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Eine Studentin arbeitet mit einem autistischen Kind.

MIA ohne Grenzen: Emilia therapiert im Kongo ein Kind mit Autismus

Emilia Hagenmüller studiert im Bachelor Soziale Arbeit an unserer Hochschule – und zwar online, von Ruanda aus. Für drei Wochen zog sie nach Kinshasa, in die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, um im Rahmen des MIA-Projekts des Fachbereichs Sozialwesen mit dem kleinen Mika zu üben.

MIA ohne Grenzen: Emilia therapiert im Kongo ein Kind mit Autismus

Emilia Hagenmüller studiert im Bachelor Soziale Arbeit an unserer Hochschule – und zwar online, von Ruanda aus. Für drei Wochen zog sie nach Kinshasa, in die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, um im Rahmen des MIA-Projekts des Fachbereichs Sozialwesen mit dem kleinen Mika zu üben.

„Mika, mach nach!“ Emilia hat zwei Duplosteine aufeinandergestapelt und zieht sie auseinander. Der kleine Mika soll die Aktion mit seinen Steinen nachmachen. „Bei der Methode Discrete Trial bekommen die Kinder eine Aufforderung und reagieren. Ist es die gewünschte Reaktion, folgt eine sogenannte Verstärkung“, erklärt Emilia die Therapiemethode. Als Verstärker kommen Spielzeug, Spieleinheiten, Soziales wie Lob oder Berührungen, auch mal Schokolade und alles, was das Kind motiviert, zum Einsatz. „Falls keine oder eine ungewünschte Reaktion erfolgt, prompten wir. Das bedeutet, dass wir das Kind bei der Aktion unterstützen, beispielsweise dessen Hände führen.“ Sprechen, sozial interagieren oder eine Bewegung nachahmen – mit vielen Wiederholungen und Erfolgserlebnissen sollten die Kleinen die Aktionen mit etwas Positivem verbinden.

Eine Studentin arbeitet mit einem autistischen Kind.
Sich am Tisch gegenübersitzen und auf eine Aktion konzentrieren: Mika (rechts) lernt die Arbeitssituation einer Verhaltenstherapie kennen. (Foto: privat)

Mika ist fast vier Jahre alt, doch sprechen kann er kaum. „Dabei ist er sehr redselig. Schon nach dem Aufstehen fängt er an, Geschichten zu erzählen. Aber eben in seiner Sprache, die weder seine deutsche Mutter noch sein kongolesischer Vater verstehen“, erzählt Emilia. Deutsche und englische Begriffe kommen noch kaum vor, aber immer öfter. „Momentan imitiert er viele Wörter wie `Schuldigung, Löwe, Schaukel oder `here we go´.“ Bei Mika wird eine Autismus-Spektrum-Störung vermutet. Diese wurde ihm aus dem fernen Deutschland per Videokonferenz diagnostiziert – zunächst nur eine Verdachtsdiagnose. Seine Mutter hatte sich Sorgen um ihren Sohn gemacht, da er in der Entwicklung deutlich hinter seiner Zwillingsschwester liegt. Über eine Freundin kam der Kontakt zu Katrin Rentmeister zustande, der leitenden Psychologin im MIA-Projekt unseres Fachbereichs Sozialwesen. MIA steht für Münsteraner Intensivprogramm für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung. Es ist ein Praxisprojekt, in dem Studierende rege mitarbeiten. „In den ersten Monaten haben wir die Theorie gelernt: Was ist Autismus? Wie entwickelt sich die Störung und wie wird sie therapiert?“, sagt Emilia.

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Für drei Wochen zog Emilia nach Kinshasa zur Familie des kleinen Mika. (Foto: privat)

Normalerweise geht es für die Studierenden dann in die Praxis: In kleinen Gruppen, begleitet von Tutor*innen, therapieren sie über mehrere Monate je ein autistisches Kind. An der Praxisphase konnte Emilia bisher nicht teilnehmen. Die 22-Jährige studiert im vierten Semester Soziale Arbeit an der FH Münster – in ihrer Wahlheimat Ruanda. „Ich war direkt offen für den Vorschlag von Frau Rentmeister, für drei Wochen in den Kongo zu Mikas Familie zu gehen. So konnte sich der Junge schon an die ungewohnte Therapiesituation am Tisch gewöhnen.“ Denn Mitte Mai – kurz nach Emilias Besuch –  ist die Familie nach Deutschland gezogen: Im Juni wurde eine offizielle Diagnose gestellt, im kommenden Jahr soll Mika voraussichtlich am MIA-Programm in Münster teilnehmen.

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Emilia wohnt mit ihrem Hund und ihrem Freund in Musanze im Norden Ruandas mit Ausblick auf den See Ruhondo. (Foto: privat)

„Fängt man früh mit einer Therapie an, können die Kinder später oft ein ganz normales Leben führen“, erklärt die Studentin. Autistischen Kindern fällt es oft schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren. „Am besten üben wir in einer besonders reizarmen Umgebung; das ist bei der Familie der Balkon. Doch auch hier rascheln die Blätter am Baum oder Personen gehen auf der Straße vorbei“, erzählt Emilia. Für Zehn-Minuten-Sessions passt Emilia Momente ab, in denen Mika gute Laune hat. „Sonst hat es keinen Zweck.“

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Der Vulkan Muhabura In Emilias Wahlwohnort Musanze. (Foto: privat)

Für ihr Studium zog Emilia in den vergangenen zwei Jahren zweimal zurück nach Münster, zweimal machte Corona ihr einen Strich durch die Rechnung. „Ich habe mir ein richtiges Campusleben gewünscht. Mit der Pandemie hatten wir dann aber fast nur Online-Seminare.“ Das habe es Emilia dann aber letztlich ermöglicht, von Ostafrika aus an unserer Hochschule zu studieren. „Nach einem Freiwilligendienst in Ruanda war für mich klar, dass ich dort leben möchte. Mir gefällt die Mentalität der Menschen, die Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.“ Wenn Emilia von Ruanda erzählt, spricht die Begeisterung aus ihr. Auch über ihre Erfahrung im Kongo ist Emilia froh: „Für die Familie ist es super zu wissen, dass es Hilfe gibt. Und ich denke, Mika hatte viel Spaß dabei.“

Von Michelle Liedtke

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