Alejandro Vargas Creanga hat an der FH Münster BWL studiert. (Foto: privat)

Business Engineering statt Musik
"München ist mir eigentlich zu klein", sagt Alejandro, der heute in Deutschland lebt. Das ist verständlich, denn der BWL-Absolvent der FH Münster ist in Lima, einer Stadt mit zehn Millionen Einwohner*innen aufgewachsen. Dort ging er auf die Deutsch-Peruanische Augusto Weberbauer Schule. "Das war toll, so habe ich auch damals schon die deutsche Kultur kennengelernt und ich konnte an einem Schüleraustausch nach Rheine teilnehmen", erinnert sich der heute 29-Jährige zurück. Die Schule hat sich für ihn nie wie eine Pflicht angefühlt, er ging gerne hin, hatte enge Kontakte zu Lehrer*innen und Mitschüler*innen. "Eigentlich wollte ich damals Fußballer werden, wie alle peruanischen Jungs, und später dann Musiker", berichtet Alejandro, der zu einem Drittel Rumäne, Peruaner und nun auch Deutscher ist. "Aber in Peru gab es keine vernünftige Musikhochschule und meine Eltern waren deshalb, auch sehr berechtigt, dagegen. Auch hatten mich Zahlen und das Analytische schon immer interessiert, also lag BWL nahe." Mit damals 17 Jahren startete an der Universidad del Pacífico in Lima ein Bachelorstudium in Business Engineering. "Der Businessteil hat mir immer viel Spaß gemacht."


Fernweh nach Deutschland
Nach fünf erfolgreichen Semestern in Lima stand 2011 stand für Alejandro fest, dass er noch in Deutschland studieren wollte, was er während des Schüleraustauschs mit zwölf und 15 Jahren kennengelernt hatte. Er erkundigte sich nach den Formalitäten und entschied kurzerhand, erst einmal wieder zu seiner Gastfamilie nach Rheine zu ziehen: "Ich hatte großes Glück mit meiner Gastfamilie. Bis heute halten wir engen Kontakt und mein Gastbruder wird mich hier in München bald besuchen." Zunächst machte er ein Praktikum bei der apetito AG in Rheine und wohnte die ersten zwei Monate bei seinen Gasteltern: "Aber ich bin nicht zu Hause in Peru ausgezogen, um dann wieder 'zu Hause' zu wohnen." Wie der Zufall es will, findet Alejandro in Rheine ein eigenes Zimmer. Dort bekommt er Anschluss an ein nettes Ehepaar, bei dem er waschen und zu Abend essen kann. "Sie haben mich aufgenommen wie ein zweites Kind. Ich bin ihnen bis heute sehr dankbar." Bei apetito beriet ihn sein damaliger Chef, der selbst an einer Fachhochschule studiert hatte, und schlug ihm ein praxisorientiertes Studium vor. "Die FH Münster hatte damals schon einen guten Ruf, also habe ich mich beworben", berichtet der Peruaner. Auch erkannte diese seinen Bachelor aus Lima an und so konnte Alejandro ohne weitere Auflagen im Jahr 2012 sein Bachelorstudium in BWL am Fachbereich Wirtschaft, der Münster School of Business (MSB), starten.

"Wer kommt nicht aus Deutschland? - Ich glaube, ich war der Einzige im Hörsaal!"
Als das Studium startet, zieht er dann auch in ein WG-Zimmer in Münster. Bei der Einführungsveranstaltung am ersten Tag im großen Hörsaal A004, fragte der Professor: "Wer kommt nicht aus Münster, Finger hoch. Wer nicht aus NRW? Und wer nicht aus Deutschland?" Alejandro: "Ich glaube, ich war der Einzige im Hörsaal, der nicht aus Deutschland kam, und alle blickten sich zu mir um." Danach seien vier Jungs auf ihn zugekommen und hätten gefragt, ob er mit ihnen essen gehen möchte. "Ich war sehr froh darüber und habe 'Ja' gesagt. Von alleine wäre ich nicht auf sie zugegangen, das ist nicht meine Art", verrät Alejandro, der sonst nicht schüchtern rüberkommt. Seit dem Tag geht die Münster-Clique zusammen durch dick und dünn. Zum Teil wohnen sie heute sogar zusammen in München. Schicksal oder wieder Glück?

Alejandro mit seiner Clique in Münster. (Foto: privat)

Mittwochs - immer eine Party am Start

"Ich habe meine Studienzeit in Münster sehr genossen! In Peru war es nicht sicher, alleine nachts durch die Gegend zu ziehen. Meine Mitstudierenden und ich haben in Münster viel Party gemacht. Vor allem fand ich super, dass man mittwochs, mitten in der Woche, feiern konnte. Das gab es in Peru nicht." Auch habe er viel Fußball gespielt und weiter Musik gemacht - mit der Gitarre und dem elektronischen Schlagzeug. Im Studium faszinieren ihn vor allem das analytische Denken, Statistik bei Prof. Dr. Reiner Kurzhals, und internationales Marketing bei Sue Rossano vom Science-to-Business Marketing Research Centre (S2BMRC). In einem Seminar bei Sue übernimmt er die Projektleitung und arbeitet mit Studierenden aus zehn verschiedenen Ländern zusammen. "Im S2BMRC habe ich dann auch ein Praktikum gemacht und später meine Bachelorarbeit geschrieben." Auch nimmt er an einer Summer School in West Virginia in den USA teil, um noch mehr internationale Luft zu schnuppern. Wieder in Münster engagiert er sich als Tutor für internationale Incomings, wird im Buddy-Programm aktiv, und erleichtert einer Studentin aus Frankreich die Ankunft: "Ich hatte immer so viel Hilfe überall, dass ich etwas zurückgeben wollte." Dann neigt sich das Studium dem Ende zu: In seiner Bachelorarbeit am S2BMRC erarbeitet er für ein Textilunternehmen, welches eine neue Technologie entwickelt hat, mit der Textilien ihre Temperatur behalten, eine Go-to-Market-Strategie. "Meine Eltern waren schon immer im Textilbereich tätig, der Bereich interessiert mich einfach." Im Jahr 2016 schließt er sein BWL-Studium an der FH Münster erfolgreich ab.

Alejandro (l.) mit seinen Kommiliton*innen in Münster vor einer Party. (Foto: privat)

Paris, London und Shanghai warten …
Durch das Buddy-Programm hat Alejandro an der FH Münster mehr Kontakt zu französischen Studierenden bekommen und entwickelt den Wunsch, in Frankreich einen Master zu absolvieren. Er trifft einen Freund aus Kolumbien, der ihm begeistert von einem Master in Luxury Management und Marketing berichtet. Alejandro, dessen Eltern schon lange in der Modebranche arbeiten, legt die Hand aufs Herz, und bewirbt sich für einen solchen Master mit Start in Lyon und bekommt eine Zusage. Er organisiert sich ein günstiges Zimmer und einen Sprachkurs. Als er alles geregelt hat, kommt die Nachricht: Studienstart in Paris statt Lyon. Alejandro bleibt also fünf Monate in Lyon, lernt Französisch und zieht dann kurzerhand in die Hauptstadt. "Paris ist meine Lieblingsstadt vor allen! Die Lebensqualität kann man nicht toppen." Danach folgen Aufenthalte in Großbritannien am London College of Fashion der University of Arts und an der East China Normal University. In Shanghai entwickelt er über drei Monate eine Business-Strategie für den chinesischen Markt für einen internationalen Beauty- und Luxusanbieter. "So konnte ich meine Erkenntnisse aus der Bachelorarbeit an der FH Münster vertiefen." Auch darf er für das S2BMRC in Shanghai ein Projekt umsetzen und Autohersteller auf einer großen Messe zum Thema "E-Mobilität" befragen. "Das war ein Highlight. Ich durfte als Student zum Beispiel mit den Ingenieur*innen von Toyota und Renault sprechen." Auch hier schließt er 2018 erfolgreich seinen Master ab. Alejandro hat bei seinen internationalen Aufenthalten nie Probleme, mit anderen in Kontakt zu kommen: "Neue Sprachen zu sprechen, hat mir immer Türen geöffnet." Der 29-Jährige spricht rumänisch, spanisch, englisch, französisch und deutsch - als nächstes möchte er italienisch lernen.

Alejandro (2. v. r.) mit internationalen Kommiliton*innen bei einer Reise nach Warschau. (Foto: privat)

Paris, ich bleibe!
Den Berufseinstieg findet Alejandro dann auch in der Modebranche in SEINER Lieblingsstadt Paris. Bei dem Modeunternehmen "Ami" (Freund auf Deutsch) beginnt er als Retail Coordinator. "Das passte sehr gut zu meiner Retail- und Textil-Affinität." Er ist mit seinem Manager für Geschäfte in Paris, London und Tokyo zuständig und wirkt sogar daran mit, dass die Marketingstrategie des Unternehmens, was Mode und Accessoires verkauft, von der reinen Ausrichtung auf Männer auch auf Frauen umschwenkt. Aber irgendwann ging es Alejandro nicht schnell genug, "geduldig bin ich nicht", und er kam in seiner Position nicht weiter. Er wollte gerne noch Erfahrungen bei einem großen Tech-Konzern sammeln. Also streckte er seine Fühler aus und fand über LinkedIn eine Stelle bei Amazon in München. Alejandro zögerte nicht lange und warf alles in die Waagschale, um wieder irgendwo anders neu ins Glück zu starten.

Grüß Gott! Jobeinstieg bei Amazon in München
Gesagt, getan. Sein Training fürs Assessment-Center hatte Alejandro zur Oktoberfestzeit in München. Der Absolvent fühlt sich spontan wohl: Bereits vier Tage später unterschreibt er in Berlin seinen Arbeitsvertrag bei Amazon als Brand Specialist und startet in Winter 2020 bei dem internationalen Konzern. "Ich bin jetzt gut bei dem Unternehmen angekommen", sagt Alejandro, der nun bereits Account Executive für den Retail-Enterprise-Bereich für Amazon Web Services tätig ist. "Es ist herausfordernd, aber die Lernkurve ist auch sehr steil. Besonders faszinierend finde ich die Agilität, mit der wir auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren können."Toll findet er auch, dass die Arbeitszeiten sehr flexibel sind, solange man seine To-dos erledigt, und dass man in alle Bereiche im Konzern reinschnuppern kann. "Bei uns sind die Leadership Principles nicht nur ein Wand-Tattoo, man wird auch daran gemessen." Nach der Coronazeit freut er sich wieder auf Termine in Präsenz: "Wir haben uns vorletzte Woche das erste Mal alle getroffen. Das war etwas Besonderes. Corona hat uns gezeigt, dass Normalität - wie ein normaler Arbeitstag im Büro, den man gemeinsam mit Kolleg*innen verbringt - doch nicht so normal ist." Das ganze Team arbeitet für seine Kund*innen jeden Tag hochmotiviert an skalierbaren Business-Lösungen in der Cloud. "Bei meiner Arbeit sind Social Skills super wichtig. Man muss gute Beziehungen schaffen können, da man mit unterschiedlichen Teams in Kontakt kommt."

Zuhause in einem großen Dorf: München
"München ist ein großes Dorf, das trifft es aus meiner Sicht genau. Ich mag die schöne Architektur in Haidhausen und Schwabing oder an der Isar spazieren zu gehen." Alejandro fühlt sich wohl in München - zumindest für die nächste Zeit. Um sich in seiner Freizeit zu entspannen, spielt er immer noch gerne Gitarre oder Fußball und er liest gerne. Auch ist er als Unicef-Pate aktiv: "Ich finde, die Menschen die super Chancen im Leben hatten, sollten sich engagieren. Was man hat, ist nicht selbstverständlich. Wir haben die Pflicht, anderen zu helfen. Der Zugriff auf Wasser, Essen und Bildung sollte dabei das Mindeste sein." Sein Tag fängt gut an, wenn dieser mit Sport beginnt und wenn auf der Arbeit spannende Aufgaben auf ihn warten.

Tipps für Studis
"Ich habe mit meinen Entscheidungen immer Glück gehabt, aber wenn ich merke, dass etwas nicht funktioniert, würde ich es einfach zurücknehmen und anders machen." Wichtig ist ihm, immer kleine Fortschritte zu machen. "Wenn ich beispielsweise eine neue Sprache lernen möchte und ich lerne heute drei neue Wörter, dann sind es am Ende des Monats 90 neue Wörter. Das ist mein Rat an Studierende: Probiert es einfach aus! Unterschätzt kleine Fortschritte nicht! Die Skills von der FH Münster habt ihr, nun liegt es an euch!" Auch wenn sich in den Fächern Qualitative Methoden, Statistik und Wirtschaftsrecht nicht sofort Erfolge einstellen: "Übung macht den Meister", weiß Alejandro aus eigener Erfahrung. Sein jetziges Ziel ist ebenfalls ehrgeizig: "Ich möchte in meinem Job jeden Tag besser werden - das heiß, noch mehr technisches Know-how zu sammeln und gleichzeitig vertrauensvolle Beziehungen mit meinen Kunden aufbauen zu können, sodass ich als 'Trusted Advisor' angesehen werde." Auf die Frage: "Wann bist du glücklich?" antwortet Alejandro mit einer Gegenfrage: "Grundsätzlich immer: Warum sollte ich nicht glücklich sein?"



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