Raum für Inklusion
Anna Hagemann und Jeanne Lengersdorf entwickelten in ihrer Masterarbeit ein pädagogisches Konzept für alle

Anna Hagemann (links) und Jeanne Lengersdorf erhielten für ihre Masterarbeit zur Inklusion an berufsbildenden Schulen den Hochschulpreis der FH Münster. Das Foto wurde vor Corona aufgenommen. (Foto: Marcel Frommer)
Anna Hagemann (links) und Jeanne Lengersdorf erläuterten beim Kolloquium zur Masterarbeit ihr Konzept der Lernlandschaften unter vier Aspekten: der Beziehungsebene, der multiprofessionellen Teamarbeit, dem Ort des Lernens und des individualisierten Lernens. Das Bild wurde vor den Corona-Schutzbestimmungen gemacht. (Foto: Anna Biskupic)
Für das Kolloquium der Masterarbeit inszenierten sie den Ort zum Lernen für alle – eine Leseecke gehörte dazu. Auch dieses Foto ist vor Corona entstanden. (Foto: Anna Biskupic)
Die Masterarbeit erscheint demnächst in der Forschungsreihe der FH Münster am Springerverlag. (Foto: Anna Biskupic)
Münster (9. Juli 2020). Die berufsbildende Schule als Lernort für alle – so wünschen es sich Anna Hagemann und Jeanne Lengersdorf. Ihre Masterarbeit trägt den Titel „Raum für Inklusion – Schule als Lernort für Alle gestalten und nutzen“. Und gewählt ist er mit Bedacht: Ein Raum, das heißt nicht einfach nur, dass es vier Wände gibt, eine Tür, Fenster und Möbel. Wer Raum für Inklusion möchte, will mehr: sich in einer Atmosphäre entfalten können, in der individuelles Lernen möglich wird und Spaß macht. Auch wenn es nicht dudenkonform ist, Alle ist absichtlich großgeschrieben. „Wir meinen wirklich jeden, egal welche Voraussetzungen jemand mitbringt“, sagt Hagemann. Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Jeanne Lengersdorf studierte sie am Institut für Berufliche Lehrerbildung (IBL) des Münster Centrum für Interdisziplinarität (MCI) mit der Fachrichtung Mediendesign und Designtechnik. Inzwischen sind beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am IBL, Lengersdorf promoviert zur Didaktik inklusiven Unterrichts.
Inspirationen für ihre Abschlussarbeit erhielten die beiden in der Hamburger Berufsschule 24. „Sie ist eine Vorreiterschule und damit ein gutes Beispiel, bei dem wir ansetzen konnten – um empirisch zu forschen, qualitative Interviews mit Experten, Lernenden und Lehrenden zu führen und uns Lernformate genauer anzuschauen. Wie ist die Raumnutzung? Wie harmonieren Klassenraum und Lernkultur? Entspricht die Lernlandschaft den Vorstellungen einer inklusiven Didaktik?“, erzählt Hagemann.
Für das Kolloquium der Masterarbeit im letzten Sommersemester inszenierten Hagemann und Lengersdorf dann den Ort zum Lernen für alle, wie sie ihn sich vorstellen: Sie gliederten einen großen Seminarraum auf dem Leonardo-Campus in mehrere Inseln, um die Inhalte ihre Masterarbeit mit unterschiedlichen Zugängen erfahrbar zu machen. Und die Besucherinnen und Besucher schlüpften in die Rolle von Schüler, Lehrern, Sozialarbeiter, Architekten. Sie nutzten die ruhige Leseecke und Sitzgelegenheiten, um sich die Audiodateien der Interviews anzuhören und über einen Beamer gute Beispiele von bestehenden Lernlandschaften anzuschauen. An einer weiteren Station tauschten sie sich über das Raumkonzept und die Printversion der Masterarbeit aus. „In unserer wissenschaftlichen Arbeit geht es um Denken ohne Grenzen“, sagt Lengersdorf. „Um den pädagogischen Wandel, das Inklusionsverständnis, die Raumkomponente – letztendlich um die Notwendigkeit und die Möglichkeit, Barrieren im Kopf und an beruflichen Schulen zu beseitigen.“
„Die Voraussetzungen, die Schülerinnen und Schüler an Berufskollegs mitbringen“, erzählt Prof. Dr. Ursula Bylinski vom IBL, die die Abschlussarbeit gemeinsam mit Prof. Claudia Grönebaum vom Fachbereich Design betreut hat, „sind nämlich sehr verschieden: unterschiedliche Lernausgangslagen, Beeinträchtigungen, schulische Misserfolgserlebnisse und vieles andere mehr. Da gilt es, ihnen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen – und Lernlandschaften liefern positive Lernerfahrungen. Wir schauen auf die Potenziale, nicht auf die Defizite.“ Dieser Ansatz bildet auch das Herzstück der Masterarbeit: das Buch „Raum für Inklusion“. Es erscheint demnächst in der Forschungsreihe der FH Münster am Springerverlag. Man kann es als Handbuch für das große Thema Inklusion an beruflichen Schulen lesen – oder aber auch „nur“ Anregungen für kleine Schritte daraus ziehen. Weil auch sie am Ende zählen.
Zum Thema: Gerade einmal ein Prozent aller Absolventinnen und Absolventen eines Jahrgangs erhält ihn: den Hochschulpreis. Jedes Jahr kürt das Präsidium gemeinsam mit der Gesellschaft der Freunde der FH Münster e. V. (gdf) auf Vorschlag der Fachbereiche und der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung die besten Abschlussarbeiten. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern des Hochschulpreises 2020 für die besten Arbeiten aus 2019 gehören auch Anna Hagemann (links) und Jeanne Lengersdorf vom IBL. Eine vollständige Übersicht aller gewürdigten Absolventinnen und Absolventen ist im Jahresbericht 2019 ab Seite 46 abrufbar: fhms.eu/jahresbericht-19.