„Schulden sind nicht per se schlecht“

Prof. Dr. Manuel Rupprecht informierte in der Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Aktuelles Wirtschaftsgeschehen“ über die Situation der Staatsfinanzen in der Coronakrise


Münster (20. Mai 2021). „Mögen Sie Herbert Grönemeyer?“, fragte Prof. Dr. Manuel Rupprecht und startete damit die Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Aktuelles Wirtschaftsgeschehen – verständlich und kompakt“ am Mittwochabend (19. Mai). Was hat diese Frage mit seinem Online-Vortrag unter dem Motto „Wer soll das bezahlen? Zur Situation der Staatsfinanzen nach der Pandemie“ zu tun, wunderten sich einige Interessierte. Die Auflösung folgte prompt: Der Musiker hatte in einem Interview gefordert, dass Millionär*innen mittels Sonderabgaben besteuert werden sollen, um die Staatsschulden zu senken. Ob das die richtige Wahl zur Verringerung des Schuldenbergs sei, fragte der VWL-Professor vom Fachbereich Wirtschaft der FH Münster, der Münster School of Business (MSB), sein Publikum durch die Kamera und führte anschließend rund eine Stunde lang verständlich durch das Thema. 320 Interessierte folgten seinem Vortrag am heimischem Computer.

Etwa 450 Milliarden Euro neue Schulden hat Deutschland inzwischen eingeplant, um die Coronakrise finanziell zu bewältigen – unter anderem für Kurzarbeitergeld, Zuschüsse und Notkredite für Firmen. Aber wo endet das alles und wer soll das zurückbezahlen? Um diese Fragen zu beantworten lieferte Rupprecht zunächst eine Erklärung dafür, warum Staaten aus finanzpolitischer Sicht überhaupt Schulden machen und warum diese auch positiv sein können. So kann ein Staat mithilfe von Schulden beispielsweise die Konjunktur stabilisieren, Investitionen in Forschung, Infrastruktur und technologischen Fortschritt fördern oder auch in Krisensituationen, wie in der aktuellen Pandemie, ökonomisch handlungsfähig bleiben. „Schulden sind somit nicht per se schlecht, wenn sie langfristig mit einem Nutzen verbunden sind und auch zukünftige Generationen davon profitieren“, so Rupprecht.

Politiker*innen neigen allerdings dazu eher Schulden auf- statt abzubauen, um kurzfristige Ziele während ihrer zeitlich begrenzten Amtsperiode zu erreichen. An dem Punkt sieht der Experte eine Gefahr der Übernutzung von Schulden, wodurch ein Land keinen Wohlstand aufbauen könne. „Schulden bergen das Risiko eines Wohlstandsverlusts der Bürger*innen und somit eines ganzen Landes. Eben dafür gibt es Regeln zur Begrenzung der Schulden“, erklärte der Finanzexperte weiter. Denn: Steigen die Schulden und damit die Zinsen, investieren Unternehmen weniger in Projekte und Technik. In Folge dessen kann das Wirtschaftswachstum zurückgehen, wodurch weniger Steuern generiert werden, die den Schuldenberg verkleinern. „Es ist ein Teufelskreis, aus dem manche Länder nur den Ausweg einer Staatspleite sehen.“ Zum Glück komme dies in westlichen Ländern nicht allzu häufig vor, aber auch Deutschland war seit 1800 bereits sieben Mal bankrott. Ein Ergebnis, das die Zuschauer*innen nicht getippt hätten.

Wie soll aber nun mit den Schulden umgegangen werden und wie kann es weitergehen? Rupprecht zog ein eindeutiges Fazit: grünes Wachstum fördern und Ausgaben kürzen. „Kurzfristig sind Schulden unproblematisch und im Falle der Coronakrise meiner Meinung nach auch sinnvoll, da es der deutschen Wirtschaft ohne die staatlichen Unterstützungen langfristig viel schlimmer gehen würde.“ Viele Maßnahmen, wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld, seien nur vorübergehend, wodurch Ausgaben automatisch wieder sinken werden. Deutschland komme es zudem zugute, dass die staatliche Schuldenquote vor Corona relativ niedrig war. Auch die bisher niedrigen Zinsen spielen dabei eine große Rolle. „Einige Finanzexpert*innen prognostizieren allerdings eine Erhöhung der Zinsen im Laufe der 2020er Jahre, wodurch eine Schuldentilgung erschwert wird – vor allem, wenn gleichzeitig das Wirtschaftswachstum sinkt.“ Die kommenden Jahre werden laut Rupprecht eine Herausforderung, die die Bürger*innen und Wähler*innen gestalten müssen – unter anderem an der Wahlurne bei den kommenden Bundestagswahlen.

Wer neugierig auf die Ringvorlesung „Aktuelles Wirtschaftsgeschehen – verständlich und kompakt“ geworden ist, kann am Mittwoch (26. Mai) die nächste Veranstaltung der siebenteiligen Reihe besuchen. Dann spricht Prof. Dr. Oliver Lerbs von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung über „10 Jahre Wohnungsboom – Markt außer Kontrolle?“. Der Online-Vortrag startet um 18 Uhr, die Teilnahme ist kostenlos. Wer dabei sein will, muss sich vorab unter fhms.eu/ringvorlesung anmelden und bekommt dann den Link zur Veranstaltung per E-Mail zugeschickt. Auf der Seite sind auch alle weiteren Termine der Reihe, die am 30. Juni endet, hinterlegt. Die Hanns Martin Schleyer-Stiftung und die Heinz Nixdorf Stiftung unterstützen finanziell.


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