Interview zur Lebensmittelsicherheit: "Containern" ist problematisch

Die gesundheitlichen Gefahren, die von verunreinigten und verdorbenen Lebensmitteln ausgehen, sind nicht zu unterschätzen. Um darauf aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen (UN) den 7. Juni zum Welttag der Lebensmittelsicherheit ausgerufen. 2019 wird er erstmals begangen. 

Dazu haben wir mit dem Mikrobiologen Dr. Heribert Keweloh vom Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management der FH Münster ein Gespräch geführt.

 

Herr Dr. Keweloh, wie viele Erkrankungen werden durch "unsichere" Lebensmittel verursacht?

Jedes Jahr werden laut Robert-Koch-Institut in Deutschland circa 200.000 Erkrankungen durch Erreger, die über Lebensmittel übertragen werden, gemeldet. Man geht davon aus, dass es zehnmal so viele Erkrankungen gibt. Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen ja bestimmte Infektionen und bestimmte Erreger gemeldet werden. Da sind alle wichtigen Lebensmittelpathogene dabei.

In Europa sind es jährlich 23 Millionen, die durch krankheitserregende Bakterien, Viren oder andere Mikroorganismen eine Infektion erleiden und von denen einige Tausende an den Folgen sterben. Das ist laut WHO nur die Spitze des Eisbergs, weil die Zahl in der Regel nur die besonders drastischen Erkrankungen erfasst, die auch gemeldet wurden. Betroffene gehen nicht immer zum Arzt. Zumeist handelt es sich dabei um Durchfallerkrankungen. Wenn Erreger wie Salmonellen und Listerien die Verursacher sind, können auch andere Organe betroffen sein.

 

Nun haben wir in Deutschland hohe Hygienestandards und umfassende Lebensmittelvorschriften. Woher kommen diese relativ hohen Zahlen?

Da sollte man sicherlich trennen zwischen dem gewerblichen und dem privaten Bereich. Die Außer-Haus-Gastronomie wird durch Hygienegesetze erfasst und behördlich kontrolliert. Überall, wo Menschen arbeiten, passieren aber eben auch Fehler.

Jedoch muss man bei den privaten Haushalten davon ausgehen, dass viele Menschen nicht gut genug über die wichtigsten Hygieneregeln informiert sind oder die Problematik unsicherer Lebensmittel nicht ernst genug nehmen. Diese Menschen halten die gesundheitlichen Auswirkungen nicht für schwerwiegend, bedenken aber nicht, dass nach jeder Infektion auch Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Autoimmunerkrankungen auftreten können.

 

Was sind die häufigsten Erreger und wie kann man sich vor ihnen schützen?

Die wichtigsten Erreger bei Lebensmitteln sind heutzutage Noroviren, Salmonellen und vor allem Campylobacter. Die sehr häufigen Noroviren können allerdings auch über andere Wege, etwa über Körperkontakt, übertragen werden. Campylobacter wird sehr oft über Geflügelprodukte verbreitet. Etwa 50 Prozent der frischen und auch Tiefkühl-Geflügelprodukte sind mit Campylobacter belastet. Sie können auf den Menschen übergehen, wenn das Geflügelfleisch nicht stark genug erhitzt wird.

Noch viel häufiger aber gelangen die pathogenen Erreger bei der Zubereitung von Geflügel entweder über die Hände oder über Gegenstände wie Messer oder Schneidebretter auf andere Lebensmittel, die nicht erhitzt werden. Hier ist Kreuzkontamination das Stichwort. Bei Campylobacter haben wir das Problem, dass schon eine geringe Dosis an Keimen eine Infektion auslösen kann.

Um die wichtigsten Regeln zu nennen: Wenn man rohes Fleisch angefasst hat, sollte man sich die Hände gründlich waschen, bevor man zum nächsten Arbeitsschritt übergeht. Werkzeuge wie Messer oder Schneidebretter beziehungsweise der Arbeitsplatz sollten dabei sehr gründlich gereinigt werden, bevor sie mit anderen, insbesondere roh verzehrten Lebensmitteln, in Kontakt kommen.

Für alle Lebensmittel ist natürlich die richtige Lagerung wichtig. Im Kühlschrank können sich viele pathogene Keime wie die Salmonellen zumindest nicht weitervermehren, sie sterben dort allerdings auch nicht ab.

 

Aktuell ist "Containern", das Sammeln von Lebensmitteln aus Abfalltonnen vor Supermärkten, in der Debatte. Lassen wir die rechtliche Frage beiseite und schauen auf die Lebensmittelsicherheit.

Weggeworfene Lebensmittel sind auch unter dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit problematisch. Produkte, die nicht ordnungsgemäß gelagert wurden, sind einem schnellen Verderb ausgeliefert. Verderb bedeutet, dass sich Mikroorganismen stark vermehren und dabei die pflanzlichen oder tierischen Produkte verändern. Darunter können natürlich pathogene Keime sein und die typischen Verderbbakterien können auch gesundheitsschädliche Produkte bilden.

Das Problem ist dabei, dass man den Produkten die hohe Vermehrung von pathogenen Keimen zu Beginn der Verderbprozesse nicht ansehen kann. Auch Lebensmittel, die keine Verderbserscheinungen aufweisen, können durchaus stark mit krankmachenden Erregern belastet sein.

Abfallcontainer sind eine Brutstätte für Keime. Dort kommen keimarme und keimreiche Produkte miteinander in Kontakt. Und Mülltonnen sind, bis auf einige Ausnahmen in gewerblichen Betrieben, nicht gekühlt. Im Sommer wachsen die Keime besonders schnell. Das Mikrobenwachstum wird zudem durch die hohe Feuchtigkeit im geschlossenen Behälter begünstigt.

Am besten wäre es natürlich, Lebensmittelabfälle gar nicht erst entstehen zu lassenaber leider lassen sich Abfälle nicht immer vollständig vermeiden.

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