Münster/Steinfurt (20. November 2014). Sieben Stunden dauerte die Führung durch das Kernkraftwerk Emsland in Lingen. Die Exkursionsteilnehmer bestanden aus Alumni und Mitarbeitern der Fachhochschule Münster. Sie machten sich ein umfassendes Bild über die Herausforderungen einer gesicherten Energieversorgung im Zeichen der Energiewende. Die Führung übernahmen Bodo Schlünzen, Repräsentant der Öffentlichkeitsarbeit und Ansgar Schlump. Schlump hatte im Jahr 2012 sein MBA-Verbundstudium an der Fachhochschule Münster abgeschlossen und ist nun als Instandhaltungsleiter bei der RWE Power AG im Kernkraftwerk tätig.

Der 1.400 Megawatt-Block des Kernkraftwerks Emsland in Lingen wurde im Jahr 1988 in Betrieb genommen. Als thermisches Kraftwerk entsteht die für die Stromerzeugung benötigte Wärme hier nicht durch Verbrennen von Kohle, Gas oder Öl, sondern durch die kontrollierte Spaltung von Uran-235-Atomkernen. Jährlich produziert das Kernkraftwerk dabei weit über elf Milliarden kWh Strom. Besonders stolz ist man im Emsland auf die Arbeitsverfügbarkeit, die im Jahr 2013 bei 95% lag und dem Kernkraftwerk jährlich Top-Ten-Platzierungen unter den weltweit betriebenen Kernkraftwerken beschert. "Diese Verfügbarkeit ist nur durch einen hohen Grad an Zuverlässigkeit zu erreichen und Voraussetzung dafür, dass das Kernkraftwerk unabhängig von Wind und Wetter zu jedem Zeitpunkt den aktuell geforderten Strombedarf decken kann", erklärt Ansgar Schlump. "Derzeit werden etwa 3,5 Millionen Haushalte rund um die Uhr mit Strom aus dem Kernkraftwerk Emsland versorgt. Dabei erspart das Kraftwerk der Atmosphäre jährlich den Ausstoß von rund zehn Millionen Tonnen CO2." Somit ist der Kraftwerksstandort ein Knotenpunkt der deutschen Stromversorgung und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region, der viele hundert Arbeitsplätze in den Kraftwerken und bei den Dienstleistern und Zulieferern sichert.

Auf dem Kraftwerksgelände hat die Betreibergesellschaft RWE Power AG in einem Informationszentrum eine Dauerausstellung eingerichtet, anhand derer sich die Besucher mit modernen Medien selbst ein Bild davon machen können, wie das Kernkraftwerk und das benachbarte Gaskraftwerk zur Sicherung der Stromversorgung beitragen. "Wir haben an dem großen Kraftwerksmodell die drei Eckpfeiler einer nachhaltigen Energieversorgung diskutiert und Denkanstöße erhalten", fasst Teilnehmerin Nicole Westkamp ihre Eindrücke zusammen, "Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz repräsentieren die Pole, die in der gesellschaftspolitischen Diskussion bestehen. Für uns war einfach aber auch die Sicherheit des Kernkraftwerks ein großes Thema, nachdem in Japan 2011 der Störfall in Fukushima aufgetreten ist."

Mit welchen Energieträgern sollte man die europäische oder sogar die globale Versorgung in Zukunft sicherstellen? Anhand der verschiedenen Eckpfeiler am Modell konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Vorstellungen von einer zukunftsfähigen Energieversorgung entwickeln und diskutieren. Insbesondere an die Lastwechselfähigkeit der Kraftwerke werden durch die große Menge einspeisender regenerativer Erzeuger bereits jetzt hohe Anforderungen gestellt, die zukünftig noch zunehmen dürften. Dass die benötigte Flexibilität gerade vom Kernkraftwerk Emsland mit einem typischen Gradienten von 20 MW/min erfüllt wird, überraschte viele der Angereisten und warf gleichzeitig die Frage auf, wer diese Flexibilität zukünftig bereitstellen soll. Dass auch kritische Punkte zu diskutieren waren, ist bei der Vielschichtigkeit der Thematik kein Wunder. "Uns ist bewusst, dass Kernkraftwerke in der Öffentlichkeit mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet werden und oftmals Emotionen in der Berichterstattung mitschwingen. Umso wichtiger sind Besuche vor Ort, um sich aus erster Hand selbst zu informieren", so Schlump.

Im Rahmen der nachfolgenden Besichtigung des Kernkraftwerkes erhielt die Besuchergruppe die seltene Gelegenheit, auch den Reaktorflur mit der Brennelementlademaschine zu sehen, von wo aus die Entfernung zum Reaktor stellenweise nur wenige Meter betrug. Auf dem Weg vor Ort war neben dem Wechseln der Kleidung auch das Passieren verschiedener Personenkontrollen und Schleusen erforderlich. "Es kam mir vor wie in einem Science Fiction-Film, bei dem eine andere Welt betreten wird", war eine Rückmeldung nach Abschluss der Besichtigung. Besonders beeindruckt zeigte sich die Gruppe vom Zustand und der Sauberkeit der Anlage trotz des Alters von 25 Jahren und davon, dass trotz der geringen Entfernung zum Reaktor keine Strahlung messbar war. Auch dass im KKE neben den Reserveeinspeisungen weitere acht stationäre und mehrere mobile Notstromaggregate vorgehalten werden, war bislang unbekannt. Zum Abschluss der Veranstaltung war die einstimmige Meinung der Besuchergruppe, dass für eine Meinungsbildung über die Kernenergienutzung der Besuch des Kernkraftwerkes eine Bereicherung darstellte. "Wir würden uns freuen, wenn sich möglichst viele einen Eindruck vor Ort machen würden", bekräftigt Bodo Schlünzen zum Abschluss.

Mit Inkrafttreten der 13. Atomgesetz-Novelle am 6. August 2011 hat die Bundesregierung den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland bis zum Ende Jahr 2022 beschlossen. Auch für das Kernkraftwerk Emsland bedeutet dies ein Ende der kommerziellen Stromerzeugung zum Ende 2022. "Danach folgen Stilllegung und Rückbau des Kraftwerks, das heißt, wir haben noch einige Zeit, für die Mitarbeiter alternative Beschäftigungsmodelle zu entwickeln", resümiert Ansgar Schlump am Ende des Besuchs im Kernkraftwerk.



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