Netzbetreiber haben den Kanal voll: Feuchttücher machen Ärger bei Entsorgung
Die Entsorgung von feuchtem Toilettenpapier beschert Kanalnetzbetreibern in ganz Deutschland Probleme und hohe Kosten. Warum genau, erklärt der Experte für Siedlungswasserwirtschaft Prof. Dr. Jens Haberkamp vom Fachbereich Bauingenieurwesen.

Prof. Dr. Jens Haberkamp lehrt und forscht am Fachbereich Bauingenieurwesen in den Bereichen Abwasserwirtschaft, Trinkwasserversorgung und Umweltchemie. (Foto: FH Münster/Wilfried Gerharz)

Verzopfte Feuchttücher wickeln sich um das Laufrad der Abwasserpumpe und blockieren sie.
Herr Prof. Dr. Haberkamp, was genau ist denn problematisch an feuchtem Toilettenpapier?
Werden Feuchttücher über die Toilette entsorgt, landen sie in der Kanalisation und werden mit dem Abwasser in Richtung Kläranlage geschwemmt. In großen Städten wie Münster sind hierfür lange Strecken zu überwinden. Für den Transport ist ein Gefälle nötig, damit die Kanäle aber nicht immer tiefer ins Erdreich verlegt werden müssen, sorgen Abwasserpumpwerke dafür, dass die Abwässer wieder auf ein höheres Niveau gepumpt werden. Die Pumpen saugen das Wasser an, dabei entstehen Strudel und in diesen verknoten oder „verzopfen“ sich die Feuchttücher. Der dicke Feuchttuchzopf verstopft dann die Pumpenöffnung oder die Feuchttücher gelangen in die Pumpe, legen sich um das Laufrad und blockieren es. Die Pumpe fällt aus, muss ausgebaut und aufwändig gereinigt werden, was für die zuständigen Mitarbeiter auch hygienisch bedenklich ist. Für die Reinigung der durch Feuchttücher ausgefallenen Pumpen fielen beispielsweise allein in Berlin im Jahr 2016 rund 800.000 Euro zusätzliche Kosten an.
Warum gibt es bei normalem Toilettenpapier keine Probleme?
Toilettenpapier ist aus Zellstoff, es lässt sich leicht zerreißen und zersetzt sich im Wasser. Feuchttücher hingegen bestehen aus einem Viskose-Kunstfaser-Gemisch, sind damit sehr reißfest und lösen sich auch bei sehr langer Verweildauer im Wasser nicht auf. In den letzten Jahren ist der Verbrauch von Feuchttüchern deutlich angestiegen. Mittlerweile gibt es neben Feuchttüchern weitere Produkte, wie feuchte Waschlappen, Kosmetiktücher und Allzwecktücher, die in der Kanalisation landen. Bei einer Messkampagne in Berlin fand man durchschnittlich 6 bis 10 Vliestücher pro Kubikmeter - also in 1000 Litern Abwasser.
Was müsste passieren, um diese Problematik abzuwenden? Was kann jeder Einzelne tun?
Es gibt bereits Pumpen, die mit einem speziellen Schneidrad Feuchttücher zerkleinern und so pumpengängig machen. Aber dann können die Tücher leider auch nicht mehr von den Rechen, durch die die Abwässer in der Kläranlage als erstes fließen, herausgefischt werden. Denn dort bleiben sie bisher einfach hängen – wenn sie nicht schon vorher in einem Abwasserpumpwerk gelandet sind – und können entsorgt werden.
Deshalb ist es ausgesprochen wichtig, feuchtes Toilettenpapier, Babytücher oder sonstige Vliestücher nur in den Hausmüll zu werfen. In jedem Fall sollten die Hersteller deutlichere Hinweise zur richtigen Entsorgung auf der Verpackung anbringen. Zudem sind derzeit einige Hersteller dabei, zerreißbare Feuchttücher zu entwickeln.