Prof. Dr. Hanns Rüdiger Röttgers (3.v.l.) und die weiteren "Keynote Speakers" sowie der Uni-Vizekanzler vor historischer Kulisse. (Foto: Queen's University)

Prof. Dr. Röttgers, Sie haben auf dem Kongress zur fachübergreifenden Arbeit zu Autismus einen Vortrag über die Rolle der Psychiatrie in der multidisziplinären Versorgung von Menschen mit Autismus gehalten. Wie kam es zu der Einladung an die Partneruniversität des Fachbereichs?

Der Fachbereich Sozialwesen arbeitet seit Jahren mit der Queen's University zusammen, im Falle der Versorgung von Menschen mit Autismus haben wir im Rahmen von EU-Projekten unter anderem gemeinsam ein Schulungskonzept für Eltern und Professionelle entwickelt und beginnen nun mit weiteren Partnern ein Projekt zur Qualifikation von Job-Coaches. Das dortige Autismus-Forschungszentrum ist auch Partner unseres Münsteraner Frühinterventionsprogramms MIA, mit dem autistische Kinder im Vor- und Grundschulalter nach wissenschaftlichen Standards mit der sogenannten "autismusspezifischen Verhaltenstherapie" oft sehr erfolgreich gefördert werden - das ist in Deutschland leider noch eine Ausnahme. Die beteiligten Kollegen kommen aus verschiedenen Fachrichtungen; ich vertrete dabei als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die medizinische Seite, die anderen Beiträge kamen zum Beispiel aus Psychologie und Logopädie.

Das Leseprojekt an der Erich Kästner-Schule in Münster war eines der erfolgreichen Praxisprojekte, die Studierende im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit unter der Leitung des Hochschullehrers absolvierten. (Foto: Anne Holtkötter)

Und wie war die Resonanz?

Das Interesse war groß - die Versorgungsstrukturen sind ja sehr unterschiedlich. In anderen Ländern sind die Ausbildungscurricula der beteiligten Berufe, vor allem der Lehrkräfte, oft besser auf Menschen mit Autismus eingestellt, während wir in Deutschland den Vorteil haben, dass viele verhaltenstherapeutisch qualifizierte Ärzte und Psychologen schon das "Rüstzeug" für die erfolgreiche Förderung von Menschen mit Autismus haben. Das Gesundheitssystem ist an deren Therapie aus administrativen Gründen viel zu selten beteiligt, obwohl die notwendigen Kompetenzen dort vorhanden sind. Spannend für die Zuhörer war nach meinem Eindruck auch, dass ich dargestellt habe, an welche anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen man zu denken hat, wenn der Verdacht auf Autismus geäußert wird: aus dieser sogenannten "Differenzialdiagnose" ergeben sich ja erhebliche Konsequenzen für die Therapie.


Welche Anregungen nehmen Sie mit (für die Lehre und/oder Forschungsarbeit und/oder den Fachbereich)?

Es war beeindruckend, wie reibungslos sich die verschiedenen Professionen auf dem gemeinsamen Hintergrund des gemeinsamen wissenschaftlichen Verständnisses austauschen und von den jeweiligen Erfahrungen und Spezialkompetenzen profitieren konnten. Ich nehme aus Belfast auf jeden Fall die Anregung mit, dass wir die ausländischen Kollegen noch mehr als bisher als Ideengeber, aber auch als Gastdozenten mit in unsere Qualifikationsangebote einbinden. Deutschland ist jenseits weniger Zentren und Einrichtungen noch ein "Entwicklungsland" in Sachen wissenschaftlich fundierter Therapie. Kinder und Erwachsene mit Autismus haben aber auch in Deutschland den Anspruch darauf, mit Hilfe fundierter Interventionen ihre Entwicklungschancen zu nutzen, statt auf methodisch beliebige Angebote verwiesen zu werden. Mit unserem bundesweit einzigen Hochschulprogramm zur Ausbildung in Autismustherapie leistet die FH hier einen Beitrag; dafür habe ich wertvolle Anregungen und neue Motivation bekommen.



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