Vorwärts Phosphor! Warum wir Klärschlamm besser nutzen sollten

Tatsächlich kann man einiges von dem, was wir Menschen auf der Toilette ausscheiden, verwerten. Denn das gelangt in der Kläranlage unter anderem in den Klärschlamm – und daraus lässt sich zum Beispiel Phosphor zurückgewinnen.

Warum Phosphor für uns lebensnotwendig ist und wie dies in der neuen Klärschlammverordnung berücksichtigt wird, das erklärt Prof. Dr. Jens Haberkamp vom Fachbereich Bauingenieurwesen an der FH Münster.

 

Herr Prof. Haberkamp, warum ist Phosphor so wichtig für uns?

Phosphor ist im Energiestoffwechsel und als Zellbaustein für alle Lebewesen unentbehrlich und muss über die Nahrung aufgenommen werden. Pflanzen benötigen zum Wachstum neben Kalium vor allem die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor. Während wir Stickstoff aus der Luft gewinnen können und dieser dadurch praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht, ist Phosphor ein endlicher Rohstoff, der in absehbarer Zeit knapp werden wird. Er ist nur im Boden enthalten und kommt hauptsächlich in Nordafrika vor. Schätzungen zufolge werden die abbaubaren Phosphorvorkommen beim derzeitigen jährlichen Verbrauch nur noch für ungefähr 300 Jahre ausreichen. Ersatzstoffe gibt es nicht. Wenn die globalen Phosphorvorräte also eines Tages zur Neige gehen, bekommen wir ein großes Problem. Denn wegen des fehlenden Düngers lässt sich die Ernährung der Erdbevölkerung nicht mehr ausreichend gewährleisten – dabei wächst sie stetig. Mit Blick auf einen nachhaltigeren Umgang mit der Ressource Phosphor haben Bundestag und Bundesrat vor kurzem eine Novelle der deutschen Klärschlammverordnung verabschiedet.

 

Und wie sieht diese Verordnung aus?

Es geht dabei unter anderem darum, Phosphor aus unseren Ausscheidungen zurückzugewinnen – genauer gesagt aus Klärschlamm. Der entsteht, wenn unser Abwasser in der Kläranlage gereinigt wird. Jährlich fallen in Deutschlands kommunalen Kläranlagen knapp zwei Millionen Tonnen Klärschlamm an, den wir bislang zu rund zwei Dritteln verbrennen, ohne den darin enthaltenen Phosphor zu berücksichtigen. Der Rest wird vor allem als Dünger in der Landwirtschaft verwendet, wodurch der Boden immerhin Phosphor zurückbekommt. Problematisch ist dabei allerdings, dass im Klärschlamm neben Schwermetallen auch organische Spurenstoffe enthalten sind, wie zum Beispiel Rückstände von Medikamenten und anderen Chemikalien.  Von deren Verhalten in Böden und Pflanzen wissen wir erst wenig. Hier setzt die neue Klärschlammverordnung an: Sie verbietet einerseits nach Ablauf einer Übergangsphase bis 2032, den Klärschlamm aus Kläranlagen mit mehr als 50.000 angeschlossenen Einwohnern landwirtschaftlich zu verwerten. Andererseits werden die Betreiber dieser Kläranlagen verpflichtet, Phosphor dann gezielt aus ihrem Klärschlamm zurückzugewinnen.

 

Wie funktioniert das? Und warum dauert das noch so lange?

Es gibt bereits eine Handvoll Verfahren, mit denen sich Phosphor entweder direkt aus dem Klärschlamm oder aber aus der Asche verbrannten Klärschlamms zurückgewinnen lässt. Diese sind zwar nachhaltig, aber großtechnisch noch nicht wirtschaftlich umsetzbar, weil der dabei rückgewonnene Phosphor derzeit deutlich teurer ist als abgebauter Phosphor auf dem Weltmarkt. Deshalb erlaubt die Klärschlammverordnung, den Klärschlamm mit den darin enthaltenen Schadstoffen zunächst zu verbrennen und die Asche separat zu lagern. Wenn die weiterentwickelten Verfahren in einigen Jahren dann wirtschaftlich betrieben werden können, kann aus dieser Asche gezielt der Phosphor zurückgewonnen werden. Von den dafür erforderlichen Klärschlammverbrennungsanlagen gibt es aber bislang erst rund 20 in Deutschland, und der Bau weiterer Anlagen erfordert erhebliche Investitionen – und Zeit. Deshalb forscht man auch intensiv an Verfahren, die dem ausgefaulten Schlamm schon vor einer Verbrennung den Phosphor entziehen. Schätzungen gehen davon aus, dass Deutschland seine Phosphorimporte durch die Rückgewinnung aus Klärschlamm langfristig um etwa ein Drittel senken kann. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Schonung unserer globalen Ressourcen – und so würden wir die Verfügbarkeit dieses lebenswichtigen Rohstoffs für zukünftige Generationen zumindest verlängern.

 

Um den nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen geht es auch bei den nächsten Campus-Dialogen am Mittwoch (8. November). Dann hält Prof. Dr. Reinhart Job vom Fachbereich Elektrotechnik und Informatik den Vortrag „Rohstoffe und Nachhaltigkeit – Ist der westliche Lebensstil zukunftsfähig?“ Los geht’s um 19 Uhr im Hörsaal L5 auf unserem Campus in Steinfurt.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Seite drucken