Wasser-Experte: „Wir leben hier in einem Wasserparadies!“

Wasser ist kostbar – und in Kapstadt momentan mehr als knapp. Die Regierung hat die tägliche Zufuhr auf 50 Liter pro Einwohner gedrosselt, der Day Zero – der Tag, an dem kein Wasser mehr aus dem Hahn kommen wird – ist unausweichlich. Wer jetzt aber denkt, dass auch wir sparsamer damit umgehen müssen, irrt sich. Warum, erklärt Prof. Dr. Helmut Grüning von unserem Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt.

Herr Prof. Grüning, so ein Day Zero, könnte der auf lange Sicht auch bei uns in Deutschland vorkommen?

Nein, das ist aufgrund unserer geografischen Lage sehr unwahrscheinlich. Wir können es uns sogar leisten, unsere Toilette mit exzellentem Trinkwasser zu spülen. Wir wissen halt, dass es hier regelmäßig regnet. Ganz wichtig ist aber das Bewusstsein, dass Wasser eine lebenswichtige Ressource ist, die durch unsere Nutzung allerdings nicht verloren geht.

 

Wie meinen Sie das?

Jeder Schluck, den wir trinken, wird wieder abgegeben: Wir schwitzen, gehen zur Toilette oder atmen Wasserdampf aus. Jeder Tropfen landet also wieder in der Atmosphäre und im Gewässer. Von dort kommt er als Regen wieder auf die Erde zurück und der Kreislauf beginnt von neuem. Wir können Wasser also gar nicht verbrauchen, wir verunreinigen es aber.

 

Ist das denn ein Wasserproblem, das wir hier in Deutschland haben – wenn wir uns schon über die Menge keine Gedanken machen müssen?

Ja genau, die Probleme sind eher qualitativ als quantitativ. Trinkwasser und Abwasser stehen bei uns in einem kausalen Zusammenhang. Nach verheerenden Choleraepidemien zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die so genannte Schwemmkanalisation gebaut. Das dort abgeleitete Schmutzwasser ist das ursprünglich saubere Trinkwasser, das unseren Abfall wegschwemmt: Zunächst in unsere Kläranlagen, von da weiter ins Gewässer. Bei intensiveren Regen wird das mit Regenwasser vermischte Schmutzwasser aus dem Kanalnetz auch unmittelbar in ein Gewässer eingeleitet, aus dem gegebenenfalls wieder Trinkwasser gewonnen wird.

 

Was kann man dagegen tun?

An unserer Hochschule entwickeln wir Verfahren und Konzepte, um den Stoffeintrag in unsere Gewässer zu reduzieren. Die Schwemmkanalisation braucht sogar genügend Wasser – sonst bleiben Grobstoffe liegen. Dann kann es zu Geruchsbelästigungen und sogar zu biogener Schwefelsäurekorrosion kommen. Im schlimmsten Fall stürzen dadurch Kanäle ein. Die Ablagerungen müssen bei zu geringem Abfluss durch den Kanalbetrieb aufwändig weggespült werden.

 

Heißt das etwa, wir sollen mehr Wasser verbrauchen?

Sagen wir es mal so: Für unsere Kanalisation wäre das nicht schlecht. In Deutschland werden pro Person und Tag durchschnittlich 120 Liter Wasser verbraucht. Oder besser: gebraucht. Den größten Anteil machen dabei 40 Liter für die Toilettenspülung und 45 Liter fürs Duschen aus. Doch für die Wasseraufbereitung, den Wassertransport und für die Erhitzung von Wasser wird eine Menge Energie benötigt. Gegen eine wohltuende Dusche ist aber nichts einzuwenden, sie muss ja nicht zu lange dauern…

 

Wo kommt unser Wasser eigentlich genau her?

Anders als in Südafrika kommen bei uns 60 bis 70 Prozent des Trinkwassers als Grundwasser aus dem Boden. Und das hat eine super Qualität, weil sich Mikroorganismen von organischen Substanzen im versickernden Wasser ernähren. So kommt es in vielen Regionen aus dem Boden direkt in die Leitung. In NRW wird außerdem ein hoher Anteil des Bedarfes durch Oberflächenwassergewinnung gedeckt. Hier speichern zahlreiche Talsperren Wasser für den Sommer und schützen gleichzeitig vor Hochwasser, wenn Flüsse im Frühjahr nach der Schneeschmelze viel Wasser führen oder es länger anhaltend regnet. Quasi nebenbei nutzen wir sie auch noch zur Energiegewinnung und Freizeit. Wir leben in einem Wasserparadies!

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