Weniger Flugzeuge, bessere Luft: Findet durch die Krise ein Umdenken statt?

Die Luftverschmutzung in China geht zurück, weil Fabriken schließen mussten und weniger Menschen Auto fuhren. Weltweit sind weniger Flugzeuge unterwegs, und der CO2-Ausstoß sinkt. Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter von unserem Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt erläutert, warum aber ein Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und unserer Umwelt schwierig herzustellen ist.

Frau Prof. Franzen-Reuter, plakativ formuliert könnte man sagen, dass die Umwelt von der Coronakrise profitiert, oder?

Im Prinzip schon, wobei ich mit solchen Aussagen sehr vorsichtig wäre. Denn man darf nicht vergessen, dass die Coronakrise für sehr viele Menschen furchtbar ist – zuallererst natürlich für jene, die sich infizieren. Aber natürlich auch für alle, die jetzt nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können und um ihre Existenz fürchten müssen. Und auch die vielen Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sowie alle Schlüsselpersonen dürften bei der Coronakrise nicht als erstes an die Umwelt denken. Allerdings beobachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewisse Effekte.

Welche sind das?

Die Europäische Umweltagentur hat aktuell Einschätzungen zu den Luftqualitätsdaten veröffentlicht. Demzufolge ist die Belastung mit Stickoxiden in den südeuropäischen Großstädten während der Coronakrise zurückgegangen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Menschen fahren viel weniger Auto, die Industrieanlagen produzieren in sehr geringem Umfang oder gar nicht. In China beobachtet man ähnliche Effekte.

Wie sieht es mit der Luftqualität in Deutschland aus?

In Deutschland hält sich das Umweltbundesamt noch zurück mit solchen Aussagen. Das ist aus meiner Sicht auch richtig. Denn seit der Kontaktsperre sind erst rund zwei Wochen vergangen. Für einen solch kurzen Zeitraum sind die Daten noch nicht aussagekräftig genug. Außerdem haben wir in Europa ohnehin viel bessere Umweltverhältnisse als in China, weshalb ein Vergleich schwierig ist. Dort ist die Luftbelastung generell viel höher. Hinzukommt, dass auch andere Faktoren eine Rolle bei der Luftqualität spielen, zum Beispiel das Wetter.

Was hat das Wetter damit zu tun?

Es beeinflusst die Durchmischung der Luft. Ist es zum Beispiel mehrere Tage windstill, konzentrieren sich die Luftschadstoffe, wie zum Beispiel Feinstaub, an einem Ort. Nimmt die Windgeschwindigkeit zu und ändert sich die Richtung, wird die Luft durchmischt und besser aus den Städten herausgetragen. Das trägt dazu bei, dass die Luftqualität steigt. Außerdem muss man bedenken, dass wir einen recht milden Winter hatten, es wurde weniger geheizt und dadurch weniger CO2 produziert. Auch hier gibt es also einen positiven Effekt auf die Umwelt, der aber mit dem Virus überhaupt nichts zu tun hat. Es ist nicht alles wegen Corona!

Also sind pauschale Aussagen über den Zusammenhang zwischen Corona und Umwelt schwierig?

Jetzt auf jeden Fall, dafür gibt es aktuell nicht genug Daten. Ich bin mir aber sicher, dass einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerade dabei sind, diese zu sammeln, um sie später auszuwerten und zu analysieren. Was hat sich wirklich verbessert? Wie sind die Folgen für die Umwelt, wenn der Verkehr für einen bestimmten Zeitraum reduziert wird? Ich vermute, dass es nach der Coronakrise einige Studien dazu geben wird.   

Wie die Umwelt nach der Coronakrise dasteht, dürfte vermutlich auch eher ein Blick in die Glaskugel sein.

Absolut. Ich befürchte: Wenn die Welt wieder in die Normalität übergeht, also wieder Flugzeuge fliegen, Kreuzfahrtschiffe fahren, die Wirtschaft wieder hochfährt, dann gibt es auch wieder deutlich mehr Emissionen. Ich vermute sogar, dass diese höher sind, weil die Menschen vieles nachholen – was auch absolut verständlich ist. Ich würde mir aber wünschen, dass ein Umdenken stattfindet. Was im Umweltschutz alles möglich ist, wenn wir entschleunigen und achtsamer mit Natur und Umwelt umgehen, das sehen wir jetzt gerade. Jeder hat es selbst in der Hand, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Vielleicht bleiben wir Menschen da dran – auch ohne Coronavirus.

Der Umweltschutz zieht sich wie ein roter Faden durch den Lebenslauf von Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter: Ihr Biologiestudium schloss sie mit einer Diplomarbeit über die Luftqualität des westlichen Ruhrgebiets ab, und in ihrer Promotion untersuchte sie die Wirkung von Luftschadstoffen auf die Vegetation. Bevor sie dem Ruf an unsere Hochschule folgte, war sie Leiterin des Fachbereichs Umweltqualität im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). An der FH Münster lehrt sie Immissionsschutz und Chemie, in ihrer Forschung widmet sie sich der Olfaktometrie – der Geruchsmessung.

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