Münster, 17. März 2020 | Das Team vom Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe sucht Studierende, die helfen können. Prof. Dr. Joachim Gardemann erklärt im Interview, was jeder Einzelne tun kann.


Helfer gesucht

Sie studieren an der FH Münster, sind nicht in Quarantäne oder erkrankt und möchten Ihren Mitmenschen helfen? Das finden wir toll! Melden Sie sich gern beim Team unseres Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe über das Anmeldeformular.

Dort bündelt man die Anfragen und verteilt sie an entsprechende Stellen. Oder beteiligen Sie sich an #Nachbarschaftschallenge und schließen sich einer der vielen Initiativen an, die jetzt Einkaufs- oder Kinderbetreuungshilfen anbieten. Wir bedanken uns für Ihren Einsatz. Bleiben Sie gesund.

Prof. Dr. Joachim Gardemann (l.), Petra Seyfferth und Dr. Jan Makurat vom Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe der FH Münster suchen Studierende als Helfer.
Prof. Dr. Joachim Gardemann (l.), Petra Seyfferth und Dr. Jan Makurat vom Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe der FH Münster suchen Studierende als Helfer. (Foto: FH Münster/OEF)

 

Prof. Dr. Joachim Gardemann: "Zeigen Sie Solidarität und Mitmenschlichkeit."

An unserer Hochschule ist der Präsenz-Lehrbetrieb eingestellt und schriftliche Prüfungen sind abgesagt. In NRW schließen Fitnessstudios und Schwimmbäder, Museen, Kinos, Bars und Diskotheken. Das Coronavirus dominiert unser Leben. Was jeder Einzelne tun kann, darüber sprechen wir mit Prof. Dr. Joachim Gardemann, Leiter unseres Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe.

 

Herr Prof. Gardemann, das gesellschaftliche Leben kommt zum Stillstand, und viele empfinden ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Was kann man dagegen tun?

Es stimmt, dieses Gefühl des ohnmächtigen Ausgeliefertseins gibt es tatsächlich. Das zeigen die Erfahrungen aus allen Krisen und Katastrophen der Vergangenheit. In solchen Fällen denken Menschen oft, dass sie nichts tun können als abzuwarten. So ganz stimmt das aber nicht. Denn anstatt dauernd auf unsere Bildschirme und die steigenden Fallzahlen zu starren, sollten wir uns im Rahmen unserer Fähigkeiten und Möglichkeiten für unsere leidenden und bedrängten Mitmenschen einsetzen.

 

Wie könnte das konkret aussehen?

Momentan ist vor allem Nachbarschaftshilfe gefragt. Zeigen Sie Solidarität und Mitmenschlichkeit. Gerade die Menschen in der häuslichen Absonderung freuen sich über einen Anruf, ein Skype-Gespräch oder ein Paket mit Dingen des täglichen Bedarfs, das Sie vor die Tür stellen. Durch solches Handeln kann jeder die Betreuungsdienste der Hilfsorganisationen entlasten, die dadurch andere, drängende Aufgaben übernehmen. Besonders gefordert sind aber auch Bildungseinrichtungen, wie zum Beispiel unsere Hochschule.

 

Inwiefern?

Wir müssen angesichts der gegenwärtigen Gefahr handeln und unseren Sachverstand der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Ob es dabei um Fragen der psychosozialen oder pflegerischen Betreuung abgesonderter Personengruppen, um ihre hauswirtschaftliche Versorgung geht, um die Gestaltung von Informationsmaterial oder die materialtechnische Untersuchung zur möglichen Wiederverwendbarkeit von Schutzausrüstung: Jeder Fachbereich und jeder einzelne Hochschulangehörige kann einen wertvollen Beitrag liefern.

 

Das geht ja auch im Privaten, zum Beispiel durch Zurückhaltung beim Einkaufen.

Absolut! Natürlich ist es immer sinnvoll, ein paar Grundnahrungsmittel auf Vorrat zu Hause zu haben. Aber derzeit besteht überhaupt keine Veranlassung für panische Hamsterkäufe. Diese sehe ich ohnehin eher als verzweifelte Versuche der Angstbewältigung an. Es geht aber nicht nur um das Einkaufen. Solidarität bedeutet auch: Schutz Betroffener vor Ausgrenzung und Stigmatisierung. Im Sinne des humanitären Prinzips der Unparteilichkeit muss unsere Fürsorge jedem Menschen alleine nach dem Maß der Not gelten und ungeachtet der Tatsache, wie diese Not entstanden ist. Wir müssen uns mit all unseren Mitteln dagegenstemmen, dass Kontaktpersonen, Bewohner der Risikogebiete oder Erkrankte sich Vorwürfen wegen ihrer Herkunft oder Reisetätigkeit ausgesetzt sehen. Jeder infizierte oder erkrankte Mitmensch verdient unsere uneingeschränkte Solidarität und Fürsorge.

 

Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist bei weitem nicht so ansteckend wie die Masern und bei weitem nicht so gefährlich wie Ebola. Schutz ist trotzdem wichtig. Wie gelingt dieser am besten?

Gegen eine Tröpfcheninfektion wie bei SARS-CoV-2 kann man sich durch die Einhaltung basaler Hygieneregeln sehr gut schützen. Ganz anders wäre die Situation bei einer fliegenden Infektion wie Masern oder Windpocken, wo nur ein völlig luftdichter Kunststoffanzug mit integrierter Atemluftzufuhr Sicherheit bieten würde. Die bisher bekannte Sterblichkeitsrate von SARS-CoV-2 führt natürlich angesichts der hohen Infektionsrate zu zahlreichen schwierigen Verläufen, liegt aber ganz deutlich unter der Letalitätsrate anderer viraler Erkrankungen wie zum Beispiel Ebola. Unsere alltägliche Lebensgestaltung eröffnet uns vielfältige Möglichkeiten der Infektionsverhütung, daher sind wir dieser Krankheit nicht schutzlos und bei Ansteckung auch nicht hoffnungslos ausgeliefert.

 

Fast schon hoffnungslos erscheint aber die Lage, wenn das gesellschaftliche Leben so stark eingeschränkt wird, wie das aktuell der Fall ist.

Diesen Eindruck könnte man gewinnen. Aber tatsächlich erzeugen die verordneten Maßnahmen zur Infektionseindämmung - die aus meiner Sicht übrigens richtig und wichtig sind - nicht nur gesellschaftliche Probleme. Sondern sie setzen auch große gesellschaftliche Kräfte frei. Die weitgehende Einschränkung des Kita- und Schulbetriebes entbindet eine sehr große Zahl pädagogisch geschulter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihren täglichen Aufgaben. Dadurch ist es möglich, diesen Sachverstand in der Betreuung und pädagogischen Fürsorge Betroffener und Abgesonderter sinnstiftend einzubringen. Ebenso befreit die Verlegung des Vorlesungsbetriebes die Studierenden der Medizin und der Pflege- und Gesundheitsberufe von ihren Pflichtveranstaltungen. Sie sind dadurch wertvolle Reserve von gesundheitlichem Assistenzpersonal - zum Beispiel für die Krankenhäuser und die Organisationen der Daseinssicherung. Ebenso können jetzt die für den Lehrbetrieb angeschafften Beatmungseinrichtungen an Hoch- und Rettungsschulen zentral erfasst und den Kliniken für Zeiten der Maximalauslastung zur Verfügung gestellt werden.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Seite drucken