Allrounder Aktivkohle: Wo sie wirklich wirkt – und wo nicht

Schwarzes Eis und dunkle Smoothies, in Zahnpasta und Hautmasken – Aktivkohle liegt im Trend. Aber gehört sie wirklich zu einem modernen und gesunden Lebensstil? Prof. Dr. Joachim Guderian hat Antworten.

Herr Prof. Guderian, welche Eigenschaft hat Aktivkohle, dass sie so vielfältig eingesetzt wird?

Aktivkohle kann toxische Stoffe an ihrer Oberfläche binden. Bei medizinischer Aktivkohle verhindert sie so, dass zum Beispiel giftige Stoffe vom Darm in den Blutkreislauf gelangen, und sie reduziert mögliche Folgen wie Durchfall. Das gleiche Prinzip gilt für Trinkwasserbehandlungsanlagen oder für unsere Aktivkohlefilter in der Dunstabzugshaube. Das Adsorbieren ist eine ganz wesentliche Eigenschaft.

Wie kann die Aktivkohle die toxischen Stoffe aufnehmen?

Aktivkohle ist ein sehr poröses Material mit einer riesigen Oberfläche und einem Porensystem, ähnlich einem Schwamm. In diese sehr, sehr kleinen Poren gelangen die Moleküle und werden gebunden. Und Platz dafür haben sie genug: Schon wenige Gramm Aktivkohle haben die Oberfläche eines Fußballfeldes!

Wird Aktivkohle deshalb so viel in der Kosmetik eingesetzt, damit sie giftige Stoffe aufnehmen kann, die auf unserer Haut oder im Haar sitzen?

Aktivkohle wirkt völlig unspezifisch – sie adsorbiert manche Moleküle nicht besser oder schlechter als andere. In Kosmetikprodukten hat sie durch die Herstellung, die Lagerung und den Verkauf schon viel Zeit, um sich mit wertvollen Ölen und Fetten zu sättigen. Sehr viel Platz, um noch andere Stoffe aufzunehmen, ist da nicht, dazu müssten die Giftstoffe und die Aktivkohle mehrere Stunden Kontakt haben.

Mit anderen Worten, in der Kosmetik macht Aktivkohle eigentlich keinen Sinn?

Bei Gesichtsmasken könnte ich mir das eventuell noch vorstellen, wenn man sie mehrere Stunden trägt. Aber Shampoo und Zahnpasta mit Aktivkohle … Das sind Modeartikel. Es schadet nicht, aber ich glaube nicht, dass die Aktivkohle in der kurzen Anwendungsspanne wirksam ist. Ähnlich ist es beim Eis. Da isst man eine Miniaturkohletablette, die hat allerhöchstens einen homöopathischen Effekt.

Wofür wird Aktivkohle denn dann eigentlich eingesetzt?

Global gesehen ist sie in der Trinkwasserreinigung sehr wichtig, sie schützt uns zum Beispiel vor Resten von Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten. Auch beim Abwasser wird sie zur industriellen und zunehmend auch zur kommunalen Reinigung eingesetzt. Und generell gibt es ständig neue, extrem unterschiedliche Anwendungen. Innenraumfilter im Auto sind ein Beispiel, um Geruchsspitzen zu dämpfen. Gleiches gilt für Klimaanlagen. In Asien werden die übrigens auch auf vielen Toiletten eingesetzt. Noch relativ neu sind Pflaster für Brandverletzungen, bei denen die Aktivkohle die Belastung für die heilende Haut reduziert. Oder sie entfärbt Bier für klare Modebiere oder filtert Geschmacksfehlkomponenten aus Fruchtsäften oder Wein. Aktivkohle ist ein Allrounder!

Was passiert mit der Aktivkohle, wenn sie „satt“ ist?

Je nach Anwendung wird die gebrauchte Aktivkohle entweder verbrannt oder regeneriert. Letzteres ist zum Beispiel in der Industrie der Fall, da werden Aktivkohlen maximal beladen und meistens regeneriert. In der Trinkwasserbehandlung wird sie etwa alle zwei bis drei Jahre aufgearbeitet: Das geht mit Wasserdampf, der auf 800 bis 900 Grad erhitzt wird. Dieser Wasserdampf reagiert mit den Molekülen in der Aktivkohle und brennt ihre Poren wieder frei. Er zerstört dabei auch ein bisschen was von der Kohlematrix, etwa zehn Prozent. Der Verlust wird durch Frischaktivkohle ersetzt - damit hält der Kreislauf quasi ewig.

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