„Unsere nächste Workshopaufgabe lautet: Zeichne die perfekte Version eines privaten Gartens, um Artenschutz zu betreiben“, leiten Phillina und Meret an. Ihnen gegenüber sitzt Dr. Philipp Wagner. Der Biologe muss nicht lange überlegen, prompt fängt er an: Eine Legsteinmauer für Reptilien im Norden aber nach Süden ausgerichtet, im Südosten eine Feuchtwiese an einem Teich. Wagner ist Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo. Dass Artenschutz ihm auch privat eine Herzensangelegenheit ist, finden die beiden Designerinnen schnell heraus.
„Designprojekte im Co-Design laufen ein bisschen anders ab, als in anderen Designkursen“, erklärt Prof. Carolin Schreiber. Gemeinsam mit Nadja Schlepper und Leonie Truß aus ihrem Social-Design-Team leitet sie das Bachelorseminar Co(o)-Design – eine kritische & partizipative Kooperation mit dem Allwetterzoo Münster. „Co-Design ist ergebnisoffen und breit aufgestellt, was die Designmedien angeht.“ Das Besondere: Die Designer*innen erarbeiten zunächst eine Fragestellung – die Grundlage was und wie designt wird – und starten nicht direkt mit dem Entwurf. „Wir kombinieren Designmethoden mit qualitativer Sozialforschung. Es geht darum, zunächst die Bedürfnisse und das Wissen unserer Co-Designer*innen zu erfassen und sie konsequent in den Prozess einzubinden. Social Design beziehungsweise Co-Design impliziert Partizipation. Dadurch können tolle Innovationen entstehen“, erklärt die Professorin. „Das Designhandwerk an sich, zum Beispiel das Illustrieren, Bauen oder Zeichnen lernen die Studierenden eher in anderen Kursen.“
Mit Methoden der Sozialforschung wie der Verhaltenskartografie – dem Behavioral Mapping – oder teilnehmenden Beobachtungen lernen Phillina und Meret die Wertewelt ihres Co-Designers kennen. Wagner zeigt ihnen die Zuchtstation für vom Aussterben bedrohte Reptilien und Amphibien und erklärt die Programme, die der Zoo für den Artenschutz aufgesetzt hat. Auch privat engagiert er sich in mehreren Artenschutzvereinen. Dabei stößt der Biologe oft auf Unwissen und Unverständnis: „Es gibt einen Unterschied zwischen Tierschutz und Artenschutz. Bei ersterem zählt jedes Tierleben. Bei letzterem möchten wir Arten und Populationen erhalten, die vom Aussterben bedroht sind oder es bald sein könnten. Das kann sich aber auch im Weg stehen.“
Diesen Unterschied kennen auch nur wenige Zoobesuchende, so das Ergebnis einer Befragung, die Phillina und Meret durchführen. Dass der Zoo bedrohte Arten züchtet und erhält – laut Wagner dessen fundamentale Säule –, sei ebenfalls nur wenig bekannt. „Viele sagen: Zoos sind doof, aber Tierauffangstationen sind gut“, erzählt Wagner. „Da lag unsere Designfrage nahe: Wie können Zoobesuchende Artenschutz begreifen und dazu selbst aktiv werden?“, sagt Meret. „Wir haben einen Artenschutzrundgang entworfen und dazu die Karte des Zoos angepasst.“ Vorbei geht es beispielsweise an den Leoparden, Gänsegeiern und Dumerils Querzahnmolchen. Doch die Besucher*innen bekommen nicht nur Infos, sie sollen auch selbst aktiv werden: An jeder Station des Rundgangs können sie ein Loch in eine Baumscheibe bohren und so ihr eigenes Insekten-Hotel bauen. „Das können sie mit nach Hause nehmen und es lässt sich selbst ohne Garten oder Balkon aufstellen. So bleibt Artenschutz nach dem Zoorundgang im Gedächtnis“, erklärt Phillina.
Die Studentin lebt selbst vegan und setzt sich für Tierschutz ein. „Ich habe Zoos sehr kritisch gesehen. Mit kritischem Auge betrachte ich sie immer noch, aber ich habe hier viel über Artenschutz gelernt und sehe manche Dinge nun anders“, sagt sie. Auch die Co-Design-Methodik sei erst ungewohnt gewesen, vor allem nicht direkt mit dem Design zu starten, sind sich Phillina und Meret einig. „Im Verlauf des Seminars haben wir dann aber gemerkt, wie sinnvoll diese Herangehensweise ist.“
„Wir haben von euch einiges an Denkanstößen bekommen“, resümiert Jan Ruch, Leiter des Zoomarketings bei der Ergebnispräsentation. „Die Ideen gehen nicht ins Leere.“ Gemeinsam mit dem Zoo-Team, zu dem auch die drei Co-Designer*innen der anderen Gruppen zählen, bespricht er nun, was in Zukunft umgesetzt werden kann. Denn die Entwürfe der anderen Studierendengruppen, Audio-Guides per NFC-Schnittstelle, ein gamifizierter Bestellprozess für eine nachhaltigere Entscheidung im Zoo-Restaurant oder ein Sinnes- und Achtsamkeitsgarten zur Entspannung, kamen ebenfalls gut an.
Von Michelle Liedtke und Anna-Lena Spiekermann