Nähe und Distanz in der Beratung

Wissenschaftlerin der FH Münster promoviert über Erfolgsfaktoren der Beziehungsgestaltung


Münster (1. April 2020). Vor einem Flipchart zu stehen, um etwas aufzuschreiben, erinnert viele Klientinnen und Klienten in Beratungsgesprächen an unangenehme Schulsituationen. „Sie haben dann das Gefühl, es gebe richtige und falsche Antworten oder Verhaltensweisen“, erläutert Dr. Laura Best. „Diese Schulassoziation wurde relativ häufig genannt und hat mich schon überrascht“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Fachbereich Sozialwesen der FH Münster. In ihrer Doktorarbeit „Nähe und Distanz in der Beratung – Das Erleben der Beziehungsgestaltung aus der Perspektive der Adressaten“ hat sie sechs Beratungsprozesse mit insgesamt mehr als 20 Sitzungen eingehend untersucht.

Und zwar unter Einsatz von Kopfkameras. Alle Gespräche wurden aus der Perspektive beider Beteiligten gefilmt. Bei der Auswertung legte Best den Fokus auf die Perspektive der Klientinnen und Klienten, die sie auf Grundlage ausgewählter Videosequenzen zu jeder Sitzung befragte. „Es gibt tausend Bücher, die Beratern erklären, wie sie vorgehen sollen, aber keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, wie diese empfohlenen Vorgehensweisen eigentlich bei den Adressaten ankommen.“ Diese Forschungslücke hat die 36-Jährige mit ihrer Dissertation nun geschlossen.

Ein weiteres überraschendes Ergebnis war für die Wissenschaftlerin, dass neben der Gestaltung der Sitzung auch das „Drumherum“ von großer Bedeutung sei. „Eine Klientin hat zum Beispiel im Anschluss noch eine Zigarette mit ihrer Beraterin geraucht, und dabei kam ihr eigentliches Kernproblem überhaupt erst zur Sprache“, erklärt Best. Auch die Begrüßung, Verabschiedung sowie die Kommunikation zwischen zwei Sitzungen nehme wesentlichen Einfluss auf die Beziehungsgestaltung.

Ihre Forschungsergebnisse haben sie auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Beraterin, Coach und Supervisorin sensibilisiert: „Ich bin zurückhaltender mit dem Einsatz von Flipcharts und schulassoziierten Medien geworden“, so die Koordinatorin der Beratungs-Mediations-Coaching-Ambulanz der FH Münster. „Außerdem mache ich jetzt häufiger meine Methoden zum Thema und frage meine Klientinnen und Klienten, wie es ihnen damit geht.“ Durch diese „Metaberatung“ komme sie wesentlich schneller in einen intensiveren Kontakt mit den Ratsuchenden. Eine vertrauensvolle Beziehung zu den Klientinnen und Klienten aufzubauen und dabei gleichzeitig ein ausgewogenes Maß an Nähe und Abgrenzung zu finden, sei jedes Mal eine spannende Herausforderung und erfordere ganz individuelle Vorgehensweisen.

Wer an Bests Ergebnissen interessiert ist, kann sie nicht nur in ihrer Dissertation − erschienen im Springer Verlag −nachlesen, sondern auch die Weiterbildung „Beziehung ist die halbe Beratung: Professionelle Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit“ besuchen. Diese bietet die promovierte Therapeutin und Beraterin am Fachbereich Sozialwesen der FH Münster an. Außerdem fließen die Ergebnisse auch in den von ihr gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Barth konzipierten Hochschulzertifikatskurs „Professionelle Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit“ ein, der in diesem Herbst zum ersten Mal an der FH Münster stattfindet.


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