Kräftewirkung im Tunnelbau

Dr. Ansgar Korte untersucht in seiner Promotion an der FH Münster Reibungskräfte in den Fugen bei Fertigteilsegmenten aus Beton


Münster (22. September 2021). Beim Bau eines Tunnels sind enorme Kräfte am Werk. So fräsen sich zum Beispiel schwere Vortriebsmaschinen unter dem Druck der Vortriebspressen durch das Erdreich. Zeitgleich wird von dieser Maschine die Tunnelschale aus Betonfertigteilen, die sogenannten Tübbings, eingebracht. Dabei werden mehrere Tübbingsegmente zu einem geschlossenen Ring zusammengesetzt. Viele Ringe hintereinander ergeben schließlich die Tunnelröhre. Zwischen den Segmenten entstehen dadurch Längs- und Ringfugen. Letztere hat Dr. Ansgar Korte am Fachbereich Bauingenieurwesen (BAU) der FH Münster genauer untersucht – in seiner Dissertation zum Thema „Aktivierung einer Reibungskoppel in der Ringfuge von Tunneln mit Tübbingauskleidung“.

Die einzelnen Ringe können sich durch vielfältige Einflüsse wie zum Beispiel durch Abtriebskräfte der Vortriebsmaschine bei Kurvenfahrten oder nicht gleichmäßigen Setzungen im Erdreich unterschiedlich verformen. „Größere Verformungen zwischen den einzelnen Ringen sind dabei unbedingt zu verhindern, da sonst der Tunnel nicht mehr dicht wäre“, erklärt Korte. Um das zu unterbinden, gibt es zum Beispiel die sogenannte Topf-Nocke-Konstruktion. „Nocken sind herausstehende Erhebungen, die perfekt zum Gegenstück, der Topfkonstruktion, passen. Dadurch greifen die einzelnen Ringe ineinander und können so Scherkräfte aufnehmen, welche sonst zu den beschriebenen Verformungen der Tunnelröhre führen würden.“ Es gibt dabei nur ein Problem: Sind die Scherkräfte zu groß, versagt die Konstruktion. Nicht selten entstehen dabei Schäden an der Tunnelschale, welche nur mit großem Aufwand saniert werden können. „Dieses Phänomen habe ich mir genauer angeschaut und ein Verfahren untersucht, bei dem die Scherkräfte weniger über eine starre Kopplung, wie es bei der Topf-Nocke-Konstruktion der Fall ist, sondern eher über Reibung beziehungsweise einer wesentlich feingliedrigeren Verzahnung aufgenommen werden.“

Zur weiteren Optimierung untersuchte Korte verschiedene Oberflächenprofilierungen. Sein Ziel: höhere Scherwiderstände. „Ich habe unter anderem formschlüssige, wellenförmige Profile sowie nicht formschlüssige, aufgeraute Oberflächen – zum Beispiel in Gestalt kleiner Pyramidenspitzen oder einer besandeten Oberfläche – hergestellt und den Scherwiderstand in einer Vielzahl an Scherversuchen ermittelt.“ Das Ergebnis: Vor allem die formschlüssigen, wellenförmigen Profile verspannten sich während des Versuchs. „Die Normalkraft in der Scherfuge ist hier deutlich erhöht, wodurch das Wellenprofil einen großen Vorteil im Vergleich zu anderen Profilen hat.“ Bei den nicht formschlüssigen Profilierungen, sinkt die Normalkraft und die zu Beginn des Versuchs aufgebrachte Einspannung reduziert sich. Ob sich das Wellenprofil durchsetzt, sei aber fraglich, so Korte. „Es ist eine völlig neue Konstruktion, und um das mit Sicherheit sagen zu können, sind viele weitere Untersuchungen erforderlich.“

Bezüglich der nicht formschlüssigen Profilierungen hat Korte deshalb einen weiteren Ansatz verfolgt: Er bringt im Vergleich zu Beton weichere Zwischenlagen ein, um darüber die Normalkraft abzuleiten. „Die Zwischenlage schützt die Profilierung, wodurch die Einspannung besser erhalten bleibt und dadurch auch zu höheren Scherwiderständen führt.“ Getestet hat er das mit verschiedenen Materialien, wie Blei, Aluminium oder Elastomeren. Auch die in der Praxis bereits verwendeten Hartfaserplatten – hier jedoch mit einer glatten, ebenen Betonoberfläche – wurden mit den neuartigen Profilierungen untersucht. Die erreichten Widerstände waren deutlich geringer als bei den Wellenprofilen, jedoch konnte eine deutliche Steigerung im Vergleich zur bisher in der Praxis bereits verwendeten Variante (glatte Betonoberfläche mit Hartfaserplatte) erreicht werden.

Der wesentliche Faktor für die Größe des erreichbaren Reibungswiderstandes ist aber die in der Scherfuge wirkende Einspannkraft, welche in der Realität durch die im Bauzustand eingeleiteten Pressenkräfte der Vortriebsmaschine in die bereits hergestellte Tunnelröhre erreicht wird. Dieser zusammengepresste Zustand der Tunnelröhre wird sich durch Langzeiteinflüsse aus Kriechen und Schwinden des Betons, Temperaturverformungen etc. verändern und zu einer Abnahme der anfänglichen Einspannung führen. Um wieviel sich diese verringert, ist bisher nicht ausreichend erforscht. Um hier weitere Erkenntnisse zu erlangen, führte Korte einen Großversuch an längsverspannten Originaltübbings durch. So konnte er zeigen, dass mit einer Vorspannung der Tübbings mittels Spannglieder ein Normalkraftabfall nach vier Jahren von etwa 17 Prozent vorhanden ist und auf einer Tunnellebensdauer von 100 Jahren ein Abfall von etwa 24 Prozent zu erwarten ist.

Vier Jahre lang hat Korte an seinem Versuchsstand gearbeitet, parallel dazu arbeitet er seit 2018 als Tragwerksplaner im Bereich Brückenbau in Niedersachsen. Betreuer seiner kooperativen Promotion war Prof. Dr. Dietmar Mähner.


Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Seite drucken