Montagmorgen.
7:30, Flughafen Köln Bonn. Ein letzter Kaffee, 2,80 Euro in einem deutschen Starbucks. Handgepäck überprüfen. Flugtickets und Reisepässe sortieren. Der obligate Security check. Ein Airbus A320, Germanwings, ready for take off.
Montagmorgen.
7:30, zwölf Studierende und zwei Professoren auf dem Weg nach Ben Gurion, Tel Aviv, Israel. Good Morning middle East.

Die diesjährige Editorial Exkursion hat uns in den Nahen Osten geführt, eine Region, die zunächst einmal nicht vorrangig für ihr Design, sondern für ihre geschichtliche und politische Dimension bekannt ist. Wir haben eine Woche in Israel verbracht.

Eine kurze, volle Woche voller fremder und faszinierender Bilder im Spannungsfeld zwischen Religion und Mythos, zwischen Geschichte und Realpolitik.

Wir waren auf arabischen Flohmärkten und in der Alten Orangenstadt Jaffa. Sind durch die Bauhausmetropole Tel Aviv geschlendert und im Mittelmeer geschwommen. Wir haben Tee in den Shuks von Jerusalem getrunken, haben auf dem Plateau des Felsendoms und vor den Steinen der Klagemauer gezeichnet. Wir haben Humus im arabischen Viertel gegessen und Falafel in Nachla´ot. Wir sind mit Bus durch die Westbank bis zu der alten Felsenfestung Massada gefahren. Wir haben eine Wanderung durch die judäische Wüste gemacht und die obligatorischen Fotos vom Schwimmen bzw. Nichtschwimmen im Toten Meer geschossen. Wir standen erschüttert in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem und staunend im Israel Museum vor den Rollen von Quumran. Mit Studierenden unserer Partnerhochschule haben wir einen Workshop bestritten. Wir haben gezeichnet, geschrieben und fotografiert. Und wir haben Verbindendes, Gemeinsames und Fremdes ausgelotet.

Wir sind staunend und atemlos geblieben.
Wir haben viel gesehen und wenig geschlafen.
Wir waren eine Woche in Israel.

Aber Warum Israel?
Uns erschien das Land insofern Interessant, weil es geschichtlich und kulturell ein solcher Kristallisationspunkt ist. Israel und der Nahe Osten sind medial omnipräsent. Wir alle haben eine Vorstellung von dem Land, können uns Projektionen und Meinungen kaum entziehen. Wir kommen aus tausend Blickwinkeln, aus kulturellem, religiösem, philosophischem oder politischen Interesse nicht einen Zentimeter an diesem Drehpunkt der Weltgeschichte vorbei. Erschwerend kommt die besondere Beziehung zwischen der deutschen und der jüdischen Kultur hinzu. Kurz gesagt: wir haben alle eine Vorstellung von dem Land, wirklich vor Ort waren aber die wenigsten. Also sind wir in den Nahen Osten gefahren, um uns ein Bild zu machen; um als Gestalter Bilder zu suchen. Denn es sind gerade die Bilder, die unsere Vorstellung vom Nahen Osten bestimmen.

Dies ist insofern interessant, weil gerade vor Ort Bilder tatsächlich ein heikles Thema sind: Das beginnt schon damit, dass Bilder im Nahen Osten nicht wirklich erwünscht scheinen. Das Abbilden von Menschen ist besonders bei Muslimen, aber auch bei orthodoxen Christen und Juden verpönt. Man beruft sich auf die Bibel, in der es als zweites Gebot heißt: Du sollst dir von Gott kein Bildnis machen. Dieses Gebot wird bei religiösen jeglicher Couleur gerne auf die Abbildung von Menschen im Allgemeinen erweitert (da der Mensch ja wiederum ihrer Vorstellung zufolge ein Abbild Gottes ist).

In der muslimischen Welt dominiert deshalb die Kalligraphie und das Muster. Die uns vertraute Kultur der Zeichnung - von der Buchmalerei über die Illustration bis hin zum Comic und der Street Art - gibt es hier nur bedingt. Israel selbst ist relativ westlich und hat eine ausgeprägte Grafikkultur.

Die in Europa übliche nette Frage "ob man mal kurz ein Foto oder eine Zeichnung machen dürfte" funktioniert hier in der Regel nicht. Es kann sein, dass man schon von Anwohnern gebeten wird weiter zu gehen, weil sie fürchten, ihre Nachbarn könnten ihnen hinterher vorwerfen, mit dem Künstler eine Komplizenschaft eingegangen zu sein.

Etwas zu Zeichnen, es gestalterisch zu reflektieren ist immer auch ein Stück verstehen wollen, ein Stück Erkenntnisgewinn. Darüber hinaus sind Bilder nichts weniger als eine globale Sprache. Ein Brot oder ein Bett auf einen Zettel gekritzelt überwinde jede Sprachgrenze.

Der Gedanke drängt sich auf, dass das hier herrschende Bilderverbot auch dazu führt, dass die Kommunikation, die Bilder eigentlich ermöglicht, unterbunden wird. Eingedenk der Tatsache, dass es ja immer Kommunikation ist, die mithilft, Konflikte zu entschärfen, stimmt dies nachdenklich. Denn an Konflikten, das haben wir gelernt, besteht im Nahen Osten durchaus kein Mangel. Nicht mal eine Woche nachdem wir müde, aber glücklich wieder deutschen Boden betraten, brach der schwelende Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gaza Streifen kriegerisch los. Man muss wohl konstatieren: Hätten wir unsere Reise zwei Wochen später geplant, wir wären nicht geflogen.

Wir haben unsere Exkursion nach Israel im Vorfeld intensiv vorbereitet. Die Studierenden haben sich Ihren Themen über Referate genähert und wir haben versucht so viel Wissen als möglich im Vorfeld anzusparen. Geschichte, Kultur und Religion; Verhaltensmaßregeln, Kunst und Design haben wir gepaukt. Trotzdem hat uns die Wirklichkeit vor Ort mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen.

Man kann Israel und Palästina nur ein "mehr" an Kommunikation wünschen. Man kann den Menschen auf beiden Seiten nur ein "mehr" an Frieden und Sicherheit; und der ganzen Region ein "mehr" an Zukunft wünschen.

Prof. Rüdiger Quass von Deyen & Prof. Felix Scheinberger im Dezember 2012

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