Praxis der IASB-Rechnungslegung
Die Rechnungslegung in Deutschland unterliegt derzeit einem starken Wandel. Immer mehr deutsche, respektive nordrhein-westfälische Unternehmen stellen ihre Konzernabschlüsse nicht mehr (nur) nach handelsrechtlichen (HGB) Vorschriften, sondern freiwillig bzw. aufgrund von Kapitalmarktanforderungen nach internationalen Vorschriften auf. Gemäß einer EU-Verordnung von 07/2002 müssen ab 2005 bzw. 2007 alle kapitalmarktorientierten Unternehmen mit Sitz in der EU, also auch die deutschen kapitalmarktorientierten Unternehmen, einen nach International Accounting Standards (IAS) bzw. International Financial Reporting Standards (IFRS) aufgestellten Konzernabschluss offen legen. Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen haben die Wahl aber keine Verpflichtung, IFRS anzuwenden. Hintergrund für die angestrebte Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU ist, dass insbesondere die international tätigen Unternehmen einen Konzernabschluss veröffentlichen sollen bzw. wollen, der international vergleichbar ist.
Die Anwendung von diesen IAS/IFRS stellt die bisherigen HGB-Anwender indes vor gravierende Herausforderungen:
· Das internationale Rechnungslegungssystem unterscheidet sich grundlegend von dem handelsrechtlichen Rechnungsrechnungslegungssystem. Dies erfordert eine ganz neue Herangehensweise bei der Erstellung/Prüfung der IAS/IFRS-Abschlüsse im Vergleich zur Erstellung/Prüfung von HGB-Abschlüssen und somit ein grundsätzliches Umdenken der Ersteller und Prüfer.
· Ungeachtet des Ziels der internationalen Vergleichbarkeit von Konzernabschlüssen, lassen die IAS/IFRS dem Anwender zahlreiche Wahlrechte und vor allem Ermessensspielräume. Aufgrund der Unerfahrenheit und mangelnden Ausbildung zahlreicher IAS/IFRS-Anwender in Deutschland sowie der fehlenden umfassenden Kommentarliteratur zur Auslegung der IAS/IFRS, stehen sie häufig vor der Frage der "richtigen" Anwendung der IAS/IFRS. Hier wäre ein Überblick über die Bilanzierungspraxis bezüglich vergleichbarer Sachverhalte von anderen IAS/IFRS-Anwendern hilfreich, die Ermittlung für die einzelnen Anwender ist indes zu aufwendig und volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.
Ziel des Projektes
Vor dem dargestellten Hintergrund wird die IAS/IFRS-Bilanzierungspraxis für die Geschäftsjahre 2001, 2002 und 2003 von 100 deutschen Unternehmen, die ihren Konzernabschluss unter Anwendung der Vorschriften des IASB (International Accounting Standards Board; die privat-rechtliche Organisation, die die IAS/IFRS erlässt) aufgestellt und offengelegt haben, im Rahmen einer repräsentativen Studie ermittelt und analysiert. Dabei werden die derzeitig in der Praxis gewählten Bilanzierungs- und Berichterstattungsmethoden für zahlreiche Fragestellungen erhoben, sofern möglich im Hinblick auf IFRS-Konformität beurteilt und teilweise abhängig von Branche, Börsensegment und Unternehmensgröße analysiert. Die Untersuchung beruht auf über 200 Fragestellungen, die die wesentlichen Bilanzierungswahlrechte und –Ermessensspielräume bei der Erstellung von Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalentwicklungsspiegel und Anhang berücksichtigen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in einem Bericht zusammengefasst und anhand von Beispielen erläutert . Die veröffentlichten Ergebnisse bieten den Unternehmen und ihren Beratern eine Entscheidungshilfe im Rahmen der künftigen Erstellung und Prüfung eines Konzernabschlüsse nach IAS/IFRS.
Ergebnisse des Projektes
Wie geplant wurde die IAS-/IFRS-Bilanzierungspraxis für 2001 – 2003 analysiert und die Ergebnisse veröffentlicht (erschienen im Schaeffer-Poeschel-Verlag im Mai 2005 unter dem Titel „Praxis der IASB-Rechnungslegung“). Die Auswertung der 100 IFRS-Konzernabschlüsse 2001 - 2003 hat gezeigt, dass zahlreiche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden uneinheitlich angewandt wurden. Sofern die Unterschiede aus expliziten Wahlrechten resultieren, ist dies systembedingt. Allerdings führen auch zahlreiche Ermessensspielräume aufgrund fehlender bzw. nicht hinreichend konkreter Vorschriften zu den Bilanzierungsunterschieden. Zudem wurden (noch) zahlreiche Anwendungsfehler gemacht, die im Rahmen der Studie aufgedeckt werden konnten. Die Unterschiede und Fehler verhindern die vom IASB beabsichtigte Vergleichbarkeit aller Abschlüsse. Die Studie hat gezeigt, dass selbst in einzelnen Branchen in der Regel keine einheitliche Bilanzierungspraxis besteht. Anders als vermutet, konnte indes im Zeitablauf keine Tendenz für bestimmte Bilanzierungspraxis festgestellt werden. Es hat sich allerdings gezeigt, dass sich die Qualität der IFRS-Abschlüsse im Zeitablauf verbessert hat.
Projektleitung
Prof. Dr. rer. pol. Isabel von Keitz
Fachbereich Wirtschaft
Corrensstraße 25
48149 Münster
Tel: +49 251 83-65656
vonkeitzfh-muensterde
Mitarbeitende
- Dipl.-BW. Margit Lause
Projektzeitraum
Kooperationspartner
- KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft
Finanzierung
- öffentliche Mittel (TRAFO) und Mittel des Projektpartners