Konstruktionsexperte: Der Thermomix der Zukunft könnte seine eigenen Rezepte verbessern

Sie können quasi alles: Multifunktionsküchengeräte wie der Thermomix, die gerade viele Haushalte in Deutschland erobern. Aber wie lassen sich so viele Funktionen in einer so kleinen Maschine bündeln? Den Konstruktionsvorgang und zukünftige Entwicklungen erklärt Prof. Dr. Klaus Baalmann von unserem Fachbereich Maschinenbau.

Herr Prof. Baalmann, wenn man eine Maschine konstruieren soll, die so viele unterschiedliche Sachen kann – wie fängt man da an?

Die klassische Vorgehensweise bei jeder neuen Maschine startet mit der Frage: Was soll sie genau können? Im besten Fall erhält man eine Anforderungsliste vom Auftraggeber, ansonsten wird sie in Kooperation erstellt. Dazu gehören auch technische Details – wie warm es in der Maschine werden darf oder wie viel Liter Essen man in ihr zubereiten können soll. Aus der Liste entwickelt man dann die Funktionsstruktur. Es ist wichtig, dass man alle gewünschten Funktionen einzeln andenkt und als Skizze in einer Blackbox sammelt. Denn die muss man ja unter einen Hut bringen. Außerdem gibt das Anforderungsprofil auch Aufschluss darüber, was die Maschine nicht können muss.

Bei den Multifunktionsküchengeräten sind das viele Funktionen auf einmal: kochen, kneten, mahlen, zerkleinern, mixen … Wie passen die zusammen?

Dafür arbeitet man mit einem so genannten morphologischen Kasten, das ist eine Matrix-Tabelle, die Lösungsvarianten enthält – und zwar aufgeschlüsselt nach den einzelnen Funktionen. Die Lösung zum Zerkleinern kann zum Beispiel ein rotierendes Messer sein. Die Lösung zum Rühren aber auch! Beide Funktionen lassen sich also mit demselben Teil ausführen. Obendrein kann man damit Nüsse mahlen oder Speisen pürieren, die technische Lösung ist dieselbe. Lediglich die Drehzahl und Drehdauer des Messers variiert. Alle Funktionslösungen werden dann in der Gesamtlösung berücksichtigt, und für die Maschine ein 3D-Modell mit computer-aided Design (CAD) am PC erstellt.

Aber leidet da nicht die Qualität, wenn man so viele Funktionslösungen bündelt?

Das kommt auf den Anspruch des Verbrauchers an. Generell empfiehlt es sich, möglichst viele Funktionen mit einer technischen Lösung abhandeln zu können, das ist wirtschaftlich gedacht – und bei solch einer Produktion mit so hohen Stückenzahlen geht es um jeden Cent. Aber natürlich kann man die Gurke dann nicht in Scheiben, sondern nur in grobe Stücke schneiden. Wer es hochwertiger will, greift auf Küchenmaschinen zurück, bei denen sich die Messer auswechseln lassen.

Das wäre aber wieder mit Aufwand verbunden. Wie innovativ sind solche Küchengeräte dann überhaupt noch?

Technisch gesehen wäre ein Gerät wie zum Beispiel der Thermomix schon vor 20 Jahren realisierbar gewesen. Neu sind aber die Möglichkeiten, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung und durch Industrie 4.0 entstehen. Zum Beispiel die Anleitung in der Maschine, die uns sagt, was wir wann tun müssen: Das ist eine integrierte Intelligenz. Ein kompliziertes Zusammenspiel von Software, Mess- und Regelungstechnik, die auf die Hardware übergreift. In der neusten Stufe sind die Geräte dann per WLAN ans Internet angebunden. Wenn jetzt noch ein Austausch zwischen Maschine und Internet stattfindet, handelt es sich um ein Cyber Physical System, das wird im Maschinenbau aktuell sehr modern.

Was verbirgt sich dahinter?

Es geht um die Erweiterung einer klassischen Maschine um eine Intelligenz und die Anbindung ans Internet inklusive Austausch. Beim Thermomix würden sich beispielsweise gezielt Massenerfahrungen sammeln lassen: Was wird gerade weltweit am häufigsten mit der Maschine gekocht? Oder bei uns in Deutschland? Die Gerichte eignen sich dann als aktuelle Rezepttipps. Oder falls Arbeitsschritte abgeändert und weggelassen werden, könnte die Maschine oder die betreibende Firma das registrieren und Online-Rezepte automatisch anpassen lassen. Es geht also um eine selbstoptimierende Funktion – eine völlig neue Dimension im Maschinenbereich.

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