(20. Juni 2018). Für Stunden bleibt der Strom aus, Wasser fließt sehr unregelmäßig aus der Leitung. Immer wieder kommt es zu politischen Unruhen. Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, auch wenn die Wirtschaft seit einigen Jahren wächst.

Eine 22-jährige Oecotrophologie-Studentin aus Münster ist in das ostafrikanische Land geflogen. Zwei Monate war Hayat Mohamed dort, in den Semesterferien, ehrenamtlich und freiwillig über AIESEC. Die internationale Studentenorganisation will jungen Menschen ermöglichen, sich weltweit einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Das Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe hat den Aufenthalt unterstützt.


Frau Mohamed, warum haben Sie sich für Äthiopien entschieden?

Meine Eltern kommen ursprünglich aus dem benachbarten Land Eritrea, welches bis 1993 eine Provinz innerhalb Äthiopiens war. Beide Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte und Kultur, doch bis heute stehen die nun unabhängigen Länder im ständigen Grenzkonflikt.

Bei dem Volunteer-Programm von AIESEC geht es darum, dass Studenten sich international in die Gesellschaft einbringen, Verantwortung übernehmen und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Gedanken habe ich versucht damit zu verbinden, erstmals das Heimatland meiner Eltern kennenzulernen.

AIESEC ist nicht in Eritrea tätig. In Äthiopien habe ich dennoch die Chance gesehen, deutlich zu machen, dass es wichtig ist, über politische Grenzen hinwegzusehen, wenn es um die Hilfe und Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen geht.


Sie studieren Oecotrophologie. Hatte Ihr Projekt damit zu tun?

Die ursprüngliche Idee war, Kinder und Jugendliche in einer staatlichen Schule zum Thema gesunde Ernährung zu unterrichten. Was ich aber nicht bedacht hatte: Vor allem die ärmere Bevölkerung geht in staatliche Schulen. Dort sind Kinder, die nicht genug zu essen zu haben. Da wäre es sinnlos gewesen, ihnen beizubringen, ernährt euch gesund, wenn die Nahrung nicht da ist. In Deutschland hatte ich schon viel für den Unterricht vorbereitet.

Ich musste also meine Aufgabe neu finden. Mir war klar, dass ich etwas machen wollte, das nachhaltig ist, das nach mir fortgeführt wird. Ich habe dann geschaut, wie die Organisation aufgebaut ist und was man verbessern kann. Ich habe Strukturen neu aufgebaut, mir Gedanken über die Kommunikation gemacht, Veranstaltungen geplant und mit den Mitarbeitern umgesetzt. Das alles haben sie beibehalten und fortgeführt. Ich bin noch in Kontakt mit der Organisation, ich werde immer noch um Rat gefragt.

Ich wollte aber nicht nur im Büro sitzen, ich wollte mit den Kindern arbeiten und habe dann doch noch unterrichtet: über Hygiene und andere wichtige alltägliche Fragen. Ich habe ihnen beigebracht, warum es wichtig ist, sich die Hände mit Seife zu waschen. Manche Kinder hatten sich noch nie die Hände mit Seife gewaschen. Einige haben danach eine Weile ganz fasziniert an ihren Händen gerochen.


Sie sind in Münster geboren, Ihre Eltern stammen aus Äthiopiens Nachbarland Eritrea. Welche Erfahrungen hat das in Äthiopien mit sich gebracht?

Wir Menschen neigen ja oft dazu, die Herkunft und Identität über das Aussehen zu bestimmen. Dies brachte mir eine ganze Reihe interessanter Erfahrungen, die Herkunftsfrage mal aus einer anderen Perspektive zu erleben. Während ich als gebürtige Deutsche noch regelmäßig "Sie sprechen aber gut deutsch" zu hören bekomme, machte ich in Äthiopien gegenteilige Erfahrungen.

Die Einheimischen haben mich aufgrund meines Aussehens für eine Äthiopierin gehalten und mir nicht glauben wollen, dass ich sie nicht verstehe. Wie zum Beispiel während einer Fahrt mit dem Bus, als ein älterer Herr einen Sitzplatz weiter freundlich den Blick zu mir wandte und anfing ausgiebig zu erzählen, vermutlich stellte er mir auch eine Frage. Daraufhin schaute ich ihn nur verdutzt an und versuchte ihm mit den Händen zu erklären, dass ich ihn nicht verstehe. Sein Blick verfinsterte sich, er fing an, laut durch den ganzen Bus zu schimpfen. Er muss gedacht haben, dass ich mir einen Scherz mit ihm erlaubt habe.

In Deutschland falle ich äußerlich auf, spreche aber die Sprache und fühle mich heimisch. In Äthiopien falle ich zwar nicht auf, gehöre scheinbar dazu, bin aber dennoch eine Fremde dort. Das ist schon eine besondere Herausforderung.


Was nehmen Sie aus diesen zwei Monaten für sich selbst und Ihr Studium mit?

Ich wollte mal was ganz anderes sehen, raus aus meinem Alltag. Sich neuen Herausforderungen stellen und das alles in einer Umgebung, wo Freunde und Familie weit weg sind. Das hat mir noch mal einen ganz anderen Blickwinkel auf mich selbst ermöglicht.

Dabei habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich habe meine Kenntnisse und persönlichen Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen erweitern können. Als Teamleiterin war es zum Beispiel wichtig, eine Gruppe strukturiert anzuleiten, sich durchzusetzen und ein klares Ziel zu verfolgen.

Auch in meinem Nebenjob helfen mir diese Erfahrungen. In der Kundenkommunikation muss man selbstbewusst auf Menschen zugehen, offen und redegewandt sein. Das habe ich in diesen zwei Monaten intensiv gemacht.

Aus der Ferne habe ich vieles in Deutschland zu schätzen gelernt. Gewisse Standards, die wir hier in Europa haben, sind woanders einfach nicht selbstverständlich. Ich habe erlebt: Es geht, ich kann auch unter schwierigen Bedingungen meinen Weg finden. Das hat mich sicherlich selbstbewusster gemacht. Diese Erfahrungen sind auch für mein Studium nützlich. Ich habe viel aus diesen zwei Monaten mitgenommen.

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