"Auf dem Engineering Campus - etwas abseits vom Hauptcampus der Uni - war ich ein richtiger Exot und wurde die ersten Wochen echt angestarrt. Aber durch die Neugier und Offenheit der Inder war es kein Problem, Kontakte zu knüpfen und Einheimische kennenzulernen", so Tobias. Als einziger Austauschstudent machte er schnell die Bekanntschaft mit seinem Kommilitonen Joel, der ihm die do's und don'ts der indischen Kultur näherbrachte. Wie spreche ich einen Kellner im Restaurant an, ohne unhöflich zu wirken, oder wie verhält man sich gegenüber indischen Frauen? Fettnäpfchen, in die er anfangs noch getreten ist, hat er dadurch schnell zu meiden gelernt. Und er lernte viele Unterschiede zur deutschen Kultur kennen: "Die indischen Studierenden werden dort finanziell komplett von ihren Eltern unterstützt. Nebenher zu arbeiten gilt als verpönt, als könne sich die Familie nichts leisten."

Eintauchen in eine neue Kultur

Die ersten Wochen waren ein ziemlicher Kulturschock: "In der Stadt herrscht wahnsinnig viel Verkehr. Autos, Roller und Tuk Tuks fahren kreuz und quer durch die Straßen und hupen um die Wette, und mittendrin lauter Kühe!", erzählt Tobias. "Zudem liegt viel Müll auf den Straßen und der Verkehr hinterlässt viele Abgase. Das hat mich am Anfang schon ein wenig überfordert." Mit der Zeit gewöhne man sich aber daran, auch an den Akzent, den Inder häufig haben, wenn sie Englisch sprechen: "Am Anfang habe ich kaum ein Wort verstanden!"

Anders als seine einheimischen Kommilitonen wohnte Tobias in einer eigenen komfortablen Wohnung direkt auf dem Campus: "Diese stellt die Universität ausländischen Gästen zur Verfügung, um ihnen bei den Gewohnheiten im Hygiene- und Sanitärbereich entgegenzukommen." So durfte er sich über eine Dusche freuen, während die Inder zur Durchführung ihrer täglichen Hygiene das Wasser normalerweise aus einem Eimer schöpfen. Die Sperrstunde gilt allerdings für alle Studierenden und Beschäftigten: Nach 21.30 Uhr darf man den Campus nicht mehr verlassen - und wurde auch nicht mehr hereingelassen, sollte man sich verspäten. Täglich aß er auswärts auf dem Campus oder in naheliegenden Restaurants, nur das Frühstück bereitete er sich selbst zu: "Für ein bis zwei Euro bekommt man dort schon eine Hauptmahlzeit. Kochen wäre viel teurer gewesen!" Nur an die Schärfe musste er sich gewöhnen: "Am Anfang kamen mir noch bei jeden Essen die Tränen! Die Inder würzen jedes Essen mit Chili und Curry - sogar bei Pizza Hut landen landestypische Gewürze auf einer Margherita!" Das erste, was er nach seiner Rückkehr gegessen hat? "Schweinebraten mit Knödeln von meiner Mama!", so Tobias zwinkernd.

Unter der Woche am Campus, auf Reisen am Wochenende

Beim Studium vor Ort sind Tobias viele Parallelen zum Schulsystem aufgefallen: täglicher Unterricht von morgens bis zum späten Nachmittag, ein Professor, der frontal doziert, und rund 30 Studierende, die sich währenddessen Notizen machen. In mehreren Klausuren und Tests wird der Wissensstand abgefragt: "Meist waren es weniger, dafür aber offen gestellte Fragen, in denen man sein gesamtes Know-how zum Thema runterschrieb. Ich habe dort regelmäßig mehr Seiten verfasst als in meiner Deutsch-LK-Klausur", erzählt Tobias lachend. An den Wochenenden nutzte er die freie Zeit, um durch Südindien zu reisen, allein oder mit Austauschstudierenden vom Hauptcampus, die er vor Ort kennengelernt hat. "Wenn man schmerzfrei ist, kommt man bereits für wenige Euro pro Nacht unter! Auch das Reisen mit Zügen oder Flugzeugen hat gut geklappt und ist für Europäer auch echt erschwinglich."

Für sein Auslandssemester wählte Tobias bewusst Indien und nicht etwa die USA oder Kanada: "Ich suchte ein englischsprachiges Land, wollte mich aber selbst herausfordern und mal etwas ganz anderes erleben!" Studierenden, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, nach Indien zu gehen, rät er, offen zu sein, sich auch mal anpassen zu können und keine westlichen Standards zu erwarten, was beispielsweise die Hygiene betrifft. Am meisten beeindruckt während seines Aufenthalts hat ihn die Gastfreundschaft der Inder: "Ich bin schon viel gereist, habe aber noch nie ein derart gastfreundliches Land erlebt." Zurück in Deutschland genießt er vor allem seine Selbstständigkeit: "In Indien werden viele Entscheidungen von den Eltern getroffen, was beispielsweise die Studien- oder Partnerwahl betrifft. Da lernt man echt zu schätzen, dass die Meisten hier ihre Entscheidungen weitestgehend frei treffen und ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten können."

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