Nicht im Elfenbeinturm sitzen: Wissenschaft für die und mit der Gesellschaft
Noch bis zum 11. März läuft die Projektwoche „Das Gute unternehmen“, bei der Studierende und Mitarbeiter*innen der FH Münster Problemstellungen gemeinnütziger Organisationen lösen. Warum es wichtig ist, als Hochschule stärker für die Gesellschaft wirksam zu sein, erläutert Nachwuchsprofessorin Dr. Kerstin Kurzhals vom Science-to-Business Marketing Research Centre (S2BMRC).

Nachwuchsprofessorin Dr. Kerstin Kurzhals leitet am Science-to-Business Marketing Research Centre (S2BMRC) der FH Münster die Vertiefungsrichtung Science-to-Society. (Foto: FH Münster/Susanne Lüdeling)
Dr. Kurzhals, der Transfer von Wissen in die Wirtschaft ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt im S2BMRC. Worum geht es jetzt?
Richtig, seit mehr als 19 Jahren widmen wir uns im Institut der Forschung zu Science Marketing und arbeiten dabei eng mit Unternehmen in der Region zusammen. Jetzt geht es darum, innovative Vorhaben, die die Gesellschaft einbinden und ihr zugutekommen, noch stärker in der Praxis und Lehre zu verankern – ganz im Sinne der hochschulstrategischen Ausrichtung. Ziel ist es, die sogenannte „Third Mission“ der FH Münster, Wissen und Innovationen für die Gesellschaft verfügbar zu machen, weiter voranzutreiben – also Wissenschaft für die und mit der Gesellschaft zu gestalten. Wir nennen das „science with and for society“.
Worauf kommt es dabei an?
Wichtig ist, dass wir die Gesellschaft möglichst früh einbeziehen. Wissenschaft darf eben nicht im Elfenbeinturm sitzen und am Menschen vorbei agieren. Deshalb rücken wir die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen stärker in den Fokus und bringen alle Beteiligten an einen Tisch. Wir hören zu, tauschen uns aus, arbeiten zusammen. Und wir erforschen dazu Methoden, Instrumente und Ansätze, wie das funktionieren kann.
Welche Herausforderungen gibt es?
Eine unserer Aufgaben ist es, die sogenannten Transferhemmnisse zu überwinden. Dazu müssen wir verstehen, welche Barrieren überhaupt existieren, die den Transfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft erschweren. Das haben wir analysiert und insgesamt zwölf Transferbarrieren identifiziert. Ein zentraler Aspekt ist das Sprechen einer gemeinsamen Sprache und eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen gesellschaftlicher Zielgruppen. Die Forschenden müssen ihr Wissen für Laien herunterbrechen, damit diese erkennen können, wie wertvoll ein konkretes Vorhaben für ihre Region sein kann. Denn im besten Fall entstehen tatsächlich viele innovative Projekte – wie zum Beispiel derzeit bei münster.land.leben. In insgesamt 13 Teilprojekten widmen sich die Teams der Frage, wie sich zukünftig Gesundheitsversorgung, Teilhabe und Wohlbefinden gewährleisten lassen. Gefördert wird münster.land.leben übrigens von der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“.
Wie schaffen Sie es, überhaupt den Kontakt zu den diversen Zielgruppen herzustellen?
Das ist in der Tat nicht immer ganz einfach. Ein Weg führt über Bürgerinitiativen und Vereine, mit denen wir in Kontakt stehen. Für uns sind das wichtige Multiplikatoren. Es gelingt aber auch ganz gut über unsere Science-to-Society-Semesterprojekte, die wir seit zwei Semestern zusammen mit Studierenden des Fachbereichs Wirtschaft der FH Münster, der Münster School of Business (MSB), durchführen. Unser Ziel ist es, das klassische BWLer-Wissen eins zu eins auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu übertragen und in die praktische Anwendung zu bringen. 2020 haben wir zum Beispiel mit dem Alexianer Clemenshospital zusammengearbeitet und ein Konzept für das Pelikanhaus entwickelt – ein Zuhause auf Zeit am Krankenhaus für Eltern, deren Kinder schwer erkrankt sind. Im letzten Semester lief ein Projekt mit der Kinderneurologie-Hilfe Münster e.V. (KNH). Wir merken, dass die Bereitschaft unserer Studierenden, an innovativen Vorhaben mitzuarbeiten, groß ist. Das bestärkt uns in unserem Selbstverständnis, als Hochschule Innovationsmotor in der Region zu sein.
Um gesellschaftlich relevante Fragestellungen geht es auch bei „Das Gute unternehmen“. Wie könnte es zukünftig weitergehen?
Ein Traum wäre natürlich, noch intensiver mit Studierenden unterschiedlicher Disziplinen an gesellschaftlichen Projekten zu arbeiten und damit das Thema „Social Innovation“ und „Social Entrepreneurship“ noch stärker in den Fokus zu rücken. Ich stelle es mir sehr spannend vor, wenn sich zum Beispiel BWLer und Ingenieur*innen einem solchen Vorhaben widmen. Ob es gelingt, diesen Ansatz tatsächlich hochschulweit auszurollen, bleibt abzuwarten. Klar ist aber, dass Studierende tolle Ideen haben, wenn man ihnen die kreativen Freiräume gibt. Auch das ist gesellschaftliche Innovation.