„Wir alle sollten unseren Lebensstil überdenken“
Steinfurter Campus-Dialoge der FH Münster beschäftigten sich mit Nitrat im Wasser
Prof. Dr. Thomas Schupp diskutierte mit den Besuchern der Steinfurter Campus-Dialoge über Nitrat-Grenzwerte, die Rolle der Landwirtschaft und den Einfluss des eigenen Lebensstils. (Foto: FH Münster/Pressestelle)
Münster/Steinfurt (20. April 2018). Die rot-orangen Flecken auf den verschiedenen Landkarten, die Prof. Dr. Thomas Schupp mitgebracht hatte, machten es deutlich sichtbar: Viehdichte, Stickstoffüberschuss und hohe Nitratwerte im Wasser hängen zusammen. „Deshalb kommt der Landwirtschaft eine wichtige Rolle bei der Problemlösung zu“, so der Hochschullehrer der FH Münster gestern bei den Steinfurter Campus-Dialogen. Dennoch plädierte er dafür, nicht allein den Landwirten den „Schwarzen Peter“ in punkto Nitratbelastung zuzuschieben: „Wir alle sollten unseren Lebensstil überdenken und schauen, wo wir als Verbraucher Einfluss nehmen können.“
Die zahlreichen Interessierten, die trotz des sommerlichen Abends zu der Diskussionsveranstaltung gekommen waren, zeigten, dass das Thema Nitrat im Wasser viele beschäftigt. Schupp, der am Fachbereich Chemieingenieurwesen lehrt, konnte beruhigen: Das Trinkwasser habe auch in Regionen mit ausgeprägter Landwirtschaft – wie dem Kreis Steinfurt – eine ausreichend gute Qualität: Der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter werde nicht überschritten.
„Dieser Wert ist allerdings nicht übervorsichtig“, betonte der Toxikologe. Studien zeigten, dass jenseits dieses Wertes gesundheitliche Gefahren zu befürchten seien: „Es gibt keinen Spielraum nach oben.“ Das Nitrat wird im Körper zu Nitrit. Dieses schädigt das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen, sodass diese keinen Sauerstoff mehr transportieren können. Besonders für Kleinkinder ist dieser Effekt gefährlich. Auch die Schilddrüse wird bei einem erhöhten Nitratwert im Trinkwasser in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Am Anfang der Veranstaltung mag sich manch ein Besucher an den Chemieunterricht in der Schule erinnert haben: Mithilfe eines Tafelbildes erläuterte Schupp den Stickstoffkreislauf. Bakterien zersetzen den in organische Materialien gebundenen Stickstoff zu Ammonium, dieses oxidiert zu Nitrat, das die Pflanzen zum Wachsen brauchen. Wenn allerdings zum Beispiel durch das Aufbringen von sehr viel Gülle mehr Stickstoff vorhanden ist, als die Pflanzen verwerten können, sickern Substanzen wie Nitrat teilweise in das Grundwasser ein.
75 Prozent des Nitrats im Wasser und 63 Prozent des insgesamt freigesetzten sogenannten „reaktiven“ Stickstoffs sind auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Aber auch aus dem Verkehr, der Industrie und den privaten Haushalten gebe es relevante Einträge, verdeutlichte Schupp anhand von Forschungsergebnissen. „Durch EU-weite Bemühungen geht die Tendenz beim Stickstoffüberschuss nach unten“, sagte er. Aber um die Verunreinigung des Wassers und andere Umweltschäden, wie zum Beispiel die Eutrophierung der Gewässer sowie abnehmende Pflanzen- und Insektenvielfalt, einzudämmen, sei noch viel zu tun.
Und dazu könne auch jeder Einzelne etwas beitragen, etwa seinen Fleischkonsum hinterfragen. „Es muss nicht jeden Tag ein King-Size-Schnitzel sein“, so der Hochschullehrer. Zudem sprach er sich dafür aus, den ökologischen Landbau zu stärken, indem man langfristig und verlässlich einen bestimmten Teil des Lebensmittelbudgets für dessen Produkte ausgebe. Natürlich seien Milch, Fleisch und Gemüse dort nicht so billig wie im Discounter. „Aber Geiz ist nicht geil. Geiz ist dumm“, sagte Schupp. Die Auswirkungen der industriellen Nahrungsmittelproduktion würden letztendlich uns alle und unseren Lebensraum belasten.
Ein weiterer Tipp: Das Gemüse saisongemäß und regional einkaufen. Nicht nur, um lange Transportwege zu vermeiden: „Einen großen Anteil Nitrat nehmen wir über Gemüse auf. Besonders Blattgemüse wie Spinat und Kopfsalat weist hohe Werte auf, die im Winter nochmals ansteigen.“ Denn wenn es weniger Licht gebe, speicherten diese Pflanzen mehr Nitrat. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sei die Gesundheit durch den normalen Verzehr aber nicht gefährdet.
Auch wenn viele Besucher den Appell an die Verantwortung der Verbraucher begrüßten, gab es einige Stimmen, die sich darüber hinaus stärkere Kontrollen der Landwirtschaft wünschten. Bei eigenen Messungen in Flüssen wie Vechte und Aa sowie im Hausbrunnen seien teilweise besorgniserregende Nitratwerte herausgekommen, berichteten Teilnehmer. „Trinkwasser ist unser wichtigstes Nahrungsmittel. Das sollten wir uns nicht versauen“, brachte es ein Besucher auf den Punkt.
Die Steinfurter Campus-Dialoge werden seit 2015 von der FH Münster und dem KulturForum Steinfurt organisiert. Sie ermöglichen Besuchern, mit Forschern ins Gespräch zu kommen und Einblicke in die Wissenschaft zu gewinnen. Die nächste Veranstaltung findet am 28. Juni zum Thema IT-Sicherheit statt.