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„Starkregendemenz“ nach dem Extremregen 2014

Absolventin der FH Münster stellt Ergebnisse von Bürgerbefragung vor


Münster (11. Oktober 2019). „Kein Kanalnetz kann das Volumen eines Regenereignisses wie 2014 fassen“, gibt Prof. Dr. Helmut Grüning zu. Denn die 40 Millionen Kubikmeter Wasser, die vor fünf Jahren am 28. Juli auf Münster herabprasselten, stellten das 26-fache von dem dar, was die Kanäle und Gräben aufnehmen können. Dass dieser Tag mit überfluteten Straßen, tausendfachen Stromausfällen, vollgelaufenen Kellern und Erdgeschossen sowie Tonnen an Sperrmüll ein Extrem darstellt, darüber sind sich Experten und die breite Öffentlichkeit einig. „Aber wir beobachten eine ‚Starkregendemenz‘ bei den Bürgern. Die Leute vergessen, welches Ausmaß der Regen seinerzeit hatte. Ihnen ist nicht bewusst, dass es bei einem ähnlichen Ereignis wieder so aussehen wird. Denn damals sind wir eigentlich mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Michael Grimm vom Amt für Mobilität und Tiefbau der Stadt Münster.

Was hat sich also in Sachen vorbeugendem Hochwasserschutz getan? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Tagung „5 Jahre nach dem Extremregen in Münster“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) am Donnerstagvormittag in der psd Bank am Hafen.

Prof. Grüning von der FH Münster führte als Experte für Stadthydrologie und Entwässerungstechnik durchs Programm. Sowohl die Stadt Münster als auch andere Kommunen aus dem Münsterland stellten ihre seitdem durchgeführten und geplanten Maßnahmen vor. Auch das grenzüberschreitende Interreg-Projekt „Wasserrobuste Städte“ war Thema.

Hoch interessiert zeigten sich die Teilnehmer an den Ergebnissen einer Bürgerbefragung, die Eske Hilbrands präsentierte. Die Absolventin des Fachbereichs Energie - Gebäude - Umwelt der FH Münster hat an einem Forschungsprojekt von Prof. Grüning mitgearbeitet. Das hatte die Deutsche Rentenversicherung (RV) nach dem Starkregen bei dem Experten in Auftrag gegeben, weil das Unternehmen durch das Hochwasser einen Schaden von 800.000 Euro davongetragen hatte. Um solchen Schäden zukünftig vorzubeugen, untersucht das Projekt die Schwachstellen am Gebäude der RV. Außerdem wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit eine Bürgerumfrage mit 52 ebenfalls betroffenen Grundstückseigentümern durchgeführt. Teils wegen des Hochwassers in der Aa, teils wegen zurückdrückendem Wasser aus den Schächten und durch Oberflächenabflüsse, die nicht unmittelbar in das Kanalnetz einlaufen konnten, überfluteten viele Grundstücke und Gebäude. Genauso wie der Keller der Deutschen Rentenversicherung. Bei einigen Anwohnern habe das Wasser sogar bis zu einem Meter hoch im Erdgeschoss gestanden.

Die Umfrage zielt sowohl auf den Grad der Betroffenheit der Bürger und die darauffolgenden baulichen Maßnahmen ab als auch auf die psychologische Verarbeitung. „Einerseits gab es viel Wertschätzung für die Arbeit, Aufklärung und Initiative der Stadt“, sagt Hilbrands. Immerhin habe die Stadt bis einschließlich Februar 2015 insgesamt 700 Beratungsgespräche durchgeführt. „Auf der anderen Seite gab es aber auch Wut und teilweise Informationsresistenz gegenüber den Fachplanern.“

Dennoch sind 70 Prozent der Betroffenen an der Kanalstraße selbst tätig geworden, um sich zukünftig vor einer Überflutung zu schützen. Hauptsächlich haben sie Lichtschächte erhöht, in manchen Gärten Mauern gebaut, wertvolle Gegenstände aus den Kellern umgeräumt oder Elementarschadenversicherungen abgeschlossen. Bei denjenigen, die nicht tätig wurden, lautete die Begründung: „Solche Ereignisse kommen zu selten vor“ oder „Die Stadt ist dafür zuständig, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen“, erläutert die Ingenieurin.

Damit kommt Eske Hilbrands zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Stadt Münster: „Egal, ob Besitzer von kleinen oder großen Grundstücken, den Bürgern fehlt der Bezug zum Thema Wasser. Sie haben sich an den Entwässerungskomfort gewöhnt. Ihnen ist nicht bewusst wie gefährlich so eine Situation werden kann.“ Eigentlich sei das Entwässerungsnetz der Stadt ausreichend, auch für größere Wettereignisse. Das Unwetter von 2014 habe allerdings auf dem Starkregenindex dem höchsten Wert von 12 entsprochen. Einen vollständigen Schutz vor solchen Extremwetterereignissen gebe es nicht.

„Das ist ein Rekord, um den die Münsteraner niemand beneidet. Aber wie gehen wir mit diesen Daten um? Überflutungskarten zum Beispiel zeigen bereits, wo Hotspots liegen. Aber es geht sicher noch besser. Dafür benötigen wir viele Akteure, von Fachplanern bis zu Politik und Gesellschaft, oder auch grenzübergreifende Projekte“, sagte Prof. Grüning.




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