Key Facts
  • Derzeit wird viel Wasserstoff als Nebenprodukt von chemischen Prozessen produziert
  • Die Bedeutung der Raffinerien als Erzeuger und Verbraucher nimmt zukünftig ab
  • Die Umstellung auf eine rein treibhausgasneutrale Erzeugung muss bis 2050 gelingen
Um zu verstehen, wie Wasserstoff zukünftig eingesetzt wird, ist ein Überblick zur derzeitigen Nutzung von Wasserstoff hilfreich.

Wie wird der Wasserstoff heute erzeugt?

Die Wasserstoff-Produktion in Deutschland [1] sowie weltweit [2] erfolgt derzeit nahezu vollständig mittels fossiler Brennstoffe, vor allem Erdgas und Öl. Dabei fällt in Deutschland rund die Hälfte des produzierten Wasserstoffs als Nebenprodukt von chemischen Prozessen an, welcher für eine Nutzung häufig noch gereinigt und aufbereitet werden muss. Nur die Anlagen zur Dampfreformierung und zur partiellen Oxidation dienen ausschließlich der Wasserstoff-Produktion.

Der Wasserstoff-Bedarf besteht derzeit überwiegend im Bereich der Raffinerien, der Ammoniakherstellung (hauptsächlich für die Düngemittelproduktion), der chemischen Industrie (u.a. für Methanol als wichtigen chemischen Grundstoff [3]) sowie weiterer Anwendungen, wie der Stahlproduktion. Dabei erfordert der Einsatz in Raffinerien und bei der Ammoniakproduktion reinen Wasserstoff, wohingegen er bei vielen anderen derzeitigen Anwendungen als Gasgemisch zum Einsatz kommt [2]. Abbildung 1 zeigt die Herstellverfahren und Mengen (in TWh) der Wasserstoff-Produktion in Deutschland.
Abbildung 1: Herstellverfahren und Mengen (in TWh) der Wasserstoff-Produktion in Deutschland.

Wasserstoff im Raffinerieprozess

Abbildung 2: Wasserstoff im Raffinerieprozess [5]
    Ein Großteil des in Raffinerien zum Einsatz kommenden Wasserstoffs wird am Standort des Verbrauchs produziert (z. B. als Nebenprodukt der katalytischen Benzinreformierung). Der übrige Bedarf (22 %) muss durch externe H2-Quellen gedeckt werden. Dabei wird die Erdgas-Dampfreformierung genutzt, welche in Zukunft bspw. durch die Elektrolyse mit EE-Strom ersetzt werden kann. In der Raffinerie wird der gesamte Wasserstoff für die Entschwefelung, Hydrotreating und Hydrocracking verwendet, um daraus Benzin, Kerosin, Diesel und weitere Treibstoffe herzustellen. [5]
Für die zukünftige Entwicklung des Wasserstoff-Bedarfs in den bisher dominierenden Anwendungszwecken betrachten wir die Bereiche Raffinerien, Ammoniakherstellung und Methanol-Herstellung.

  1. Derzeit wird der größte Teil des Wasserstoffs in Raffinerien überwiegend für die Treibstoff-Herstellung genutzt. Jedoch nimmt die Bedeutung der Raffinerien insgesamt mit der Abkehr von fossilen Treibstoffen ab [1]. Dies zeigt auch die Abbildung 3 zum prognostizierten Wasserstoffbedarf [4].

  2. Der Wasserstoff, welcher in der chemischen Industrie unter anderem für die Methanol-Produktion eingesetzt wird, kommt in vielen Fällen als Bestandteil eines Synthesegases, einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid (CO), zum Einsatz. Da das enthaltene Kohlenmonoxid wesentlich für die Herstellung ist und bei der Aufspaltung von Methan (Erdgas) oder Naphtha zusammen mit dem Wasserstoff entsteht, muss bei der Substitution durch strombasierten Wasserstoff ebenfalls eine alternative Kohlenstoffquelle gefunden werden [1]. Der zukünftige Bedarf an Wasserstoff für die Methanol-Herstellung bleibt etwa auf dem heutigen Niveau (siehe Abbildung 3) [4].

  3. Ebenso wie der Wasserstoff-Bedarf für die Methanol-Herstellung wird auch der Wasserstoff-Bedarf für die Ammoniak-Herstellung in Zukunft etwa auf dem heutigen Niveau verbleiben [4]. Jedoch besteht hier ein Bedarf an Wasserstoff als Einzelgas und somit eignet sich die Ammoniaksynthese für die Umstellung auf grünen, strombasierten Wasserstoff besonders [1].
Abbildung 3: Prognostizierter Wasserstoffbedarf in Deutschland nach Industrien in den Jahren von 2015 bis 2050 (in TWh Wasserstoff, Hu); [4]

Wo wird der Wasserstoff genutzt?

Eine erste räumlich Einordnung der in Deutschland produzierten und genutzten Mengen von Wasserstoff erhält man über die Standorte von Raffinerien und Chemieparks in Deutschland. Zukünftig wird auf Grund der abnehmenden Bedeutung der Raffinerien (siehe Abb. 4) vor allem an den 37 Chemieparks Treibhausgas-neutraler Wasserstoff benötigt. Die Standorte können folgender Karte entnommen werden.
Abbildung 4: Standorte von Chemieparks und künftiger grüner Wasserstoffabnehmer in Deutschland [9]
Ein großer Anteil der Standorte befindet sich in NRW entlang des Rheins und südwestlich von Köln. Das Rhein-Main-Gebiet ist ein wichtiges Zentrum der Chemieparks. Weitere Standorte befinden sich auf der Grenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt. Östlich von München kurz vor der Grenze zu Österreich sind drei weitere Standorte angesiedelt. Im Norden von Niedersachsen sind drei Standorte verteilt. Einzelne Standorte gibt es nordwestlich von Hamburg, im Süden von Brandenburg, bei Freiburg und in Augsburg [9].
Für das Münsterland und die HYMAT-Energie-Region sind die Raffinerie-Standorte in Lingen und Gelsenkirchen sowie der Chemiepark Marl relevant, welche auch in der Initiative GET H2 maßgeblich für die Umstellung auf grünen Wasserstoff aus Windenergie und der Wasserelektrolyse sind und eine Wasserstoffpipeline vom Erzeugungsstandort Lingen über den Chemiepark Marl bis nach Gelsenkirchen geplant [6].

Welche alternativen Erzeugungsoptionen von Wasserstoff gibt es?

Neben der Erzeugung von grünem Wasserstoff definiert die Abbildung 5 weitere Erzeugungspfade.

Die Wasserstoff-Farbpalette

Abbildung 5: Abhängigkeit der Treibhausgas-Emissionen des Wasserstoffs von der Erzeugungsart [8]. Anm. Gesetzlich definiert sind derzeit in der Wasserstoffstrategie nur die Farben, grau, blau, türkis und grün [7].
Grüner H2: Wasserstoff, der durch Elektrolyseverfahren mithilfe von erneuerbarem Strom  CO2-neutral erzeugt wird [8].
Oranger H2: Wird aus Biomasse oder unter Verwendung von Strom aus Anlagen der Abfallwirtschaft, etwa Müllverbrennungsanlagen oder Biogasanlagen, erzeugt [10].
Türkiser H2: Wird durch die thermische Spaltung von Methan gewonnen. Bei der Herstellung  entsteht statt CO2 als Endprodukt fester Kohlenstoff, der gelagert und in  verschiedenen Industrien eingesetzt werden kann [8]. 
Pinker H2: Entsteht durch das Elektrolyseverfahren, bei dem der Strom von einem  Kernkraftwerk erzeugt wird [8].
Blauer H2: Wasserstoff, der durch Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt wird. Das dabei entstehende CO2 wird mittels CCS (Carbon Capture and Storage) in  geeigneten geologischen Strukturen gespeichert [8].
Grauer H2: Aus fossilen Energieträgern gewonnener Wasserstoff, bei dessen Herstellung  CO2-Emissionen entstehen. Ein gängiges Verfahren ist die Dampfreformierung  aus Erdgas [8].
Schwarzer H2: Entsteht entweder durch Kohlevergasung oder durch Dampfreformierung von  Kohlenwasserstoffen (Erdöl) [8].

Quellen

[1] Prognos AG, 2020. Kosten und Transformationspfade für strombasierte Energieträger. Endbericht zum Projekt "Transformationspfade und regulatorischer Rahmen für synthetische Brennstoffe" [online]. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft. Verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Studien/transformationspfade-fuer-strombasierte-energietraeger.pdf?__blob=publicationFile

[2] International Energy Agency, 2019. The Future of Hydrogen. Seizing today's opportunities [online]. Report prepared by the IEA for the G20, Japan. Verfügbar unter: https://iea.blob.core.windows.net/assets/9e3a3493-b9a6-4b7d-b499-7ca48e357561/The_Future_of_Hydrogen.pdf

[3] Fraunhofer ISI und Fraunhofer ISE, 2019. Eine Wasserstoff-Roadmap für Deutschland [online]. Verfügbar unter: https://www.fraunhofer.de/content/dam/zv/de/ueber-fraunhofer/wissenschaftspolitik/Positionen/Fraunhofer-Wasserstoff-Roadmap.pdf

[4] Umweltbundesamt, 2016. Prognostizierter Wasserstoffbedarf in Deutschland nach Industrien in den Jahren von 2015 bis 2050 (in TWh Wasserstoff, Hu) [Graph]. In Statista. Zugriff am 05. Juli 2021, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/750972/umfrage/prognose-wasserstoffbedarf-in-deutschland/

[5] Deutsche Energie­Agentur GmbH, 2018. Factsheet Erdölraffinerie. Einsatzgebiete für Power Fuels [online]. Verfügbar unter: https://www.powertogas.info/fileadmin/Power_To_Gas/Dokumente/Factsheets/DENA-Factsheet8_Eroelraffinerie.pdf

[6] Evonik, 2020. H wie Hoffnung [online]. ELEMENTS. Forschen, Wissen, Zukunft, (02 - Wasserstoff), 10-19. Verfügbar unter: https://elements.evonik.de/wp-content/uploads/2020/06/ELEMENTS_0220_DE_Wasserstoff.pdf

[7] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Hg., 2020. Die Nationale Wasserstoffstrategie [online]. Verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/die-nationale-wasserstoffstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=12

[8] itcv GmbH. Jürgen Voskuhl, 9. Februar 2021. Die nationale Wasserstoffstrategie: Fragen und Anmerkungen [online]. Verfügbar unter: https://www.itcv-software.com/nationale-wasserstoffstrategie/

[9] Verband der Chemischen Industrie e. V., 2013. Chemieparks: Zahlen, Daten und Standortinfos [online]. Fachvereinigung Chemieparks. Karte. Verfügbar unter: https://www.vci.de/vci/downloads-vci/bilder/standortkarte-zahlen-300dpi.jpg

[10] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung, Hg., "Oranger Wasserstoff: Herstellung von Wasserstoff aus Abfall". Sachstand, 15. Sep. 2021. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/866384/6f31ce3d496d03eb92d35856544ac1ba/WD-8-075-21-pdf-data.pdf. Zugriff am: 29. Oktober 2021.



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