Praxisübung Humanitäre Hilfe verwandelt Schlossplatz in Zeltstadt

Seit zehn Jahren organisiert Prof. Dr. Joachim Gardemann die Gemeinschaftsaktion


Münster (17. Januar 2012). Eine Praxisübung in humanitärer Hilfe hat am Wochenende den Schlossplatz in Münster für einige Stunden in eine realistische Notfallzeltstadt verwandelt. Über 100 Studierende von der Fachhochschule Münster und der Westfälischen Wilhelms-Universität bauten unter Anleitung der über 30 ehrenamtlichen Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus dem Landesverband Westfalen-Lippe und der Hochschulgemeinschaft des Kreisverbandes Münster mehrere Einheiten eines Zelthospitals auf. Solche mobilen Krankenhäuser setzen das Rote Kreuz und der Rote Halbmond in Krisen- und Katastrophengebieten weltweit ein.

Die Initiatoren um Prof. Dr. Joachim Gardemann, Leiter des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe der Fachhochschule Münster, hielten damit eine lebendige Tradition aufrecht: Seit mittlerweile zehn Jahren organisiert das Kompetenzzentrum in Zusammenarbeit mit dem DRK, der medizinischen Fakultät der Universität und dem Universitätsklinikum sowie mit Unterstützung der Stadt die humanitäre Gemeinschaftsaktion. In dieser Zeit hat das Kompetenzzentrum schon viele Studierende für die Anforderungen der humanitären Soforthilfe sensibilisiert und Kontakte zu international tätigen Organisationen vermittelt.

In gemeinsamen Seminaren informieren sich Teilnehmer verschiedener Fachbereiche seit 2002 über die erforderlichen Fähigkeiten, welche die internationale Notfallhilfe an die Einsatzkräfte stellt. Die praktische Übung beschließt das Semester und macht das Gelernte praktisch erfahrbar. „Im Falle einer Katastrophe brauchen wir Mediziner genauso wie Ingenieure, Ethnologen oder Kommunikationswissenschaftler", sagte Gardemann während der Praxisübung. „Hier in der Hochschulstadt Münster ist dieses Expertenwissen vorhanden, und im Kompetenzzentrum bringen wir es zusammen".

„Das Ganze kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten voll dahinter stehen", betonte der Hochschullehrer. Das beginne bei den Übungen, die ohne die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kreis- und Landesverbände des Roten Kreuzes nicht zu machen seien, und gelte für die Unterstützung durch die Stadt, die bei Bedarf ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stelle. Und nicht zuletzt sei es ein großes Verdienst der Hochschulleitung, die es dem Mediziner im Falle einer Katastrophe immer wieder schnell und unkompliziert ermöglichte, sofort in den humanitären Einsatz zu ziehen. Der Kinderarzt hat seit Ende der 90er Jahre in vielen Krisenregionen der Welt Hilfe geleistet: In Ruanda, Kosovo, Kongo, Iran, Sri Lanka, China und zuletzt in Haiti nach dem schweren Erdbeben 2010. Während der Einsätze hat Gardemann umfangreiche Erfahrungen gemacht, die er an die Studierenden weitergibt.

Zum zehnten Jahrestag haben die Veranstalter die Aktion bewusst mitten in die Stadt verlegt und das Angebot um Workshops und Vorträge erweitert. Nachdem sich die Studierenden mit den Gerätschaften aus dem großen Rotkreuz-Lkw vertraut gemacht hatten, errichteten sie in kleinen Gruppen die Zelte. Im Ernstfall beteiligen sich die Betroffenen vor Ort selbst am Aufbau. „Für sie ist das ein wichtiger Teil der Bewältigungsstrategie", sagte Gardemann.

Als die mobilen Einsatzräume schließlich standen, informierten sich die Studierenden während kurzer Workshops über Maßnahmen der Ersten Hilfe und erfuhren Wichtiges über die Prinzipien der Nahrungsversorgung in Katastrophengebieten. Im benachbarten Zelt des Suchdienstes machten sich indes Teilnehmer auf die Suche nach „Vermissten". Schon bei der Anmeldung hatten die Studierenden fiktive Pässe erhalten und sich damit beim Suchdienst registriert. Dessen Aufgabe ist es, nach Katastrophen für die Zusammenführung von Familienmitgliedern zu sorgen. Nun galt es, anhand von Listen und Suchfotos den vermissten Partner wiederzufinden.

Gestärkt mit einem Mittagessen aus Feldküche und Gulaschkanone ging es zu zwei Vorträgen erneut in die Zelte. Die Grundsätze der Humanitären Hilfe und die Bedeutung des Völkerrechts für die weltweiten Einsätze erläuterten Gardemann und Dr. Sascha Rolf Lüder, der an der Universität Humanitäres Völkerrecht lehrt. Kenntnisse darüber sind bei Hilfseinsätzen unabdingbar, denn auch unbeabsichtigte Verstöße können schnell politische Probleme nach sich ziehen.

Durchgefroren, aber um etliche Erkenntnisse reicher, machten sich die Teilnehmer schließlich an den gemeinsamen Abbau der Zelte. Mit ihnen verschwanden auch die letzten Spuren der simulierten Katastrophe - eine Botschaft, die das mobile Krankenhaus den Betroffenen auch im Ernstfall signalisiert: Die Notsituation ist schlimm - aber sie wird bald vorübergehen.

Zum Thema:
Nach humanitären Katastrophen benötigen die Überlebenden möglichst rasch Hilfe. Sogenannte Emergency Response Units des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes sind mit ihrer Notfallausrüstung innerhalb weniger Tage einsatzbereit, um an jedem Ort der Welt Verletzte und Kranke zu versorgen. Damit die Hilfe möglichst schnell bei den Hilfsbedürftigen ankommt, müssen Planung und Abläufe reibungslos funktionieren. Deshalb probt das Rote Kreuz derartige Hilfseinsätze regelmäßig und übt etwa den Aufbau von mobilen Zeltkrankenhäusern, in denen internationale Ärzte im Ernstfall Menschenleben retten.

Vor zehn Jahren hat Prof. Dr. Joachim Gardemann das Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe der Fachhochschule Münster gegründet. Hier treffen interessierte Studierende verschiedener Fachbereiche aus Münsters Hochschulen zusammen und lernen die Arbeit in der Humanitären Hilfe kennen. Bei Eignung vermittelt das Kompetenzzentrum Kontakte zwischen den Studierenden und internationalen Hilfsorganisationen.


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