aus-graesern-her/?groupcolor=4.

[3]     T. Weide, J. Peitzmeier, C. Wetter, M. Wichern und E. Brügging, "Comparison of thermophilic and hyperthermophilic dark fermentation with subsequent mesophilic methanogenesis in expanded granular sludge bed reactors", International Journal of Hydrogen Energy, 2020, doi: 10.1016/j.ijhydene.2020.11.156.



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