Wie sehen synthetische Realitäten aus? Prof. Dr. Lars Christian Grabbe im Interview
Prof. Dr. Lars Christian Grabbe vom Fachbereich Design leitet internationale Netzwerkforschung zur digitalen Bildästhetik von synthetischen Realitäten.

Prof. Dr. Lars Grabbe forscht zu digitaler Bildästhetik. (Foto: Leyla Avukatoglu)

Prof. Dr. Lars Grabbe forscht zu digitaler Bildästhetik. (Foto: Leyla Avukatoglu)
Herr Grabbe, was verbirgt sich hinter Ihrer Netzwerkforschung zur digitalen Bildästhetik?
In der Design- und Medienforschung ist es noch völlig ungeklärt, wie sich die digitalen Medien Virtual Reality, kurz VR, Augmented Reality, kurz AR, oder Mixed Reality, kurz MR, bildästhetisch valide beschreiben und analysieren lassen. Eine Klassifikation ist aber notwendig, um einerseits die Gestalterinnen und Gestalter adäquat ausbilden zu können, andererseits aber auch, um die ästhetischen Strukturen dieser Medien auf Mikro- und Makroebene für Forschung, Praxis und Entwicklung zu kennzeichnen und weitergehend zu systematisieren. Das Projektziel ist also überaus ambitioniert, da sich die Technologien stetig verändern und damit eine ästhetische Kategorisierung erschweren.
Warum ist es eine Netzwerkforschung?
Ich arbeite seit vier Jahren mit den Kollegen Prof. Dr. Norbert M. Schmitz – Professor für Ästhetik an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse, Professor für Immersionsforschung, der FH Kiel zusammen, um die internationalen Ergebnisse dieser Forschung zu kuratieren, redaktionell zu begleiten und im Rahmen einer englischsprachigen Buchreihe einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bisher haben wir bereits die Bücher „Virtual Images“ und „Augmented Images“ im Büchner-Verlag veröffentlichen können. Die finale Arbeit an der Ausgabe „Mixed Reality Images“ beginnt in den kommenden Wochen. Damit haben wir dann unsere „Trilogy of Synthetic Realities“ in 2023 abgeschlossen.
Wer schreibt an diesen Büchern mit?
Wir haben Nachwuchsforschenden und erfahrenen Kolleg*innen aus den Bereichen Design, Kunst, der technischen Visualisierung und Ästhetik die Möglichkeit gegeben, mit ihren Forschungen beizutragen. Dabei haben wir internationale Kolleg*innen gezielt ansprechen und gewinnen können. Die Forschenden vertreten vielfältigste Disziplinen, die sich mit digitalen Bildmedien befassen und kommen aus Ländern wie Brasilien, Japan, Irland, Deutschland, Ukraine, den Niederlanden, USA, Serbien oder Italien. Besonders interessant ist zudem, dass wir durch die ab diesem Jahr greifende BMBF-Förderung des Projekts KOALA – das steht für konsortiale Open-Access-Lösungen aufbauen – in der Lage sind, den finalen Band „Mixed Reality Images“ zusätzlich als Open-Access-Publikation zu realisieren.
Mit welchen Themen befassen sich die Forschenden konkret?
Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Kontext der theoretischen Beschreibung von VR, AR und MR, thematisieren die Gestaltung und Realisierung der digitalen Bilder oder fokussieren die Anwendungsorientierung mit Blick auf die Rezeption. Wir konnten Akzente versammeln, die sich mit der Datenprozessierung von VR-Bildern befassen, die Wahrnehmung digitaler Bilder untersuchen oder einen Fokus auf die geometrische Gestaltung von VR-Räumen legen. Das Thema des Avatarial Bodies in der Gestaltung wird dabei genauso adressiert, wie dessen Effekte einer psychologisch relevanten Body Ownership Illusion. Weiterhin werden Augmented Reality Graphic Novels untersucht, wie auch Kunstinstallationen als AR-Erlebnis oder Museen und deren Strategien für die digitale Bildkommunikation. Die vielfältige Interaktion mit digitalen Apps wird analysiert, wie auch der Aspekt eines modernen Buch-Designs und dessen Potenzial für eine digitale und analoge Pop-Up-Augmentation. Letztlich werden auch heiß-diskutierte Themen wie das Metaversum adressiert, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Bildgeneration, das Erleben von Architektur im digitalen Raum oder das Lernen mit Mixed Reality-Anwendungen.
Wie geht es mit diesem Forschungsthema für Sie weiter?
Die Erkenntnisse zur digitalen Bildästhetik von VR, AR und MR werden durch die Dokumentation innerhalb der drei Bücher Eingang in die Lehre finden und sollen ebenfalls eine rahmende Unterstützung leisten für die Etablierung des zukünftigen „VR-AR-MR-Labors“ an der MSD. In diesem Labor soll Studierenden der explorative Zugang zu den Bildtechnologien ermöglicht werden, um Gestaltung in der Anwendung individuell zu erproben und anschließend analytisch zu reflektieren und theoretisch zu diskutieren.