16 Porträts sind im Kreuzgang des St.-Paulus-Doms aufgestellt. 16 Bilder, die Münsteraner*innen zeigen, die aus EU-Ländern nach Deutschland gekommen sind. Daneben jeweils zu lesen: Kurzinterviews, die Einblicke in das Leben dieser Menschen geben. Bernd und Stefanie arbeiten schon seit Jahren mit ihnen ehrenamtlich im Förderverein für Wohnhilfen und in den von ihnen initiierten Beratungsstellen „Europa.Brücke.Münster“ beziehungsweise dem Modellprojekt „Brückenschlag“ zusammen. Sie helfen den Zugewanderten dabei, eine Krankenversicherung abzuschließen, unterstützen sie bei Behördengängen oder der Wohnungssuche und leisten Hilfe bei Notlagen. „Wir wollen mit unserem Engagement im Verein Möglichkeiten für Menschen schaffen, die sonst keine Möglichkeiten haben“, fasst Bernd die Arbeit zusammen. Ein weiteres Ziel: Mit der Fotoausstellung Aufmerksamkeit für die Lebenslagen zugewanderter EU-Bürger*innen zu erzeugen.

Marc, der an unserer Hochschule in der Personalentwicklung arbeitet, ist Fotograf – und Stefanies Partner. Als er von der Idee der Ausstellung erfuhr, griff er gleich zur Kamera. „Durch Stefanie erfahre ich viel über die Arbeit der Beratungsstelle. Oft bin ich beeindruckt von den Lebensgeschichten der Menschen dort. Trotz vielfältiger Hindernisse und Rückschlage zeigen sie ein unerschütterliches Engagement, für sich und ihre Familien ein gutes Leben aufzubauen. Arbeit spielt dabei eine zentrale Rolle“, erklärt er. „Daher war ich sofort bereit, in dem Projekt mitzuwirken. Die Fotografie kann eine Brücke zu den Menschen sein.“

Im Januar und Februar 2022 lud das Trio die Leute ein, um sie zu fotografieren und zu interviewen. Keine der 16 Personen habe da gezögert, erinnert sich Stefanie: „Sie waren sofort begeistert von der Idee und wollten etwas dazu beitragen, um auf die Thematik aufmerksam zu machen.“ In den Interviews berichten sie unter anderem, was ihnen an Münster gefalle, welche Beziehung sie noch zu ihrem Herkunftsland haben, worüber sie sich Sorgen machen oder was sie sich für die Zukunft wünschen. Die Antworten sind unterschiedlich: Manche haben noch Familie im Herkunftsland, andere verbindet nichts mehr damit. Krankheiten oder finanzielle Not, aber auch das oft vergebliche Bemühen um angemessenen Wohnraum bereiten ihnen Sorgen. Sie wünschen sich Gesundheit für ihre Kinder. „Durch diese Ausstellung schaffen wir einen anderen Blickwinkel auf das Leben hier in der Stadt, der vielen vielleicht gar nicht bekannt ist“, sagt Stefanie. „Diese Menschen sind keine Geflüchteten, sondern EU-Bürgerinnen und -Bürger, die das Freizügigkeitsgesetz in Anspruch genommen haben und dadurch in jedem EU-Staat leben dürfen. Dass es dieses Gesetz gibt, wissen einige Leute gar nicht“, ergänzt Bernd.

Stefanie und Bernd sind beide Vorstandsmitglieder des Fördervereins für Wohnhilfen. Sie hat an unserer Hochschule Pflege studiert, er Soziale Arbeit. 2021 erhielt Bernd für sein soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz. „Sich für Menschen in Not einzusetzen ist eine Notwendigkeit“, lautet seine kurze Begründung, warum er sich auch heute im Ruhestand so engagiert.
Von Frederik Tebbe
Die Ausstellung „Augenblick mal…“ ist noch bis zum 15. Oktober 2022 im Kreuzgang des St.-Paulus-Doms kostenfrei zu sehen.