Dr. Catja Dickmann hat kooperativ bei uns an der FH Münster und der TU Clausthal-Zellerfeld promoviert. (Foto: privat)

"Ich hoffe, die Internetverbindung reicht aus?", fragt Catja, die gerade mit ihrem T6-Bulli auf einem Campingplatz in Hamburg steht. Sie hat sich extra in ihrem Urlaub Zeit für das Alumniinterview genommen. Wie toll! "Ja, du bist gut zu hören. Wir können loslegen", antworte ich hinter meinem Laptop im Homeoffice. Interviews in Zeiten von Corona. Aber nun beginnt Catjas Geschichte:

Die heute 34-Jährige fand in der Schule in Rhede im Kreis Borken alles spannend: "Ich bin sehr gerne zur Schule gegangen. Ich mochte Philosophie, aber auch Biologie und alles Rationale und Nachvollziehbare." Ihre Eltern sind beide Steuerberater und haben ihre Kanzlei direkt unter der Privatwohnung. So wuchs Catja mit dem Thema Steuern auf: "Das wurde bei uns familiär so gelebt, daher vielleicht auch meine Leidenschaft für Textverständnis. Das kommt mir heute noch im Wirtschaftsrecht oder der Wirtschaftsprüfung zugute, wo man oft das Wissen über bestimmte Kommentierungen haben muss, um diese logisch nachvollziehen zu können, oder um zu verstehen, welche Auswirkungen bestimmte Urteile auf die Bilanzierung haben." Die Steuer-ID wird den Kindern ja auch tatsächlich schon in die Wiege gelegt, aber nicht bei allen ist die Beschäftigung mit dem Thema so nachhaltig wie bei der Rhederin.

Dr. Catja Dickmann bei einem Vortrag anlässlich des Jubiläums der Hochschule Osnabrück. (Foto: HS Osnabrück)

Auf zu neuen Ufern
Zunächst hatte Catja die Idee, Biologie zu studieren. Schnell kam dabei aber die Erkenntnis: "Ich will nicht im Labor stehen." Viel lieber möchte sie mit Menschen zu tun haben. Sie findet BWL und Jura interessant und wünscht sich gleichzeitig Praxisnähe - die sie täglich in der Kanzlei ihrer Eltern vor Augen hat. Also startete sie im Jahr 2006 mit einem Bachelor of Law an der Hochschule Osnabrück. "Der Bachelor hat mir großen Spaß gemacht. An der HS Osnabrück habe ich mich sehr wohl gefühlt. Eine tolle Hochschule und super Dozent*innen." In der Zeit erarbeitete sie ihr Fachwissen für alle rechtlichen Grundlagen und juristischen Vorgehensweisen.

"Früher hast du nicht so gut gekocht!"
Sie zieht in Osnabrück in eine eigene Wohnung und trifft sich gerne mit Mitstudierenden. "Dabei waren Kommilitonen, die so lecker kochen konnten. Da haben wir gleich eine Lerngemeinschaft gegründet." Eines Tages trifft sie ihre Oma aus Rhede. Catja bereitet ein Abendessen für ihren Besuch zu. Daraufhin sagt ihre Oma: "Früher hast du nicht so gut gekocht!" Sie muss bei der Erinnerung an die Ehrlichkeit ihrer Oma noch heute lachen. Die Zeit in Osnabrück hat ihrer Selbstständigkeit in jeglicher Richtung gutgetan, findet die Alumna.

Warum in die Ferne schweifen…?
Als Catja überlegt, wie es in ihrem Leben weitergehen soll, ist Prof. Dr. Norbert Tonner von der FH Osnabrück gerade dabei, zusammen mit Prof. Dr. Dirk Kiso von der FH Münster einen neuen gemeinsamen Studiengang aufzubauen. Der neue berufsbegleitende Masterstudiengang Auditing Finance and Taxation (MAFT) startet 2006. Zulassungsvoraussetzung ist: ein Jahr Arbeitserfahrung. Catja schließt ihren Bachelorstudiengang mit den Schwerpunkten Steuerrecht und Wirtschaftsprüfung 2009 erfolgreich ab. Dann schafft sie die - mit dem neuen MAFT-Studiengang vor Augen - Studienzulassungsvoraussetzungen für eben diesen und bewirbt sich initiativ bei verschiedenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Bei Dr. Beermann Partner in Münster bekommt sie den Zuschlag. Dort arbeitete sie zunächst und beginnt dann in 2010 mit dem nebenberuflichen Masterstudiengang am Studienstandort Münster. "Ich hatte den MAFT direkt vor der Nase und mir war auch die Praxisphase wichtig. Es war eine gute Entscheidung", ist sich die 34-Jährige auch heute noch sicher.

Dr. Catja Dickmann (l.) beim Picknick in Münster am Aasee mit ihren Freundinnen (v.l.) Dr. Lina Landinez, Dr. Eika Auschner und Giovanna Zeny, die auch alle an der FH Münster geforscht haben. (Foto: privat)

Studienstart in Münster
"Wir 14 sind 2010 zusammen am Leo-Campus gestartet und haben in unserem Seminarraum dort zusammen im Sommer geschwitzt und gearbeitet. Es war schon anspruchsvoll." Die Durchfallquoten für das Wirtschaftsprüferexamen liegen bei 50 Prozent. "Der Studiengang ist so wertvoll, da er von der Wirtschaftsprüferkammer akkreditiert ist. Die schauen sich die Klausuren und Lehrinhalte selbst an und so ist gewährleistet, dass wir gut auf die Prüfungen vorbereitet sind." Auch damals schon strebt sie die Berechtigung für eine Promotion an.

Praxis und Theorie - keines funktioniert ohne das Andere
Catja starte im Blockmodell, das heißt fünf Monate Vollzeit arbeiten und dann sieben Monate studieren. Auch an den Wochenenden hat sie alle Hände voll zu tun. "Beermann hat mir gut den Rücken freigehalten, aber es war schon sehr herausfordernd Arbeit und Studium unter einen Hut zu bekommen. Man braucht viel Selbstdisziplin. Es hat mir aber auch viel gebracht, parallel zu arbeiten, weil ich richtige Wissenssprünge gemacht habe." In der Praxis übernimmt sie nach und nach immer mehr Verantwortung bei den Mandanten: Die Absolventin erstellt Steuererklärungen, Jahresabschlüsse und prüft die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen. 2012 schließt Catja ihr MAFT-Studium erfolgreich ab und im Jahr 2013 - mit erst 26 Jahren - hat sie bereits ihr Wirtschaftsprüferexamen in der Tasche. Danach wollte sie erst einmal Routine sammeln und bleibt Dr. Beermann und WP Partner treu und arbeitet dort zwei Jahre als Wirtschaftsprüferin.

"Das war es nicht für mich!"
Doch als sie ausschließlich in der Praxis ist, fehlt ihr etwas: "Das war es nicht für mich! Ich hatte immer den Wunsch noch zu promovieren." Von einer Bekannten bekommt sie den Tipp, mal an der Münster School of Business (MSB) der FH Münster nachzufragen. Gesagt, getan. Bei Prof. Dr. Isabel von Keitz mit dem Fachgebiet Rechnungswesen stellte sie ihre Idee vor und erkundigte sich nach der Möglichkeit für eine Promotion. Sie fragte: "Kennen Sie jemanden, der ein solches Vorhaben unterstützen würde." Prof. von Keitz antwortete kurz und knapp: "Ja, ich würde das unterstützen." Dann holte Prof. von Keitz noch Frau Prof. Inge Wulf von der Technischen Universität Clausthal für die kooperative Promotion an Bord und dann ging es 2016 los. Auch ihr Arbeitgeber Dr. Beermann und WP Partner finanzierte das Promotionsstudium bis 2018 mit.

Next level: Promotion
"Die Zeit der Promotion fühlte sich ein bisschen wie MAFT 2.0. an", erinnert sich Catja schmunzelnd zurück. Sechs Monate arbeitete sie und sechs Monate hatte sie Zeit für ihr Studium, lehrte aber auch als Associate Researcher an der MSB. Sie forschte zu dem Thema "Ermessensspielräume bei der Berichterstattung finanzieller Leistungsindikatoren im Lagebericht - Hermeneutische Auslegung im regulatorischen Kontext, empirische Untersuchung der Berichtspraxis und Erkenntnisse zur Wahrnehmung der Lageberichtadressaten". Eine große Portion Neugier müsse man bei der Promotion mitbringen, denn schließlich sei das Thema nicht vorgegeben wie bei einer Bachelor- oder Masterarbeit, findet die Absolventin. Sie analysierte in ihrer Forschung Lageberichte, in denen das Management Auskunft über die Performance des Unternehmens gibt. Das Ganze wird mit Kennzahlen unterfüttert. Catja untersuchte Möglichkeiten der Regulierung zu entsprechenden Kennzahlen und erarbeitete Vorschläge für den Standardsetzer. "Ich habe mir auch die rechtlichen Grundlagen angeschaut und analysiert, wo Spielräume bestehen. Zum Status Quo habe ich Studierende befragt und mit abschließend Handlungsempfehlungen für einheitliche rechtliche Standards erarbeitet."

"Frühling ist, wenn die Promenade grün ist."
Ihre schönste Erinnerung an die Zeit "ist auf jeden Fall der fächerübergreifende Kontakt zu den anderen Doktoranden" gewesen und "dass man an ganz aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit mitarbeiten konnte." Der Rückhalt von allen Seiten sei wichtig gewesen, manchmal habe sie aber auch alleine einen Strandspaziergang machen müssen, um alles klar zu kriegen. "Auch das Joggen auf der Promenade in Münster hat mir dabei immer gut geholfen. Da habe ich immer gedacht: Frühling ist, wenn die Promenade grün ist. Herrlich!" Auch bearbeitete sie während dieser Zeit ein Projekt für die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger. Die Zusammenarbeit funktionierte so gut, dass sie ihr einen Job in Aussicht stellten. "Ich musste mich im Leben nie bewerben, nur anfangs einmal initiativ, als ich Berufserfahrungen für den MAFT-Studiengang nachweisen musste." Sie schloss ihre Promotion im Jahr 2020 erfolgreich ab und wechselte von der Mandaten- in die Unternehmensberatung. "Das fand ich total spannend. Ich wollte wissen, wie so ein Unternehmen tickt."

Senior Expert bei Roland Berger
Im Januar 2020 stieg Catja mit einem internen Projekt bei der Roland Berger Holding ein, über das sie leider keine Details berichten darf: "Es hat gut geklappt und es hat mir Spaß gemacht." In ihrer Zeit bei Roland Berger war sie als Senior Expert tätig und war dem CFO direkt unterstellt. In ihrem Bereich verantwortete sie selbstständig Projekte in den Bereichen Finance und Controlling. Auch fungiert sie als Springerin: "Mit meiner generalistischen Ausbildung an der FH Osnabrück und der FH Münster hatte ich viele Themen im Blick und war gut aufgestellt für meinen Bereich." Am meisten Spaß machte ihr dabei, dass sie bereichsübergreifend arbeiten konnte und ihre Projekte Einfluss auf die Ausrichtung des gesamten Unternehmens haben. "Das hat mich immer angespornt. Wenn man ein Ziel hat, sollte man es verfolgen. Das hat mir mein Werdegang bislang gezeigt." Am wichtigsten sei ihr dabei, dass ihr Team gut zusammenarbeitet. "Es war wirklich eine spannende Zeit. Wir haben mit allen Finance-und-Controlling-Mitarbeiter*innen vor Ort und denen auf der gesamten Welt zusammengearbeitet."

Dr. Catja Dickmann an ihrem neuen Arbeitsplatz in der Kanzlei in Rhede. Dabei hat sie Münster immer im Blick. (Foto: privat)

Die Familie ruft
Doch allzu lange hält es Catja nicht in ihrer bayerischen Wahlheimat. In der heimischen Kanzlei Sawinski & Dickmann klopfen immer mehr spannende Mandate an, bei denen Catjas Expertise gefragt ist. Zudem scheint für sie nun der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um ihre Erfahrungen aus der Wirtschaftsprüfung sowie bei Roland Berger zu bündeln und in das Familienunternehmen einzubringen, um dieses mit ihren Eltern, ihrer Schwester und den Kollegen*innen Schritt für Schritt in die nächste Generation zu führen. Seit September dieses Jahres ist sie daher zurück im Münsterland, um das nächste Kapitel in ihrem Leben aufzuschlagen: Ein echtes Familienunternehmen mit einer gemeinsamen Leidenschaft - Steuern -, die ihr und ihrer Schwester offensichtlich wirklich als Talent bereits in die Wiege gelegt wurde.



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