Eine Notoperation gleich am ersten Tag – barfuß und in kurzen Hosen

Prof. Dr. Joachim Gardemann kehrte von seinem Einsatz in Haiti zurück


Prof. Dr. Joachim Gardemann mit einem Baby
Prof. Dr. Joachim Gardemann hält ein Baby in Armen, das mit starker Unterernährung ins Feldhospital eingeliefert wurde.
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Münster (24. Januar 2010). „Nur in Ruanda war es schwieriger", erklärte Prof. Dr. Joachim Gardemann. Sowohl medizinisch als auch technisch, aber auch emotional. Die Bilder, die er von seinem vierwöchigen Einsatz in Haiti mitbrachte, sind auch in seinem Kopf. „Es gehört zu meiner Aufgabe, damit fertig zu werden und auf mich selbst aufzupassen, sonst kann ich nicht helfen."

Dass ihm das gelingt, hat der Hochschullehrer und Leiter des Zentrums Humanitäre Hilfe an der Fachhochschule Münster seit 1994  in nunmehr acht Auslandseinsätzen unter Beweis gestellt. Am vergangenen Wochenende ist der 55-jährige Mediziner aus Haiti zurückgekehrt, wo er in Carrefour das mobile Hospital des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) leitete.

Der Einsatz gleich nach Ankunft im Katastrophengebiet begann dramatisch: Noch ehe alle Kartons ausgepackt waren, brachte ein Krankenwagen die Opfer einer Schießerei. Da standen gerade einmal zwei Zelte vom Feldlazarett, das in den folgenden Tagen im Fußballstadion aufgebaut werden sollte. „Wir haben schnell die OP-Untensilien aus den Kisten gezerrt und operiert - in kurzen Hosen und barfuß."

„Es gibt keine Hitliste des Leids", beschreibt Gardemann den ethischen Grundsatz, nicht zu unterscheiden zwischen Opfer und Täter, nicht zu fragen nach der Schuld und der Größe des Leids. Bis zu 350 Menschen versorgte das medizinische Team täglich ambulant. Viele davon waren Erdbebenopfer, etliche aber auch Verletzte aus Verkehrsunfällen, Patienten mit Blinddarmentzündungen und Kranke, die eine routinemäßige Operation benötigten. 61 Geburten hat der Kinderarzt gezählt. „Wir waren rund um die Uhr im Einsatz, es gab keine Ruhe, aber jede zweite Nacht immerhin war dienstfrei."

Dass es technisch und medizinisch die größte Herausforderung war, die das DRK jemals zu bewältigen hatte, machte Dr. Jörg Twenhöven deutlich. Das Erdbeben habe eben eines der ärmsten Länder der Welt heimgesucht. „Unterernährung und eine fehlende Gesundheitsfürsorge erschwerten die Versorgung der Erdbebenopfer zusätzlich", so der Präsident des DRK-Landesverbandes. Die wenigen, deren Behausung noch steht, haben Angst, dort zu übernachten.

„Von unseren Patienten lebten 2 Prozent in Häusern, 20 Prozent in Zelten, 78 Prozent im Freien", ergänzte Gardemann. „Und daran hat sich bis zum Tag unseres Abflugs nichts geändert." Umso nötiger sei es, den Menschen in Haiti über die momentane medizinische Hilfe hinaus Hoffnung zu geben, Solidarität zu zeigen und nachhaltig Hilfe zu leisten.




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