Es ist gut, in der Sprachausgabe die eigene Stimme zu hören

Marvin Breitling erhielt drei Auszeichnungen für seine Bachelorarbeit zur Logopädie


Münster/Unna/Dortmund (25. August 2021). Sprechen zu können ist eine wichtige Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Ist diese Fähigkeit eingeschränkt, beispielsweise bei Multiple Sklerose, Parkinson oder ALS, können technische Hilfsmittel die Defizite kompensieren. Tablets, Smartphones und Apps unterstützen dabei, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und im Gespräch zu bleiben. Elektronische Kommunikationssysteme mit einer Sprachausgabe ermöglichen sogar, sich aus der Entfernung bemerkbar zu machen oder selbstständig zu telefonieren. Doch werden sie auch genutzt?

Mit der Akzeptanz elektronischer Kommunikationshilfen hat sich Marvin Breitling in seiner Abschlussarbeit am Fachbereich Gesundheit der FH Münster beschäftigt. In dem Studiengang Therapie- und Gesundheitsmanagement mit der Fachrichtung Logopädie hat er neben dem Bachelorabschluss an der Hochschule parallel die Ausbildung als Logopäde am Universitätsklinikum Münster abgeschlossen. Seiner Beobachtung, dass vor allem ältere Menschen mit fortschreitenden Erkrankungen in der Sprechmotorik wenig mit elektronischen Kommunikationshilfen zu sehen sind, wollte er näher auf den Grund gehen.

„Dafür habe ich mit drei Männern und zwei Frauen zwischen 40 und 70 Jahren gearbeitet und sie gefragt, wann ihnen was als Unterstützung dient – vor allem aber wollte ich wissen, warum sie keine elektronischen Kommunikationsmittel gebrauchen“, erzählt der Absolvent. Er hätte dafür gern mehr Patient*innen interviewt, dies ist ihm unter den erschwerten Corona-Bedingungen und aus Datenschutzgründen nicht gelungen.

Trotzdem sieht er sich in seiner Annahme bestätigt: Es gibt eine große Hemmschwelle für Ältere, die Kommunikationshilfen im öffentlichen Umgang anzuwenden. „Für eine Parkinson-Patientin, Mitte 50, habe ich die ganze Technik eingerichtet, mit ihr geübt, ihren Mann und Sohn als Unterstützer miteinbezogen. Aber sobald sie allein in der Öffentlichkeit war, wollte sie nicht mehr auf die Hilfsmittel zurückgreifen“, berichtet der 26-Jährige. Und so lief es auch bei den anderen Interviewten. Breitling vermutet, auch wenn er viel mehr Proband*innen gehabt hätte, wären die Gründe dafür dieselben: Die technische Unterstützung müsste viel früher einsetzen, die Bildschirme sollten für eine freie Sicht im öffentlichen Umgang kleiner sein, und VR-Brillen könnten eine zusätzliche Hilfe bieten. „Ein wichtiger Grund für sie, die technische Hilfe links liegenzulassen, ist es, eine technisch vorgegebene Stimme zu hören. Die Interviewten würden es viel schöner finden, nach dem Eintippen ihrer gewünschten Sätze in der Sprachausgabe die eigene Stimme zu hören. Wenn meine Gesprächspartnerinnen und -partner schon früher darüber informiert gewesen wären, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Stimme einzusprechen, so würden sie die elektronischen Kommunikationsmittel auch nutzen. Jetzt, wo sie dermaßen in der Sprechmotorik eingeschränkt sind, können sie das nicht mehr“, so Breitling, der in Unna lebt und inzwischen in einer Dortmunder Praxis arbeitet.

„Für die Bachelorarbeit habe ich sowohl von meiner Ausbildungspraxis als auch vom Studium profitiert, hier besonders vom Modul Datengewinnung und Datenanalyse, in dem es auch um Befragungsmethoden ging“, erzählt der Logopäde. Er hat sich viel mit Kommunikation und Statistik beschäftigt, auch in englischsprachiger Literatur recherchiert. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema kommt ihm in der Berufspraxis zugute. „Meine Sinne dafür sind geschärft. Sobald ich merke, dass meine Patientinnen oder Patienten von dieser Möglichkeit nicht schon durch Kliniken und Diagnoseeinrichtungen informiert worden sind, nenne ich Kontakte. Denn alles steht und fällt mit der frühzeitigen Unterstützung.“ Lohnenswert war die Bachelorarbeit noch in anderer Hinsicht: Breitling ist mit dem Hochschulpreis und mit dem Bernard-Rincklake-Preis der Gesellschaft der Freunde der FH Münster ausgezeichnet worden. Obendrein hat er beim Deutschen Kongress für Rehabilitationsforschung für seine Posterpräsentation den Publikumspreis gewonnen.

Zum Thema: Gerade einmal ein Prozent aller Absolvent*innen eines Jahrgangs erhält ihn: den Hochschulpreis. Jedes Jahr kürt das Präsidium gemeinsam mit der Gesellschaft der Freunde der FH Münster e. V. (gdf) auf Vorschlag der Fachbereiche die besten Abschlussarbeiten. Zu den Preisträger*innen des Hochschulpreises 2021 für die besten Arbeiten aus dem Jahr 2020 gehört Marvin Breitling vom Fachbereich Gesundheit, der in Interviews für seine Bachelorarbeit die „Akzeptanz elektronischer Kommunikationshilfen im öffentlichen Umgang bei durch progrediente Erkrankungen in der Sprechmotorik eingeschränkten Erwachsenen ohne schwerwiegende kognitive Defizite“ untersucht hat. Er hat zudem den Bernhard-Rincklake-Preis erhalten. Dr. Anja Fiori war die Erstbetreuerin der Arbeit. Eine vollständige Übersicht aller gewürdigten Absolvent*innen ist im Jahresbericht 2020 ab Seite 54 abrufbar: fhms.eu/jahresbericht-20.


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