Dabei ist es eher ungewöhnlich, mit „Ü50“, wie sie es nennt, einen Bachelorabschluss anzuvisieren – noch neben der Arbeit. Aber das gelingt: und zwar digital. BASA-online trägt schon im Namen, was sich andere Studiengänge seit Beginn von Corona erst noch erarbeiten mussten. Der Fachbereich Sozialwesen legte sich mächtig ins Zeug, die Präsenzzeiten während des Lockdowns in Onlinemodule zu überführen. Anwesend, ohne wirklich da zu sein: Das gelingt zum Beispiel durch die Live-Classrooms.
Das Lernen fällt der 54-Jährigen leicht. „Ich habe Wissen schon immer aufgesaugt wie ein Schwamm und die bisherigen Semester gut gemeistert. Auch wenn ich drei Module gleichzeitig hatte und mehrere Hausarbeiten abgeben musste.“ Schade findet sie natürlich, dass mit der Pandemie die persönlichen Kontakte in der Hochschule wegfielen, ihr Job als Schulbegleiterin noch schwieriger wurde, befristet war er eh. Inzwischen arbeitet Ursula komplett in der Sozialpädagogischen Familienhilfe, allerdings auch mit befristetem Arbeitsvertrag.
Umso mehr wurde ihr bewusst, wie richtig ihre Entscheidung für den berufsbegleitenden Online-Studiengang Soziale Arbeit war, an dessen Ende der Bachelor of Arts steht. „Für mich ist dieses Studium einfach ein großes Glück. Auch wenn mir manches schwerfällt. Wir mussten zum Beispiel ein dreiminütiges Erklärvideo zu einem Problem aus unserer beruflichen Praxis mit Strichmännchen erstellen. Dafür habe ich einen Fall zum Thema Gewalt und Mobbing auf dem Schulhof genommen, der mir begegnet ist.“ Ursula Meißner hat es hinbekommen. Auch die Gesprächsreflexion mit einem Grundschulkind, die zum Studium dazugehört, war zunächst für sie eine Herausforderung, aber das Feedback des Dozenten war gut. Diese kleinen Erfolgserlebnisse sind für die angehende Sozialarbeiterin besonders wertvoll.
Denn Ursula weiß, was es heißt – sich durchzubeißen: 25 Jahre hat sie auf dem Bau gearbeitet. „Bei leichtem Nieselregen Gemäuer mit Kalkspatzenmörtel zu verputzen, war auch anstrengend, und als Frau in der Baubranche selbstständig zu sein, war kein Zuckerschlecken.“ Sie findet, dass sie diese Zeit gut gewappnet hat für die derzeitige Doppelbelastung von Studium plus Vollzeitjob.
Trotzdem ringt dies vielen Hochachtung ab, erst recht, wenn sie hören, dass sie sich obendrein noch Zeit für eine Weiterbildung freigeschaufelt hat: Das Selbstmanagement-Training mit dem Zürcher Ressourcenmodell® im Referat Weiterbildung am Fachbereich Sozialwesen hat sie zusammen mit ihrer Tochter absolviert. „Das war toll, wir beide gemeinsam in einer Runde“, sagt die Mutter dreier Kinder.

Einerseits findet sie die Doppelbelastung von Job und Hochschule anstrengend, andererseits sagt sie aber auch: „Ich schöpfe Kraft aus dem Studium, auch wenn ich oft an meine Grenzen komme. Und es ist sehr schade, dass ich im Moment nicht so viel Zeit habe für die Familie, sie muss aber einfach mitziehen, sonst klappt das nicht. Urlaub ist nicht drin, und für den Garten und zum Musizieren habe ich auch keine Zeit. Ich schalte um auf den Moment, schaue nicht so in die Zukunft.“ Und dann schaut sie doch nach vorn. „Wenn ich den Abschluss in der Tasche habe, ist noch nicht Schluss mit dem Lernen – zumindest einen Hochschulzertifikatskurs am Fachbereich Sozialwesen würde ich gern dranhängen, entweder ‚Sozialpsychiatrische Fachkraft in der Arbeit mit Familien‘ oder ‚Professionelle Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit‘.“ Ein ganz kleines bisschen liebäugelt sie sogar mit einem Masterstudium. „Wenn das Praxisprojekt im Sommer vorbei und die Bachelorarbeit abgeschlossen ist, dann wird‘s sicher ungewohnt stressfrei für mich.“
Von Anne Holtkötter