Biodiversität über den Tellerrand: Nachhaltigere Menüs für Großküchen
Im Forschungsprojekt „BiTe - Biodiversität über den Tellerrand“ haben die Hochschule Osnabrück, TU Berlin, das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH und unsere Hochschule einen Index für Mensen zum Schutz der Artenvielfalt entwickelt.

Prof. Dr. Melanie Speck von der Hochschule Osnabrück, Leiterin des Forschungsprojekts „BiTe - Biodiversität über den Tellerrand“ und Alumna unserer Hochschule, bei der Vorstellung der Projektergebnisse. (Foto: Hochschule Osnabrück)
Ob in Kitas, Betrieben oder Krankenhäusern: Zehntausende Mahlzeiten werden Tag für Tag in Deutschlands Großküchen zubereitet und verspeist. Trotzdem wurde es bislang vernachlässigt, diese sogenannte Außer-Haus-Verpflegung (AHV) dafür zu nutzen, Einfluss auf die Biodiversität zu nehmen. Genau hier setzt das Forschungsprojekt „BiTe - Biodiversität über den Tellerrand“ unter der Leitung der Hochschule Osnabrück an. Gemeinsam mit der TU Berlin, unserer Hochschule und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH wurde in den letzten drei Jahren daran gearbeitet, diese Hebelwirkung nachhaltig zu nutzen. Bei der Abschlusskonferenz in Berlin stellten die beteiligten Wissenschaftler*innen sowie Kooperationspartner*innen nun ihre Ergebnisse vor und gaben einen Ausblick auf die anstehenden Aufgaben.
Das Forschungsprojekt besteht im Wesentlichen aus zwei Säulen. Eine davon ist eine optimierte Speisenplanung, indem Rezepturen und Speisepläne so angepasst werden, dass sie zum Beispiel die Artenvielfalt stärken. „Süßlupine statt Schnitzel, Rapsöl anstelle von Palm- oder Olivenöl und grundsätzlich Zutaten aus europäischem Anbau nutzen - schon mit diesen drei Änderungen lässt sich eine Mahlzeit biodiverser gestalten“, erklärt Prof. Dr. Melanie Speck, Professorin für Sozioökonomie in Haushalt und Betrieb an der Hochschule Osnabrück, Leiterin des Forschungsprojekts und Alumna unserer Hochschule. Um die Großküchen zu unterstützen, entwickelten die Akteur*innen eine Methodik, mit der einzelne Menüs im Hinblick auf ihre Biodiversität bewertet werden können. Der sogenannte „BiTe-Biodiversitäts-Index“ misst dabei den potenziellen Artenverlust durch den Anbau von Lebensmitteln in verschiedenen Regionen. So können die Betreiber*innen der jeweiligen Großküchen ermitteln, wie sich jedes einzelne Menü auf die Biodiversität auswirkt, wenn sie beispielsweise die Gemüseeinwaage von Gerichten erhöhen und gleichzeitig die Fleischeinwaage deutlich reduzieren. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt: Produktion, Weiterverarbeitung, Transporte und Zubereitungsarten in den Küchen sowie Entsorgung.
Die zweite Säule ist eine zielgerichtete Gästekommunikation, damit diese die Hintergründe der Aktion einordnen können. Hierfür wurden Kommunikationsmaterialien und Umsetzungskonzepte erstellt, die Großküchenbetriebe für ihre eigene Gästeansprache nutzen können. „Eine gute und gezielte Kommunikation ist bei diesem Projekt sehr wichtig, denn das Thema Ernährung ist emotional. Aus diesem Grund ist unser Ansatz, dass wir niemanden belehren wollen, sondern mit interessanten Aktionen und leckerem Essen die Gäste überzeugen“, sagt Prof. Dr. Nina Langen, Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft,TU Berlin. Unter anderem wurde eine Wimpelkette entwickelt: Jede Person, die sich für ein Biodiversitätsgericht entscheidet, erhält ein Fähnchen, das an einer Wimpelkette aufgehängt wird. Dadurch wird das Thema in der Mensa oder der Kantine sichtbar und die Gäste erkennen ihren Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt.
Ein weiteres Beispiel sind Comics, die als Poster in verschiedenen Formaten sichtbar aufgehängt oder auf den Tisch gestellt werden und über beispielsweise über bedrohtes Artensterben aufklären.
Anhand der Auswertung von Abverkaufszahlen und einer Gästebefragung lässt sich auswerten, ob eine Veränderung der Einstellung bei den Gästen stattgefunden hat und inwiefern eine Verhaltensänderung stattgefunden hat, die nicht zufällig ist. „Es sind zwar noch viele Rohdaten in der Auswertung, aber es zeigt sich bereits, dass es eine Herausforderung ist, biodiverse Gerichte zu kochen. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Beschaffung von Zutaten in üblichen Lieferstrukturen nicht immer ganz einfach ist. Wenn die Küchen aber die anfänglichen Hindernisse überwunden haben, die Speisen an der beliebtesten Ausgabe-Position positionieren und die Aktionen durchführen, dann verkaufen sich die Gerichte sehr gut, was dann ökonomisch wichtig ist, um die Anstrengungen weiterzuführen“, erläutert Silke Friedrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Nachhaltige Ernährung (iSuN) unserer Hochschule.
Insgesamt waren elf Cateringunternehmen mit 21 Standorten in ganz Deutschland an diesem Forschungsprojekt beteiligt. Während der Aktionswochen wurden in diesen Küchen zusammengenommen rund 20.000 Essen optimiert. Bei einem CO2-Fußbadruck von circa 1,25 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Essen und einem durchschnittlichen Einsparpotenzial von 20 Prozent, konnten so während der Aktionswochen rund 5.000 Kilogramm CO2-Äquivalent eingespart werden.
Das Projekt wird mit 597.336 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Auf der Projekthomepage bite-projekt.com sind alle Kommunikationsmaterialien kostenlos verfügbar. Bundesweit können Küchen also eigenständig Aktionen planen, Leitfäden sind zur Verfügung gestellt.