Wenn die Lieferkette stoppt: Digitale Transformation kann helfen

Manche Produkte waren mit Beginn der Corona-Pandemie schwer zu kriegen. Und auch jetzt kann Bestimmtes nicht geliefert werden. Woran genau das liegt, erläutertet Prof. Dr. Wolfgang Buchholz, Experte für Lieferketten – Supply Chain –, im Interview.

Herr Prof. Buchholz, Mehl, Hefe, Klopapier und Nudeln waren zu Beginn der Corona-Pandemie vorrübergehend Mangelware, weil die globalen Lieferketten unterbrochen wurden. Warum waren die Auswirkungen vergleichsweise gravierend?

Grund dafür sind die sogenannten disruptiven Veränderungen. Dabei handelt es sich um Einflüsse, die zwar selten vorkommen, aber schwer bis gar nicht vorhersehbar sind, eine langfristige Wirkung und einen sehr starken Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Lieferketten sind in der Regel globale, intensiv verzahnte Wertschöpfungsnetzwerke. Wenn es da zu einer Disruption kommt, sind die Auswirkungen natürlich gravierender, als wenn der betroffene Bereich gut einzugrenzen ist. Bislang waren Unternehmen häufig nicht ausreichend auf solche Extremszenarien der Disruption vorbereitet und hatten deshalb auch keine adäquaten Lösungen. Mittlerweile sind aber die Themen Lieferketten-Resilienz beziehungsweise -kontinuität oder auch das Risiko-Management ganz oben auf der Prioritäten-Skala angekommen.

Was genau passiert, wenn Lieferketten unterbrochen werden?

Zum einen gibt es den Fall, dass Produkte einfach nicht verfügbar sind. Das liegt daran, dass die zur Produktion notwendigen Bauteile fehlen. Das Paradebeispiel war der Mangel an Elektroteilen in der Automobilbranche. Das hat dann Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette, mögen die Bauteile auch noch so klein sein. Zum anderen kann man sich das so ähnlich wie ein Stau auf der Autobahn vorstellen; bis der sich wieder auflöst, dauert es auch eine ganze Weile. Besonders betroffen war hier der weltweite Seeverkehr. Beispielsweise konnten im April 2022 circa 260.000 Container im Hafen von Shanghai nicht für den Export verladen werden. Die Laufzeit eines Containers von China nach Europa ist von durchschnittlich 80 auf 110 Tage gestiegen. Durch diese Effekte kommt es zu Unruhen und Verschiebungen im gesamten logistischen Prozess, die lange nachwirken.

Sie erforschen resiliente Lieferketten. Was verbirgt sich dahinter?

Resilienz ist die Fähigkeit, ein System wieder in seinen Urzustand zu versetzen oder in einen neuen, wünschenswerteren Zustand zu bringen, nachdem es zerstört oder beeinträchtigt wurde. Auch Lieferketten können resilient sein. Wir analysieren, wie die Lieferketten-Resilienz erreicht werden kann und geben Handlungsempfehlungen.

Welche wären das zum Beispiel?

Beim Lieferantenmanagement könnten Unternehmen beispielsweise die geografische Lage von Lieferanten analysieren, die ähnliches Material liefern, oder die Möglichkeiten einer Inhouse-Produktion prüfen. Optimal wäre es außerdem, Branchencluster aufzuteilen und bei Lieferanten in verschiedenen Regionen zu beschaffen. Dadurch kann ein Unternehmen erreichen, dass die Lieferketten möglichst wenig störanfällig sind.

Wäre eine aktuelle Antwort auf die Unterbrechungen von Lieferketten, Waren wieder mehr vor Ort zu lagern?

So pauschal lässt sich diese Frage sicher nicht beantworten. In der Vor-Corona-Zeit ist die traditionelle Lagerhaltung zugunsten einer auf Kosteneffizienz und Schnelligkeit ausgerichteten produktionssynchronen Lieferung von Vor- und Zwischenprodukten – in der Fachsprache Just-in-time oder Just-in-sequence genannt – zurückgegangen. Aktuell ist ganz klar eine Gegenbewegung zu beobachten, aber man sollte darauf achten, dass das Pendel nicht zu stark in die andere Richtung ausschlägt. Wichtig ist, dass die Unternehmen nicht auf Single Sourcing setzen und dann abhängig von einer Lieferquelle sind, sondern einen Alternativbeschaffungsweg oder gegebenenfalls die Eigenproduktion in der Hinterhand haben. Außerdem ist es vorteilhaft, sich beim Lieferanten in der Position eines Preferred Customer zu befinden – somit bei Lieferengpässen durch den Lieferanten bevorzugt behandelt zu werden. Nichtsdestotrotz ist aber ein höheres Sicherheitsdenken bei der Bevorratung von Materialien zu erkennen und wahrscheinlich auch zielführend. So findet sogar auf Länderebene das Anlegen von strategischen Rohstofflagern statt, um wirtschaftlich wichtige Rohstoffe mit hohem Versorgungsrisiko verfügbar zu halten. Schlussendlich kann auch die digitale Transformation der Lieferkette für deren bessere Planung und Steuerung wertvolle Dienste leisten. Dafür ist jedoch Know-how im Bereich Digitalisierung unerlässlich.

Doch vielerorts herrscht Fachkräftemangel.

Das ist richtig. Wir helfen mit unserem berufsbegleitenden Master-Programm Digital Supply Chain Management (DigiSCM) dabei, die angesprochenen Know-how-Bedarfe zu identifizieren, die entsprechenden Fähigkeiten zu vermitteln und somit Fachkräfte zu schulen, die für eine digitale Transformation der Lieferketten notwendig sind. Diese Kompetenzen finden sich in den Bereichen Digital Management, Supply Chain Management und Digital SCM – all das sind Themen in unserem Studiengang.  

Wer neugierig auf den Studiengang geworden ist oder Fragen an Prof. Buchholz hat, kann am 23. März an einer Online-Infoveranstaltung teilnehmen. Diese findet von 17 bis 18 Uhr statt. Alle weiteren Informationen und den Einwahllink finden Interessierte online.

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