Ein Jahr nach der Sturzflut

FH-Professor warnt: „Theoretisch kann das immer wieder passieren“


Münster/Steinfurt (24. Juli 2015). Wenn kalte und warme Luftmasse aufeinanderprallt, entsteht ein Gewitter - kein ungewöhnliches Phänomen. Doch in extremen Fällen, wie am 28. Juli 2014, führt diese Konstellation zu urbanen Sturzfluten. Damals stießen wassergeladene Luftpakete direkt vor Münster auf eine Kaltfront. Innerhalb von sieben Stunden prasselten gewaltige Regenmengen auf die Stadt nieder, insgesamt rund 300 Millimeter Niederschlag. Oder anders ausgedrückt: 300 Liter pro Quadratmeter. Das sind fast 40 Prozent des Jahresniederschlages von durchschnittlich 800 Millimetern. „Theoretisch kann das immer wieder passieren", sagt Prof. Dr. Helmut Grüning vom Fachbereich Energie - Gebäude - Umwelt der FH Münster.

Denn das Wetter sei eine hochkomplexe, chaotische Angelegenheit. „Langfristige Vorhersagen sind deshalb unmöglich", so der Hochschullehrer auf dem Steinfurter Campus. Dass es überhaupt zu solchem Starkregen komme, sei grundsätzlich ein natürliches Phänomen. „Doch aufgrund der globalen Erwärmung nimmt das Risiko extremer Wetterphänomene zu, sodass künftig häufiger mit heftigen Gewittern zu rechnen ist." Diese Wassermassen kann die Kanalisation nur begrenzt aufnehmen. „Die Kanäle sind für  Niederschlagsereignisse ausgelegt, die statistisch gesehen vielleicht alle zehn Jahre einmal auftreten." Kommt es zu selteneren Starkregenphänomenen, wie im letzten Jahr, können die Kanäle diesen Niederschlägen nicht mehr Herr werden. Das Wasser überflutet Straßen, läuft in Keller und Tiefgaragen. Außerdem kann es zu einem Rückstau in der Kanalisation kommen, sodass Abwässer zurück in die Häuser fließen.

Doch einfach größere Kanäle zu bauen, das sei aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nur eingeschränkt umsetzbar und auch nicht unbedingt sinnvoll. Grüning: „Wir müssen die technischen Grenzen der Abflusskapazitäten einer Kanalisation akzeptieren. Stattdessen wird die private Vorsorge immer wichtiger." Rückstauverschlüsse, die bei Einstau in der Kanalisation den Rücklauf der Abwässer ins Haus verhindern, sind eine Grundvoraussetzung. Potentielle Bauherren sollten prüfen, ob ihr geplantes Eigenheim in einem Tiefpunkt und gar in der Nähe eines Gewässers liegt. Beides erhöhe das Risiko, dass Wasser über die Oberfläche eindringe. Sollte der Keller überfluten, dürfe dieser auf keinen Fall betreten werden, warnt der Experte. „Wenn die Stromzufuhr nicht unterbrochen ist, droht bei Kontakt mit dem Wasser ein Stromschlag." Betroffene sollen lieber die Feuerwehr rufen und erst nach Sicherung der Lage mit den Aufräumarbeiten beginnen. Und auch dabei ist der Hautkontakt mit dem Abwasser zu vermeiden.

Derweil erarbeiten Planer der Stadt Münster Konzepte, wie extreme Regenmassen zukünftig besser beherrscht werden können. „Besonders das Abflussverhalten von Gewässern im besiedelten Bereich hat sehr hohe Bedeutung", sagt Gerhard Rüller vom Tiefbauamt der Stadt Münster. „Alle Maßnahmen werden dabei im Einklang mit dem städtischen Klimaanpassungskonzept entwickelt."  Darüber hinaus wurden Schwachpunkte bei den Straßenabläufen behoben und Informationskampagnen konzipiert, um die Bevölkerung noch besser zu sensibilisieren für die Gefahren sintflutartiger Regenfälle. Bei dem Rekord-Unwetter im letzten Jahr hatten zwei Menschen ihr Leben verloren.


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