Eine Bibliothek für Saatgut

Architekturabsolvent der FH Münster erhält Anerkennung der Stiftung Deutscher Architekten


Münster (31. Mai 2021). Wer ein Buch lesen will, kauft eins oder leiht es aus, zum Beispiel in der Bibliothek. Henry Kirchberger, Architekturabsolvent der FH Münster, hat in seiner Masterarbeit eine entworfen – allerdings nicht für Bücher, sondern für Saatgut. Dafür erhielt der 26-Jährige jetzt eine mit 750 Euro dotierte Anerkennung der Stiftung Deutscher Architekten.

„Über 75 Prozent der Kultursorten sind im letzten Jahrhundert verschwunden, und die Diversität geht verloren“, sagt Kirchberger, der am Fachbereich Architektur, der Münster School of Architecture (MSA), ein Masterstudium absolviert hat. Die genetische Vielfalt sei aber für die Anpassung an den Klimawandel wichtig. Saatgut werde zwar zunehmend in speziellen Archiven eingelagert, er wolle aber einen Schritt weitergehen. „In Indien zum Beispiel gibt es dank der NGO ‚Navdanya‘, gegründet von Vandana Shiva, die Idee einer Saatgutbibliothek schon länger. Dieses Vorreiterprojekt habe ich auf Deutschland übertragen.“ Genauer gesagt: auf den Tagebau Hambach. „Ich mag den Gegensatz: Im Tagebau wird endlicher Rohstoff entnommen. Das ersetze ich durch unendlichen Rohstoff wie Saatgut.“

Das Prinzip der Bibliothek ist denkbar einfach: Jemand hat Interesse an Saatgut und möchte es ausleihen, er oder sie geht in die Bibliothek und leiht sich die gewünschte Menge aus – ist aber verpflichtet, innerhalb eines Anbauzyklus‘ die gleiche Menge an Saatgut zurückzubringen. „Wenn man Saatgut säht, trägt die Pflanze neue Saatkörner. Es findet also direkt vor Ort eine Vermehrung statt. Und was zusätzlich entsteht, darf behalten werden.“ Dabei steht Regionalität im Mittelpunkt: Es geht vor allem um heimische Obst- und Gemüsesorten, die einen direkten Nahrungsnutzen bieten.

„Saatgutbibliothek +“ hat Kirchberger seinen Entwurf genannt – und das Pluszeichen dabei mit Bedacht gewählt. „Es ist nicht nur eine Bibliothek, sondern gleichzeitig auch ein Museum mit Ausstellungen. Außerdem gibt es öffentlich zugängliche Forschungsabteilungen.“ Ob sein Konzept irgendwann tatsächlich mal umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. „Das wäre natürlich toll, grundsätzlich geht es mir aber darum, ein sehr aktuelles Thema noch mehr in den Fokus zu rücken.“

Sein Professor Manuel Thesing hatte eine Empfehlung geschrieben, damit Kirchberger seine Arbeit bei der Stiftung Deutscher Architekten einreichen konnte. Mit dem Preisgeld möchte sich der Nachwuchsarchitekt einen Herzenswunsch erfüllen – und endlich jene Orte und Gebäude leibhaftig besuchen, die er sonst nur aus seinen Vorlesungen kennt.


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