Hochwasser nach Starkregen: Experte erklärt, wie man sich schützen kann
In den vergangenen Tagen haben starke Regenfälle vor allem in Süddeutschland zu Überschwemmungen geführt. Auch in NRW heißt es heute vielerorts: Land unter! Wir erklären, wie es zu solchen Überschwemmungen kommt und wie man sich davor schützen kann.

Prof. Dr. Grüning von unserem Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt ist Experte für Entwässerungstechnik. (Foto: FH Münster)
Dafür haben wir mit Prof. Dr. Helmut Grüning von unserem Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt gesprochen. Er ist Experte für Entwässerungstechnik
Herr Prof. Dr. Grüning, die Bilder der vergangenen Tage zeigen ganze Straßen, die vom Regen überschwemmt wurden. Warum läuft das Wasser nicht einfach über die Kanalisation ab?
Neben den Niederschlagsabflüssen von Dach- und Verkehrsflächen kommen hier häufig noch Überflutungen durch hochwasserführende Gewässer hinzu. Für Abflüsse dieser Größenordnungen sind die Kanalisationssysteme in Deutschland nicht ausgelegt. Die Bemessung einer Kanalisation erfolgt auf der Basis statistischer Starkregenauswertungen für die jeweilige Region. Das Risiko einer temporären Überlastung bei statistisch gesehen „seltenen“ Ereignissen wird dabei in Kauf genommen. Das Wasser fließt bei den aktuellen Starkregen dann über die Straße ab und sammelt sich an Tiefpunkten. Das kann der Keller oder die Tiefgarage sein.
Würde es sich dann nicht lohnen, die Systeme an solche Starkregenereignisse anzupassen?
Das wäre technisch schwierig und wirtschaftlich nicht unbedingt logisch. Ein über Jahrzehnte gewachsenes System so auszubauen, dass Wassermassen wie jetzt in Süddeutschland komplett abgeleitet werden, ist unmöglich. Man könnte höchstens dafür sorgen, dass die Situation entschärft wird. Es wäre auch schwierig zu entscheiden, wo man solche Anpassungen vornehmen sollte und wo nicht. Der nächste Starkregen kann überall auftreten. Sie sehen ja oft im Fernsehen Anwohner im Interview, die sagen: „Ich lebe hier seit 50 Jahren, so etwas habe ich noch nie erlebt!“ Und da liegt das Problem: Das ist Natur. Solch ein Ereignis kann einmal alle 100 Jahre auftreten – vielleicht regnet es in einem Monat dort aber auch schon wieder so stark. Eine schnelle und vor allem günstige Lösung gibt es nicht. Man sollte aber trotzdem langfristig in den Hochwasserschutz investieren.
Wie kann so ein Schutz aussehen?
Da sind zum einen die Kommunen gefragt. Sie können dafür sorgen, dass zusätzliche Rückhalteräume geschaffen werden, in die bei Starkregen die Wassermassen gespeichert werden. Gefragt sind in diesem Fall auch die Stadt- und Verkehrsplaner. Es sollten zunehmend Freiflächen im urbanen Raum so konzipiert werden, dass eine vorübergehende Aufnahme von Niederschlagsabflüssen möglich ist. Werden diese Flächen ansprechend begrünt, ist das auch noch gut fürs Stadtklima.
Schützen sollte man sich aber auch privat. Das geht zum Beispiel über eine Elementarschadenversicherung. Die normale Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung deckt Schäden, die durch Überschwemmung entstanden sind, nicht ab. Wer allerdings in einem Risikogebiet lebt – etwa in der Nähe eines hochwassergefährdeten Gewässers –, der wird es möglicherweise schwer haben, eine solche Versicherung abzuschließen. Ob man in einem Risikogebiet lebt, darüber kann übrigens das Tiefbauamt Auskunft geben. Im Internet finden sich oft auch Hochwasserkarten für bestimmte Gebiete. Eine Beratung zu dem Thema ist sicher auch vor dem Kauf eines Hauses oder Grundstücks nicht falsch.
Man kann ein Haus natürlich auch technisch schützen, indem man Lichtschächte oder Kellerfenster mit Klappen abdichtet, kleine Gartenmauern um bestimmte Bereiche zieht oder Sandsäcke bereitlegt, sofern die Gefahr akut ist. Außerdem verhindern Rückstausicherungen in den Hausanschlussleitungen, dass Wasser aus dem überlasteten Kanal in das Gebäude drückt. Ganz wichtig ist: Wenn der Keller bereits überschwemmt ist, sollte man ihn auf keinen Fall betreten. Es besteht immer die Gefahr, dass man einen Stromschlag bekommt – so etwas kann tödlich enden. Befindet man sich bereits im Keller, wenn das Wasser kommt, sofort raus! Das Wasser kann innerhalb kürzester Zeit die Türen zudrücken – die bekommt man dann nicht mehr auf. Also lieber in Sicherheit bringen und auf die Feuerwehr warten.