Stromkabel auf Urlaubsfotos: Energieexperte über Freileitungen und Erdkabel

Das schöne Fotomotiv im Urlaub einfangen – aber leider zieht sich das dunkle Stromkabel quer durchs Bild. Freileitungen sind in nahezu allen Ländern gang und gäbe, nur in Deutschland nicht. Hier setzt man eher auf Erdkabel. Warum das so ist, und wo die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Kabeltypen liegen, erklärt Prof. Dr. Tilman Sanders von unserem Fachbereich Elektrotechnik und Informatik.

Herr Prof. Sanders, warum sieht man in Deutschland nicht so viele Freileitungen wie im Urlaub?

Dass wir hierzulande quasi alle Kabel unter die Erde legen, hängt vor allem mit der Ästhetik zusammen. Die gesellschaftliche Akzeptanz für Freileitungen ist einfach nicht so hoch. Gleiches gilt für die Transformatorkästen. In den USA sind sie in fassartigen Blechkästen untergebracht und direkt auf dem oft hölzernen Strommast montiert. Hier versucht man, sie zu verstecken. Zum Beispiel in Kellern oder kleinen Häuschen, in Münster liegt sogar einer direkt unterm Domplatz. Dabei wird es langsam eng da unten.

Wie meinen Sie das?

All unsere Kabel liegen in ungefähr 40 Zentimetern Tiefe im Erdboden. Telefonkabel, Kabelfernsehen, Stromkabel für Nieder- und Mittelspannung, die Gas-, Wasser- und Abwasserleitungen, eventuell auch noch Fernwärme und Glasfaserleitungen … Da kommt einiges zusammen. In Großstädten gibt teils schon Probleme, wenn neue Kabel verlegt werden müssen.

Aber haben Erdkabel denn auch Vorteile?

Auf jeden Fall, Erdkabel gehen im Vergleich zu Freileitungen deutlich seltener kaputt – da müsste schon mal ein Bagger drin hängen bleiben. Durch die Tiefe im Boden sind sie einfach besser geschützt, Freileitungen sind für das Wetter. Es ist ja sehr gefährlich, wenn die Strommasten im Sturm umfallen oder die Leitungen im Winter durchhängen – dann kann nämlich Strom über den Erdboden fließen und eine tödliche Trittspannung zwischen den Füßen auslösen. Manchmal verursachen Vögel auch Kurzschlüsse. Erdkabel hingegen sind resistent gegen Wasser und Frost, und auch Nagetiere interessieren sich für die Plastikisolierungen kaum.

Wenn Erdkabel doch so viele Vorteile mit sich bringen im Vergleich zu Freileitungen, wieso gibt es hier überhaupt noch welche?

Hochspannungsleitungen mit den riesigen Masten eignen sich sehr viel besser als Erdkabel, Strom über lange Strecken zu transportieren. Unter der Erde ist die maximale Kabellänge begrenzt, das liegt an der elektrischen Kapazität der Kabel. Denn auch das Kabel selbst verbraucht Strom! Irgendwann ist da das Maximum erreicht, die Kabel würden zu heiß werden, das Plastik könnte schmelzen und Kurzschlüsse und Brände auslösen. Bei Freileitungen isoliert die Luft, da besteht diese Gefahr nicht. Und es gibt noch einen simplen Grund: Freileitungen sind schlichtweg günstiger als Erdkabel. Deshalb gibt es gerade in ländlichen Gegenden recht viele Freileitungen, weil die Anbieter große Entfernungen für nur wenige Kunden überbrücken müssen. Und deswegen entscheiden sich auch viele Länder für die Technik.

Wie ist das denn eigentlich jetzt bei der Hitze, können die Kabel da zu heiß werden und schmelzen?
Die Leiterseile der Freileitungen werden normalerweise dauerhaft bei Temperaturen von 70 80 Grad Celsius betrieben, kurzzeitig sind aber bis 170 Grad möglich, ohne direkt einen Schaden zu verursachen. Im Sommer sind diese Temperaturen natürlich schon bei geringerer Stromstärke erreicht, aber dafür sind die Leitungen von vornherein ausgelegt. Bei Erdkabeln ist der Temperaturunterschied im Boden zwischen Winter und Sommer geringer, daher ist auch hier nicht mit einem Stromausfall durch die Hitzewelle zu rechnen.

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