Weltwassertag und Klimawandel: „Wir müssen JETZT die Ursachen abdrehen“

Wie eng Wasser, Natur und der Klimawandel miteinander verbunden sind, daran soll der Weltwassertag 2020 erinnern. Ein Beispiel sind schmelzende Gletscher. Was sie für Auswirkungen haben und welche Folgen der Klimawandel weltweit für unser Wasser haben wird, erklärt Prof. Dr. Mathias Uhl von unserem Institut für Infrastruktur · Wasser · Ressourcen · Umwelt.

Herr Prof. Uhl, in den Medien wird häufig berichtet, dass die Gletscher der höchsten Gebirge der Welt wegen des Klimawandels schmelzen. Was hat das für Auswirkungen?
Das hat sehr viele Auswirkungen, die ineinander greifen. Ich war in den letzten zehn Jahren mehrfach in Südostasien und habe die ersten gesehen. Der Mekong zum Beispiel ist einer der größten Flüsse der Welt und prägt das Geschehen in den Gegenden, die er durchfließt. Er speist sich aus den Gletschern des Himalaya. Schmelzen die durch den Klimawandel deutlich ab, fällt auf Dauer eine wesentliche Wasserquelle für die Menschen weg. In Laos wird die zyklische Landwirtschaft längs des Mekong durcheinandergebracht. Vietnam wird im Mekongdelta Probleme mit eindringendem Salzwasser haben. Damit ist die gesamte Land- und Fischwirtschaft in diesem riesigen Gebiet betroffen. China baut im Oberlauf des Mekong mehrere riesige Staudämme, um selbst genug Wasserreserven zu haben, und kappt es anderen Ländern somit ab. Zusammengefasst: Die Verhältnisse werden knapper, prekärer, komplizierter. Und die Länder können kaum darauf reagieren, weil viele am Existenzminimum leben. Das wird bittere Folgen haben.

Lässt sich da gar nichts gegen tun?
Das einzige, was wir und die Menschen dort tun können: Anpassungsmaßnahmen entwickeln, um die Folgen zu mindern. Es ist ein geophysikalischer Prozess, der sich nicht mal eben stoppen lässt. Wir werden uns alle mit gewissen Effekten arrangieren müssen. Und wir müssen JETZT die Ursachen für den von uns Menschen angestoßenen Klimawandel abdrehen. Die CO2-Emissionen müssen drastisch verringert werden. Die Hauptemissionen stammen aus dem Autoverkehr, der Gebäudeheizung, der Stromproduktion und bestimmten Industrieanlagen. Die Wirtschaft hat schon viel erreicht, nun sind wir Bürger dran. Zum Beispiel das Auto häufiger stehen lassen oder komplett auf Carsharing umsteigen. Mit alternativen Energieträgern heizen und besser dämmen. Unseren Fleischkonsum drastisch reduzieren und unsere Ernährung saisonal und regional gestalten. Aber das ist ja eigentlich nichts Neues.

Welchen Effekt auf das Wasser kann der Klimawandel hier in Deutschland haben?
Deutschland ist ein wasserreiches Land – wir nutzen nur 25 bis 30 Prozent unserer Süßwasserreserven. Aber auch bei uns schmelzen die Gletscher der Alpen. Damit werden gerade in Hitzeperioden die Wasserstände in wichtigen Flüssen wie dem Rhein oder der Donau geringer, was im Sommer die Schifffahrt einschränkt. Bei Niedrigwasser können unsere Kraftwerke nicht genug Kühlwasser einleiten und müssen die Stromproduktion reduzieren. Und natürlich sind dann auch unsere Gewässer weniger leistungsstark, und das hat ökologisch gefährliche Auswirkungen auf das biologische Leben dort. Mecklenburg-Vorpommern wird über kurz oder lang versteppen, also trockener und kahler – das liegt am Klimawandel und den dort vorhandenen Böden. Es wird häufiger Starkregen-Ereignisse geben, vor allem in Großstädten wie in Münster vor vier Jahren, weil die Atmosphäre insgesamt in Unruhe ist. Aber wir wissen relativ gut Bescheid, was auf uns zukommen wird, und wir sind gut aufgestellt.

Zum Verständnis: Wenn die Gletscher schmelzen, müsste es doch aber eigentlich mehr Wasser in den Flüssen geben und nicht weniger?
Nicht ganz. Das geschmolzene Gletscherwasser ist Süßwasser und fließt mit den Flüssen weiter ins Meer, wo es sich mit dem Salzwasser mischt. Damit ist es für uns und unseren Nutzen verloren. Mehr Wasser gibt es also nicht in den Flüssen, sondern in den Ozeanen. Und es schmelzen ja nicht nur Gletscher, sondern auch die Polkappen und große Teile Grönlands. Das erhöht die Wassermassen in unseren Weltmeeren merklich. Hinzu kommt noch, dass auch das Meerwasser wärmer wird – und wenn Wasser warm wird, dehnt es sich aus. Das ist also insgesamt eine erhebliche Erhöhung, und sie ist als Problem in flachen Ländern wie der Niederlande oder Küstenstädten wie Hamburg, Bremen oder Rotterdam längst angekommen. 

Wie reagieren wir und die betroffenen Länder auf diese Folgen?
An der Nordsee werden jetzt schon die Deiche um einen Meter erhöht – eine sehr aufwändige und teure Vorsorgemaßnahme gegen die künftig höheren Sturmfluten. Die Niederlande überlegt sogar, bestimmte schon jetzt unter dem Meeresspiegel liegende Landesteile komplett aufzugeben, weil es technisch und wirtschaftlich nicht machbar ist, sie langfristig vor dem steigenden Wasser zu schützen. In anderen Ländern hat man diese Möglichkeiten nicht – im sehr flachen und dicht besiedelten Bangladesch werden einfach Großteile des Landes untergehen. Wo sollen die Menschen hin, wie sollen sie sich ernähren? Der Klimawandel hat Konsequenzen für uns alle, seine Folgen sind global verkoppelt. Deshalb appellierte ich an meine Studierenden immer: Wer jetzt nicht handelt, braucht auch nicht mehr zu handeln!

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