Studierende treffen Bundespräsidenten: Armut und Aufgaben der Sozialen Arbeit waren Thema

Dr. Sebastian Kurtenbach und Studierende von unserem Fachbereich Sozialwesen sind zurzeit für ein Roma-Projekt im bulgarischen Plovdiv. Dort haben sie den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier getroffen, um sich mit ihm über ihr Forschungsprojekt zu unterhalten. Worum es in dem halbstündigen Gespräch in einem Café in Plovdivs Innenstadt genau ging, darüber sprachen wir mit Sozialwissenschaftler Kurtenbach.

Herr Kurtenbach, im Stadtteil Stolipinovo lebt die größte Roma-Community der EU. Diese wollen Sie mit Ihren Studierenden genauer unter die Lupe nehmen. Wie kam es zu dem Treffen mit dem Bundespräsidenten?
Ich hatte gelesen, dass Herr Steinmeier zeitgleich mit uns in die Kulturhauptstadt Plovdiv reisen wird – da habe ich einfach einmal in seinem Büro nachgefragt. Sein Interesse war so groß, dass der Terminplan für seine zwei Besuchstage extra für unser Treffen geändert wurde. Das hat mich natürlich riesig gefreut und war für die Studierenden eine Wertschätzung für unser Projekt, in dem wir Feldforschung betreiben zu den drei Themen Armut und Teilhabe, Diskriminierung sowie transnationales Familienleben.

 

Worum ging es dann im Gespräch?

Es drehte sich vor allem um das Thema Armut. Wir haben die immensen Aufgaben für die Soziale Arbeit und die Rolle von Bildung als Ansatz zur Problemlösung diskutiert. Und wir sind dann schnell bei Parallelen zwischen Plovdiv-Stolipinovo und Stadtteilen in Deutschland wie der Dortmunder Nordstadt gelandet. Wir waren uns einig: Die Herausforderungen in den Gebieten, wo die Migranten ankommen, benötigen Anerkennung! Und die Studierenden berichteten Herrn Steinmeier von ihren ersten Eindrücken – mit dem Tenor, dass sie ein solches Ausmaß an Armut in Europa nicht erwartet hätten. David Uekötter drückte es so aus: „Einen Roma-Stadtteil zu betreten ist, wie wenn man eine unsichtbare Grenze überschreitet.“ Jana Fuchs sagte, dass den Studierenden bewusst geworden ist: „Diejenigen, die in Europa arm sind, bleiben häufig auch arm, egal ob man migriert oder nicht.“ Insgesamt war es ein konzentriertes und offenes Gespräch. Der Bundespräsident war ehrlich interessiert und hat uns sogar gebeten, ihm die Ergebnisse unserer Arbeit zukommen zu lassen.

 

Wie haben die Studierenden das Treffen erlebt?

Sehr gut! Tamara Kräwer brachte es für alle auf den Punkt: „Die Chance, mit Herrn Steinmeier zu sprechen, verhilft dem Projekt vielleicht dazu, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.“ Sie hat das Gespräch mit dem Bundespräsidenten genutzt, die Herausforderungen für ihre spätere Berufspraxis zu skizzieren, wenn sie und ihre Kommilitonen als Fachkräfte der Sozialen Arbeit mit den Problemen von Armut und Diskriminierung konfrontiert werden. So kritisierte sie etwa den zu geringen Handlungsspielraum, sodass EU-Zuwanderer, darunter auch Roma, durch alle sozialen Netze fallen. Sie wünschte sich bessere politische Rahmenbedingungen für die Soziale Arbeit und die Betroffenen.

 

Warum haben Sie dieses Projekt überhaupt initiiert?

Ich arbeite schon seit Jahren zur innereuropäischen armutsgeprägten Migration und hier vor allem zum Stadtteil Plovdiv-Stolipinovo. Von dort aus migrieren zahlreiche Menschen, teils temporär, teils dauerhaft, etwa in die Dortmunder Nordstadt oder nach Duisburg-Marxloh. In Deutschland wird dies medial dann als sogenannte Armutsmigration diskutiert. In den Ankunftsgebieten allerdings sehen wir, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter häufig kaum wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen, da für EU-Ausländer der Weg zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungen kompliziert und mitunter versperrt ist. Um jedoch adäquat mit den Menschen arbeiten zu können, ist es sinnvoll, zu verstehen, wo sie herkommen und unter welchen Umständen sie gelebt haben, wie ihre Perspektive auf die Welt ist und welche Erfahrungen sie haben. Das lernen die Studierenden in diesem Projekt; sie können dann besser vorbereitet in ihr Berufsleben starten. Um die Verknüpfung in die spätere Praxis zu garantieren, ist übrigens Mirza Demirović als weiterer Dozent dabei: Er ist Lehrbeauftragter an unserem Fachbereich und als Sozialarbeiter beim Jugendamt der Stadt Dortmund für die Nordstadt zuständig.

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