Wenn das Wasser nicht mehr fließt

Masterabsolvent entwickelt neues Bewertungstool für Gefährdungsanalyse von Trinkwasserinstallationen


Münster/Steinfurt (31. Januar 2018). Das zweite Badezimmer ist schon lange unbenutzt. Deshalb steht die Dusche still, eigentlich läuft hier nie Wasser durch die Leitungen. Leider ist das ein guter Herd für Legionellen und andere Keime. Und ist der Grenzwert für diese Krankheitserreger in Trinkwasserinstallationen erst einmal zu hoch, heißt es handeln. „Denn vor allem bei großen Liegenschaften wie Krankenhäuser, deren Patienten ohnehin ein geschwächtes Immunsystem haben, kann ein Legionellenbefall verheerende Folgen haben“, sagt Boris Sarkoski. Der Masterabsolvent der FH Münster hat sich in seiner Abschlussarbeit am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt mit Gefährdungsanalysen von Trinkwasserinstallationen beschäftigt. Denn genau so eine Analyse steht an, wenn der Grenzwert für Legionellen in Gebäuden überschritten wird. Das schreibt die Trinkwasserverordnung vor – und das nicht erst seit der Legionellen-Krankheitswelle von Warstein 2013.

Bei Krankenhäusern etwa entnehmen Gesundheitsämter regelmäßig Wasserproben. Sind die Werte für Legionellen bei der mikrobiologischen Untersuchung zu hoch, muss die Trinkwasseranlage auf Mängel untersucht werden. So eine Gefährdungsanalyse schätzt das tatsächliche gesundheitliche Risiko ab, und sie soll dem Betreiber konkrete Maßnahmen an die Hand geben, um die Mängel in sinnvoller Reihenfolge zu beseitigen. Allerdings gibt es ein Problem: „Meistens führen Techniker oder Ingenieure die Analyse durch. Aber neben den rein technischen Aspekten sind auch medizinisch-gesundheitliche Risiken zu berücksichtigen. Also bewerten zum Teil auch Hygieniker oder Immunologen die Ergebnisse“, sagt Sarkoski. Genau diese Zusammenarbeit und die entsprechende Dokumentation der Bewertungen funktioniere in der Praxis häufig nicht gut. Denn jeder Fachmann beurteile aus seinem Blickwinkel die Risiken unterschiedlich.

Deshalb hat Sarkoski in seiner Masterarbeit eine Bewertungsmethode entwickelt, die für Fachleute transparent und aussagekräftig und für Laien trotzdem verständlich ist. „Gerade dieses Thema hat bei Betreibern von Trinkwasseranlagen eine hohe Brisanz. Denn steht eine Gefährdungsanalyse an, brauchen sie eine ordentliche Dokumentation der Mängel und wollen schnell auf einen Maßnahmenkatalog zugreifen können“, sagt Prof. Dr. Carsten Bäcker. Er hat die Masterarbeit am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt der FH Münster betreut.

Sarkoski zur Theorie: „In fünf Stufen wird jeder einzelne Mangel der Anlage untersucht und pro Stufe nach einem Punktesystem bewertet. Daraus leitet sich ab wie stark das gesamte System beeinflusst ist und wie hoch das Gesamtrisiko ist.“ In der Praxis sieht das so aus: In der nichtbenutzten Dusche sind zwei Stagnationsstellen entstanden – eine direkt in der Duschleitung und eine in einem Kaltwasserverteiler. Bei beiden Stellen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich Keime gebildet haben, die die Qualität des Wassers beeinträchtigen. Deshalb erhalten sie eine gleich hohe Punktebewertung.
Im zweiten Schritt zeigt sich, dass die Stagnationsstelle im Kaltwasserverteiler zwar einen Einfluss auf die gesamte Kaltwasserinstallation hat, aber läuft das Wasser, kommt frisches Wasser dazu. So fällt die Kontamination an den Entnahmestellen eher gering aus – geringere Punktzahl. Bei der Dusche ist das anders. Zwar beeinflusst das stehende Wasser nicht die gesamte Installation, aber die duschende Person bekommt die volle Keimbelastung aus der Leitung ab – hohe Punktzahl. Auch der Zustand der Armaturen fließt in die Bewertung mit ein sowie die Art der gefundenen Keime.
„So können wir jeden Mangel besser individuell analysieren und bewerten. In Rücksprache mit den anderen Fachleuten entsteht dann ein Maßnahmenkatalog für die Betreiber, der die Mängel kategorisiert und der einfach abgearbeitet werden kann“, sagt der Zweitprüfer von Sarkoski, Ulrich Doll vom Ingenieurbüro KaTplan in Münster. Hier arbeitet Sarkoski seit seinem Abschluss.

Das Gute an der Bewertungsmethode ist, dass sie auf jedes Objekt anwendbar ist – egal wie groß, egal wie speziell die Anforderungen an die Trinkwasseranlage sind. Das passt, denn erst Anfang Januar hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) eine aktuelle Richtlinie zur „Hygiene in Trinkwasserinstallationen“ herausgegeben, die auf alle Trinkwasserinstallationen anwendbar sein soll. „Boris Sarkoski hat ein hervorragendes Bewertungstool aufgebaut. Denn es beurteilt die Mängel aus der Praxis heraus und stellt sie in einer übersichtlichen Tabelle differenziert dar. Andere gängige Verfahren sind viel zu theoretisch“, lobt Bäcker.


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