Seit Sebastian im Juni hier gelandet ist, begeistern ihn Land und Leute. „Schon in meinen ersten Wochen hier habe ich schnell Anschluss gefunden und unheimlich viele Menschen kennengelernt, vor allem Erasmus-Studierende. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich schon ewig hier. Es ist einfach toll“, schwärmt er. Dieses Gefühl der Vertrautheit begleitet ihn nicht nur in seiner Freizeit, sondern auch während seiner Arbeit im Labor für intelligente Rechnersysteme der Universidad de Cádiz. „Die Atmosphäre ist sehr familiär. Neben fachlichen Themen sprechen wir im Team auch viel über Privates. Die Einstellung zur Arbeit ist ganz anders als in Deutschland, viel entspannter.“
Dabei hat es Sebastians Projekt thematisch in sich: Gemeinsam mit seinen Kollegen Jesús and Javier, zwei Studenten in seinem Alter, versucht er, die Energieeffizienz von Mikrocontrollern und Kleinstrechnern mittels Künstlicher Intelligenz zu reduzieren. Dafür entwickeln sie ein neuronales Netz, das voraussagen soll, wie hoch der Stromverbrauch eines Programmiercodes ist, bevor er überhaupt ausgeführt wird. „Das Praktikum ist sehr anspruchsvoll“, erklärt der Student. „Beinahe täglich bin ich mit neuen Aufgaben konfrontiert.“ So arbeitete er sich in eine Software zur Erstellung von Leiterplatten ein, brachte sich selbst die Programmiersprache „Python“ bei und beschäftigte sich ausgiebig mit der Extrapolation, also Vorhersage, von Daten.



Diese Fülle kann anstrengend sein, gesteht Sebastian. „Manchmal wünsche ich mir, ich würde länger an einer Sache arbeiten. Sobald ich mich relativ gut in ein Thema hineingefuchst habe, kommt schon das nächste Arbeitspaket.“ Aber Sebastian, der längst die „manera de vivir“ – die Art, zu leben – seiner neuen Wahlheimat verinnerlicht hat, bleibt positiv. „Da dieses Projekt so viele verschiedene Aspekte der Elektrotechnik umfasst, kann ich gut herausfinden, ob ich später wirklich in einem dieser Bereiche arbeiten möchte. Und natürlich lerne ich eine Menge nützlicher Fähigkeiten.“

Einen halbwegs sorgenfreien Start in Andalusien hatte Sebastian vor allem dank seiner vollständigen Coronaimpfung. „Über die Idee, nach Spanien zu gehen, habe ich schon 2019 mit Prof. Dr. Peter Glösekötter gesprochen, der dort viele Kontakte hat. Aber dann kam die Pandemie und wir haben die Pläne auf Eis gelegt. Anfang des vergangenen Jahres wurde es dann zum Glück konkreter und ich habe mich so schnell wie möglich impfen lassen, um mich und andere zu schützen“, erzählt er. Im Laufe seines Auslandsaufenthalts wurden zeitweise fast alle Corona-Restriktionen vor Ort aufgehoben, da die Impfquote sehr hoch ist. Zuletzt galt in geschlossenen Restaurants und Freizeiteinrichtungen die 3G-Regel. Sebastian bleibt flexibel. „Ich haben keinen Notfallplan, sondern lasse einfach alles auf mich zukommen“, sagt der Student.

Langsam neigt sich seine Zeit in Spanien dem Ende zu. Ob Sebastian die Künstliche Intelligenz noch testen kann, bevor er abreist, ist aktuell unklar, da sich der Aufbau einer Messeinrichtung zeitlich verschoben hat. Doch so oder so war seine etwas andere Praxisphase für den Emsdettener fachlich und persönlich schon jetzt ein voller Erfolg. „Mein Studentenleben war bisher eng getaktet. Der Stundenplan im Studium war sehr voll und ich bin immer von meinem Elternhaus nach Steinfurt gependelt. In Cádiz wohne ich in einer Wohngemeinschaft mit drei Spanierinnen und einer Französin, treffe mich täglich mit Freund*innen am Meer oder zum Essen und erkunde Andalusien – ich genieße es hier.“
Von Jana Schiller