Interdisziplinäres Forschungsteam verbindet Quantentechnologie und klassische Elektronik

Forschung im Nanobereich: Ein neues Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Peter Glösekötter und Prof. Dr. Markus Gregor verbindet Quantentechnologie und klassische Elektronik.

Mit bloßem Auge sind die Strukturen, die Doktorandin Lara Lindloge auf ein münzgroßes Glasplättchen gedruckt hat, kaum zu erkennen. Erst unter einem Mikroskop werden ihre Hauptakteure sichtbar: Nanodiamanten mit einem sogenannten Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum, kurz NV-Zentrum („nitrogen-vacancy center“). Die winzigen Kristalle stehen im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojektes „Optische Wellenleiter- und CMOS-Schnittstelle für Quantensensoren mit NV-Zentren“ (OCQNV) an der FH Münster. Unter Leitung von Prof. Dr. Peter Glösekötter vom Fachbereich Elektrotechnik und Informatik und Prof. Dr. Markus Gregor vom Fachbereich Physikingenieurwesen untersucht ein sechsköpfiges Team, wie sich quantenbasierte Stromsensoren auf Basis dieser besonderen Diamanten an die klassische Elektronik anbinden lassen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Forschungsarbeit auf dem Steinfurter Campus mit rund 1,5 Millionen Euro.

„Als würde man ein rotes Blutkörperchen bedrucken“ – so beschreibt Jens Pogorzelski, ebenfalls Doktorand im Projekt, das Größenverhältnis der Diamantstrukturen. Im Mittelpunkt der aktuellen Vorversuche steht daher ein ganz besonderer 3D-Drucker, ein Mikrofabrikationssystem, der sich seit Kurzem im Labor für Quantentechnologie befindet. Die beteiligten Physikingenieur*innen drucken damit zunächst die einzelnen Komponenten, die zur optischen Ansteuerung von NV-Zentren genutzt werden sollen. Dazu zählen zum Beispiel Linsen, Wellenleiter und sogenannte Beugungsgitter. Die Elektrotechniker fokussieren sich auf die elektrische Ansteuerung der Komponenten und binden zusätzlich eine Mikrowellenantenne ein. „Wir entwickeln Schnittstellen für zwei Anwendungsszenarien: Sensor-on-a-Chip, also die Integration des Sensormoduls auf einem Mikrochip, und Sensor-on-a-tip, bei dem der Diamant über eine optische Faser mit dem Sensormodul verbunden ist“, erläutert Pogorzelski.

Die fertigen Magnetfeldsensormodule funktionieren dann folgendermaßen: Das durch Stickstoffatome veränderte Kohlenstoffgitter des Diamanten fluoresziert rot, wenn es mit grünem Licht bestrahlt wird. Je stärker der elektrische Strom ist, desto stärker ist das erzeugte Magnetfeld und desto geringer ist die rote Fluoreszenz. Der Vorteil der Sensoren: Sie messen hochpräzise und werden nur optisch über Licht angesprochen – elektrische Leitungen sind also nicht notwendig. „Nanodiamanten sind mittlerweile gut erforscht. Die Herausforderung besteht darin, die Anwendungsbereiche klarer zu bespielen. Die Schnittstellen-Technologie, die wir im Projekt entwickeln, füllt diese Lücke“, fasst Gregor zusammen. Denkbar sei zum Beispiel, mit den entwickelten Magnetfeldsensoren am Ende einer Glasfaser biokompatibel Zellen zu untersuchen. Auch die Strommessung in Elektroautos zur Bestimmung ihrer Restreichweite sei ein mögliches Anwendungsszenario. „Herkömmliche Stromsensoren nutzen einen sogenannten Shunt-Widerstand, der sich allerdings stark erhitzt und zu Verlusten, Alterung und Messungenauigkeiten führt. Misst man hingegen die Magnetfeldänderung eines stromdurchflossenen Leiters, kann man ohne Shunt-Widerstand auf den Strom schließen“, erläutert Glösekötter.

Die Verknüpfung von Forschung und Lehre ist Glösekötter und Gregor ein wichtiges Anliegen. So waren die NV-Zentren in Diamanten im vergangenen Wintersemester Thema in der Lehrveranstaltung „Embedded Systems“ am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik. Die Masterstudierenden sollten ein eingebettetes System, also eine Kombination aus Hardware und Software, rund um diese Technologie entwickeln. Eine Gruppe um Elektrotechnikstudent Julian Teuber baute beispielsweise ein Magnetfeldmessgerät, bei dem eine optische Faser den Diamanten mit der Elektronik verbindet. „Die ersten Messungen haben grundsätzlich funktioniert, wir müssen das Gerät allerdings noch kalibrieren“, berichtet Teuber. „Die Aufgabe war für uns eine echte Herausforderung, aber es hat Spaß gemacht, an einem aktuellen Forschungsprojekt mitzuarbeiten.“ Seine Begeisterung für das Thema hält weiter an – seit Kurzem ist der Student über das parallel laufende Vorhaben „Raumtemperatur-Quantensensorik für die Elektromobilität“ (RaQuEl) in Glösekötters Labor beschäftigt und plant seine Masterarbeit im Bereich der Quantensensorik.

 

Das OCQNV-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 13N15971 gefördert.
Das RaQuEl-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 13N15498 gefördert.

 

Zum Thema:
Seit vielen Jahrzehnten sichern deutsche Unternehmen als Innovationstreiber den Wohlstand der Exportnation und setzen international Impulse für eine nachhaltigere Wertschöpfung. Bei einigen zentralen Zukunftstechnologien spielt Deutschland im globalen Wettbewerb allerdings inzwischen eine Nebenrolle. Es bedarf einer gesellschaftlichen Anstrengung, dies wieder zu ändern. Die FH Münster hat diese Herausforderung daher in ihrem aktuellen Hochschulentwicklungsplan adressiert. Als Hochschule für angewandte Wissenschaften will sie unter anderem mit ihren profilierten technischen Fachbereichen und Forschungsinstituten auch in den kommenden Jahren Beiträge leisten, die Attraktivität des Technologie- und Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken. Neben dem Jahresmotto Nachhaltigkeit stellt die FH Münster vom 14. bis einschließlich 25. März vielfältige Aktivitäten und Projekte im Themenfeld Zukunftstechnologien vor.

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