„Hartz IV oder sozialer Arbeitsmarkt?“

Prof. Dr. Heinz-Dieter Kantel verabschiedet sich mit einer Vorlesung in den Ruhestand


Münster (22. Januar 2019). So kurz wie prägnant war die letzte Vorlesung von Prof. Dr. Heinz-Dieter Kantel an der FH Münster. Sie drehte sich um die Frage „Hartz IV oder sozialer Arbeitsmarkt“ – ein Thema, mit dem er sich seit seiner Berufung an die FH Münster in Lehre und Forschung beschäftigt hat. Auch in seiner Probevorlesung 2002 am Fachbereich Sozialwesen ging es um die Grundsicherung.

Nichts geändert habe sich seitdem, selbst seit 1961 nicht, dem Jahr, als der Bundestag das Bundessozialhilfegesetz beschlossen hat. Er präsentierte den Gästen eine entscheidende Passage, die sich so nahezu identisch auch im heutigen Hartz IV-Konzept findet. Im Mittelpunkt seiner Kritik steht der Passus, dass die Sozialhilfe ein Leben ermögliche, das der Würde des Menschen entspreche. „Aber sie zu ermöglichen heißt nicht, sie zu garantieren“, sagt der studierte Sozialarbeiter und Sozialwissenschaftler. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende solle ermöglicht, nicht garantiert werden – Kantel nimmt es mit den Formulierungen genau. „Der Gesetzgeber will mit Sanktionen, die auch gerade wieder vor dem Bundesverfassungsgericht diskutiert werden, die Eigenverantwortung von Arbeitssuchenden stärken. Aber sind die Arbeitssuchenden verantwortungslose Halunken?“ Letztendlich stecke auch in dem Ziel, nur ein der Menschenwürde entsprechendes Leben zu ermöglichen, ein großer Widerspruch: dass Menschen nur dann Menschenwürde haben, wenn sie von Hilfe unabhängig sind.

Diese Widersprüche haben Folgen für die Soziale Arbeit. Ginge es nach dem 65-Jährigen, so würde er Maßnahmen fördern, die Langzeitarbeitslose ganzheitlich stabilisieren, sodass sie wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt fassen könnten. Einen sozialen Arbeitsmarkt, wohlgemerkt, ohne befristete Finanzierungsspritzen bei den Arbeitgebern wie kleineren Trägern und ohne Sanktionen für die Menschen. Für die Fachkräfte der Sozialen Arbeit heißt dies, für Menschen mit Grundsicherung für Lichtblicke zu sorgen. Das heiße auch, sich politisch zu engagieren – ein Anspruch, den Kantel für sich selbst immer erfüllt hat. „Dafür habe ich ja demnächst auch mehr Zeit.“

Ein Vorbild nannte ihn denn auch Fachbereichsdekan Prof. Dr. Stephan Barth, denn „Soziale Arbeit ist untrennbar verbunden mit politischem Engagement und der Möglichkeit, Kommunalpolitik mitzugestalten.“ Barth würdigte zudem den Spagat, den Kantel bewältigt hat: die Professur auf einer halben Stelle neben berufspraktischer und kommunalpolitischer Arbeit. Dies sei aber auch eine Bereicherung für die Studierenden gewesen, denn in 33 Semestern Lehre der Politikwissenschaft hat Kantel sie in die Grundlagen der Sozialpolitik eingeführt und dies mit der Praxis verknüpft.

Viel von ihm gelernt habe auch Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, zurzeit Abteilungsleiter im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf. In seiner Laudatio lobte er Kantel als einen Partner für interessante Gespräche und Diskussionen. „Wir bleiben verbunden“, verspricht El-Mafaalani und wünscht Kantel „alles Gute für den Unruhestand“.


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