„Die Welt hat Fieber“

Wirtschaftsgeschehen verständlich und kompakt: VWL-Professor Dr. Manuel Rupprecht informierte über Strafzölle und Handelskriege


Münster (31. Oktober 2019). Irak-Krieg, Lehmann-Pleite, Brexit-Deal, Trump-Wahl – die politische und ökonomische Unsicherheit in der Welt ist heute so groß wie nie in den letzten 25 Jahren. Und seitdem der US-amerikanische Präsident angefangen hat, seine Wahlversprechen umzusetzen, sind die Medien voll von bedrohlichen Schlagzeilen über Strafzölle und Handelskriege. „Die Welt hat Fieber“, sagte Prof. Dr. Manuel Rupprecht, und sein Publikum hörte gebannt zu. 200 Interessierte waren zu seinem Vortrag „Strafzölle, Handelskriege und die (ungeahnten) Folgen für die Welt“ in den Hörsaal im Fachhochschulzentrum (FHZ) gekommen – und der war damit bis auf den letzten Platz besetzt. Es war ein guter Start für die sechsteilige VWL-Ringvorlesung, die in diesem Wintersemester an der FH Münster läuft. Das Ziel: Wirtschaftsgeschehen verständlich und kompakt zu vermitteln – und genau das gelang Rupprecht in knapp eineinhalb Stunden.

„Handelskrieg, was ist das eigentlich?“, fragte er und lieferte die gängigen Definitionen gleich mit. Bei einem Handelskrieg gehe es immer darum, die gegnerische Volkswirtschaft zu zerstören. „Doch das Wort ‚Krieg‘ impliziert einen militärischen Einsatz, und davon sind wir zum Glück weit entfernt. Ich spreche deshalb lieber von einem Handelsstreit.“ Aber auch der hat es in sich. „China und die USA verlangen Zölle für ausgewählte Produkte, die importiert werden. Trump macht davon rege Gebrauch, und deshalb sind inzwischen 50 Prozent aller Importe Chinas in die USA mit einem Zollsatz belegt. Wir reden hier von hunderten Milliarden Dollar“, so Rupprecht. Doch nicht erst Trump habe damit angefangen, schon seit 2009 erhöhen die USA handelsbeschränkende Maßnahmen, zum Beispiel durch spezielle Vorschriften für importierte Produkte. „Der Unterschied aber ist, dass Trump das vor allem mit Zöllen und sehr viel rabiater macht als seine Vorgänger.“

Doch warum überhaupt? „Trump will die unfairen Handelspraktiken in China angehen.“ Denn möchte sich ein ausländisches Unternehmen in China niederlassen, müsse es eine Kooperation mit einer chinesischen Firma eingehen und das gesamte technologische Know-how dorthin abgeben, so der Wissenschaftler. „Bis das ausländische Unternehmen dann aber am Markt aktiv werden darf, vergehen ein bis zwei Jahre. Und in der Zeit bauen die Chinesen das Produkt dann auf Basis des vorher transferierten Wissens einfach selber nach.“ Genau das prangere Trump an und liege damit auch grundsätzlich richtig. Auch deutsche Unternehmen kritisieren diese Praxis in China. Trump verletze dabei aber die Spielregeln der Weltwirtschaft, nach denen die Länder Handel betreiben – und das mache es so gefährlich, erklärt Rupprecht. „Es gibt drei Schlüsselregeln: das Prinzip der Meistbegünstigung – ein Land senkt Zollsätze entweder für alle Länder oder für gar keins –, die Reziprozität – bekommt ein Land niedrigere Zollsätze, senkt es diese für das andere Land ebenfalls –, und die Streitschlichtung – der Welthandel hat ein internes Streitschlichtungsorgan. Das ist in dieser Form einzigartig auf internationaler Bühne.“

Diese Regeln einzuhalten obliegt der Welthandelsorganisation (WTO). Ihr Ziel: Alle Länder profitieren gleichermaßen vom globalen Handel – was bislang sehr gut funktioniert. Trump aber verstoße gegen die Regeln in dreierlei Weise. „Er nutzt ein Schlupfloch. Ist nämlich die nationale Sicherheit bedroht, darf ein Land Zölle einführen. Diese Sicherheit sieht Trump gefährdet, weil durch China massenhaft Stahl und Aluminium auf den Weltmarkt geschwemmt werden. Außerdem führt er Zölle nur einseitig ein, und er blockiert das Streitschlichtungsorgan. Damit wird dieses Gremium über kurz oder lang handlungsunfähig.“

All das hat wirtschaftliche und politisch-ökonomische Folgen. „Nehmen wir mal an, in den Staaten gibt es ein US-Produkt im Wert von 110 Dollar. Dasselbe aus China importiert kostet 100 Dollar, weshalb es die meisten kaufen. Also führt Trump Zoll in Höhe von 25 Prozent ein und verteuert das Produkt damit auf 125 Dollar – mit der Folge, dass das US-Produkt vermehrt im Einkaufswagen landet. Darauf reagiert China und macht sein Produkt billiger. Es kostet dann mit Zoll eben nur noch 112,5 Dollar.“ Diese Preisreduktion habe Folgen in China, denn es gebe weniger Jobs, Gehälter, Gewinne, die Staatseinnahmen sänken. In den USA gebe es für all das nur einen Weg: nach oben – zumindest kurzfristig, also für ein bis zwei Jahre. „Geht der Handelsstreit langfristig weiter, sieht es in fünf bis zehn Jahren düster aus. Denn dann steigt die Einkommensschere in den USA. Die Produkte werden teurer, Geringverdiener können sich das nicht mehr leisten, Gehälter werden gekürzt, Jobs gestrichen, Gewinne sinken. Und das hat Folgen für die gesamte Welt. Denn unsere Wirtschaft hier in Deutschland setzt auf den Handel, den der US-Präsident boykottiert. Der Handelsstreit bedroht also grundlegend unser Wirtschaftsmodell“, mahnte der VWL-Professor.

Trotzdem spielten viele Länder dieses Spiel mit – und das aus gutem Grund. „Ökonomisch betrachtet ist das sinnvoll, weil sie selbst dann weniger Schaden davontragen. Für die Welt allerdings ist es fatal.“ Denn Entwicklungs- und Schwellenländer würden massiv benachteiligt, was Fluchtursachen wie Armut und Bürgerkriege fördere, anstatt sie zu bekämpfen. Und Rupprecht geht noch weiter: „Unsere Weltordnung rund um Menschenrechte, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft ist nicht nur von außen gefährdet, sondern wird von innen heraus ausgehöhlt.“ Daran ändere sich auch wenig, wenn Trump nicht mehr Präsident ist. „Dafür ist schon vorher zu viel passiert.“ Aber es gebe auch Grund zur Hoffnung: 2020 feiert die UNO ihr 75-jähriges Bestehen mit einer riesigen Konferenz. „Ich bin optimistisch, dass sich spätestens da alle Parteien an einen Tisch setzen und sich endlich verständigen!“

 

Zum Thema: Die weiteren Termine der Ringvorlesung finden Interessierte unter www.fhms.eu/ringvorlesungvwl. Dort ist auch das Formular zur Anmeldung hinterlegt, um die das Organisationsteam bittet. Los geht es immer um 18 Uhr im Fachhochschulzentrum (FHZ), Corrensstraße 25, Hörsaal A004. Die Ringvorlesung „Aktuelles Wirtschaftsgeschehen – verständlich und kompakt“ organisiert die Fachgruppe Volkswirtschaftslehre am Fachbereich Wirtschaft der FH Münster, der Münster School of Business (MSB). Die Hanns Martin Schleyer-Stiftung und die Heinz Nixdorf Stiftung unterstützen die Veranstaltungsreihe finanziell.


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