Kurzfassung

Wachsende Verkehrsbelastungen und damit einhergehende Auslastungen der Bestandsnetze sind gerade in Ballungsräumen und städtischen Bereichen an der Tagesordnung. Dies veranlasst Kommunen, Verkehrsplaner und Stadtplaner dazu, die bestehenden Netze immer weiter zu optimieren. Da der Straßenraum hochverdichteter Innenstädte oftmals keine Kapazitäten bietet, um bauliche Maßnahmen wie beispielsweise mehr Fahrstreifen oder gesonderte Abbiegespuren einzurichten, liegt das Hauptpotenzial zur Optimierung des Verkehrsflusses in der Signalisierung von Knotenpunkten und in einer guten Koordinierung der einzelnen Signalanlagen im Streckenverlauf.

Vor diesem Hintergrund soll zunächst eine Machbarkeitsstudie zur EDV-gestützten Beurteilung von Verkehrsqualitäten mit Hilfe des Systems enviroCar durchgeführt werden und in einem weiterführenden Schritt ein Leitfaden und ein Software-Tool zur Durchführung der Qualitätsanalyse entwickelt werden. Die Hauptfragestellung dabei lautet, ob das System enviroCar in der Lage ist, ohne die bisher übliche Simulation von Verkehrszuständen aus gewonnenen Daten, eine Beurteilung der Verkehrsqualität zu ermöglichen und welche statistischen Randbedingungen dabei einzuhalten sind.

Versuchsaufbau

Logo enviroCar
enviroCar

Im Rahmen dieses Projekts soll das System enviroCar dahingehend überprüft werden, ob die mit diesem System erfassten Daten Aussagen über die Verkehrsqualität und das Maß der Koordinierung auf einzelnen Streckenabschnitten zulassen. Hierzu sind zunächst Messfahrten erforderlich, welche auf einem koordinierten Abschnitt erfolgen sollen.

Als Untersuchungsabschnitt wurde der koordinierte Bereich B2 im Stadtgebiet Münster, die Steinfurter Straße B54 gewählt. Die radial zum Stadtzentrum verlaufende Steinfurter Straße ist eine der Haupteinfahrtsstraßen Münsters mit 26696 Kfz/d. Die B54 verbindet den Norden Münsters und die BAB1 mit dem Zentrum Münsters. Der betrachtete Abschnitt der B54 hat eine Länge von rund vier Kilometern beinhaltet 16 Knotenpunkten.

Die Messfahrten beginnen am Knoten Steinfurter Straße/Austermannstraße und enden an der Abzweigung Moltkestraße. Für die spätere Auswertung werden nur die dazwischen befindlichen 14 Knotenpunkte berücksichtigt.

Im Rahmen dieses Pilotprojekts wurden Messungen in der Morgenspitzenstunde von 07.00 - 09.00 Uhr zwischen Dienstag und Donnerstag durchgeführt. Die Messungen fanden durchgehend statt, wodurch sowohl stadteinwärts als auch stadtauswärts Daten erhoben wurden.

Ergebnisse

Anteil der Durchfahrten [%]

Die Studie zeigt, dass die enviroCar App die für eine Qualitätsanalyse des Verkehrsablaufs benötigten Daten aufzeichnen kann. Mittels GPS-Koordinaten und zugehörigem Zeitstempel lassen sich alle relevanten Kenngrößen berechnen. Darüber hinaus wird der Verbrauch bzw. der CO2-Ausstoß von der App berechnet und die Motordrehzahl ausgelesen. Die Genauigkeit der ausgelesenen Daten ist sehr hoch und die Datenerfassung ist zuverlässig wodurch bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen eine relativ geringe Anzahl von Erfassungs-Fahrten erforderlich sind.

Die erfassten Rohdaten sind nutzbar zur Analyse der Verkehrsqualität und bieten die Möglichkeit der weiterführenden Verarbeitung, Visualisierung und Bereitstellung. Der Automatismus zur Sammlung und zum Upload der Daten, sowie die Bereitstellung in einer Datenbank ermöglicht eine einfache Nutzung der Daten. Die Visualisierungs- und Aggregationsmöglichkeiten innerhalb des Web GIS bieten vielfältige Optionen zur aussagekräftigen Darstellung und Erläuterung von Verkehrsqualitäten, vor allem, um auch Laien ohne vertiefte Fachkenntnisse aufzuklären und für verkehrstechnische Zusammenhänge zu sensibilisieren.

Ein Hauptanwendungsbereich der enviroCar-App und des entwickelten Analysetools ist deshalb die Bewertung von Verkehrszuständen bei konkreten Projekten wie z. B. einer Vorher- Nachher- bzw. On-Off-Untersuchung von neuen Signalzeitenplänen oder veränderten Verkehrsführungen. Doch auch der einzelne Nutzer der enviroCar-App hat einen Mehrwert davon. Die Ausgabe von Verbrauchsdaten und CO2-Emission der eigenen Fahrten ermöglicht die Schulung hin zu einem effizienten und umweltbewussten Fahrstil. Außerdem hat jeder Nutzer Zugang zu Informationen über die Qualität des Verkehrsnetzes. Eine Erweiterung des Nutzens sowohl für den Bürger als auch für die Kommune wäre die Implementierung einer webbasierten Liveanalyse der Verkehrsqualität.

Eine Erweiterung des Nutzens sowohl für den Bürger als auch für die Kommune wäre die Implementierung einer webbasierten Liveanalyse der Verkehrsqualität. Die Datengewinnung auf Basis von Citizen Science ist konzeptionell dafür sehr gut geeignet, wobei der Nutzerkreis dafür deutlich vergrößert werden muss. Die Liveanalyse kann als Informationsplattform der Kommune dienen, wo zu welcher Zeit Engpässe auftreten, sie kann aber auch als eine Komponente eines Beschwerdemanagements fungieren, ähnlich wie es der WDR mit der Aktion NRW "Das Mitmach-Projekt gegen den Stau" gemacht hat. Auf dieser Basis können sich die Akteure (Kommune und Bürger) austauschen und ihre Analysen und Aussagen mit Daten untermauern. Der Erfahrungsaustausch fördert das Verständnis für teilweise sehr komplexe verkehrstechnische Entscheidungen und zeigt auch der Kommune die subjektiven Eindrücke der Nutzer. Mit einer entsprechenden Kampagne hätte das einen Image-Gewinn für die Kommune zur Folge, weshalb hier eine Kooperation denkbar ist.

Die dafür erforderliche Erweiterung des Nutzerkreises kann durch zwei Strategien erreicht werden. Zum einen muss ein Kommunikationskonzept mit Analyse der Multiplikatoren und Zielgruppen aufgestellt werden. Es muss der Mehrwert für die Nutzer ersichtlich sein und eine Community entstehen, die die Möglichkeit des Austausches hat. Zum anderen ist eine Erweiterung der App zur Nutzung ohne OBD-Adapter sinnvoll, um mehr Nutzer durch die Reduzierung von Hemmnissen zu mobilisieren. Die OBD-Funktionen können dann z. B. als enviroCar-PLUS vermarktet werden und nachträglich ergänzt werden. Kritisch zu hinterfragen ist dabei allerdings immer die Repräsentativität, da die Nutzergruppe keiner zufälligen Auswahl unterliegen wird. So werden vor allem technikaffine, vermutlich jüngere Kfz-Besitzer den Nutzerkreis dominieren.

Das Kompetenzzentrum Bau und Verkehr sieht die Zukunft des enviroCar Systems hinsichtlich verkehrsplanerischer Fragen in erster Linie in speziellen Verkehrsuntersuchungen, zur Ermittlung des Grades der Zielerreichung von baulichen und verkehrstechnischen Maßnahmen.



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