Als Christina vom Konzept des Social Entrepreneurship erfährt, ist ihr Interesse geweckt. Beim sogenannten Sozialunternehmertum handelt es sich um die Idee einer sozial und/oder nachhaltig agierenden Firma, die dennoch Umsatz erwirtschaftet. Also besucht sie während ihres Oecotrophologie-Studiums – noch zu Corona-Zeiten per Videokonferenz – die Social Entrepreneurship School unserer Hochschule und lernt bei Gründungsberater Michael Kortenbrede das Einmaleins des Gründens kennen. „Dort entwickelte ich auch die ersten Ideen für Closd. Ich habe viel Unterstützung von der FH Münster erfahren“, sagt sie. Mithilfe von Sascha Wagner konstruiert Christina daraufhin im MakerSpace, der zu dieser Zeit auf dem Technologie-Campus Steinfurt noch im Entstehen war, erste 3D-Modelle für die potenzielle Hülle. Der Grundstein für das Start-up war gelegt.

Nachdem Sebastian von einer Weltreise heimgekehrt war, stellt Christina ihrem Bruder die Idee vor. „Wir wollten schon immer zusammen etwas gründen und das war nun der richtige Zeitpunkt“, erinnert sie sich. Von da an nimmt Closd „richtig Fahrt auf“, wie sie sagt. Sebastian beginnt, den inzwischen mit einem Gebrauchsmuster geschützten Mechanismus zur Abdeckung der Kameras und das nötige Spritzgießwerkzeug zu konstruieren, um die Hüllen herstellen zu können. Und auch hier bekommt das Duo tatkräftige Unterstützung unserer Hochschule. In Steinfurt berät Martin Althoff vom Labor für Kunststofftechnologie und Makromolekulare Chemie engagiert bei der Suche nach dem geeigneten Kunststoff und der Umsetzung gemeinsam mit dem damaligen Laborleiter Prof. Dr. Reinhard Lorenz und unter heutiger Führung von Prof. Dr. Stephanie Düttmann. Außerdem testen sie gemeinsam die Prototypen des Spritzgießwerkzeugs. „Martin ist uns wirklich eine sehr große Hilfe, da wir im Labor sehr viel kostenfrei ausprobieren konnten.“ Weitere Unterstützung erhält Closd außerdem vom REACH - Euregio Start-up Center, in dem unsere Hochschule und die Uni Münster Partner sind.



Um die Handyhülle realisieren zu können, macht Christina einen Kopfsprung in die Welt der Kunststofftechnik. Denn das Closd Case sollte nachhaltig und recycelbar und gleichermaßen flexibel wie stabil sein und aus einem Bio-Kunststoff bestehen, der kein Erdöl enthält. „Das sind natürlich sehr spezielle Anforderungen“, weiß Christina. „Ich war auf vielen Messen, habe online sehr viel recherchiert und meine Masterarbeit über Bio-Kunststoff geschrieben. Darin habe ich sie hinsichtlich ihrer Öko-Bilanz verglichen.“ Inzwischen haben die Geschwister im Westerwald einen Lohnfertiger gefunden, der sie mit einem für die Produktion geeigneten zellulose-basierten Kunststoff versorgt, der zu zwei Dritteln aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, eingefärbt werden kann und in Deutschland produziert wird.



Als gelernter Maschinenbautechniker entwickelt Sebastian schließlich ein modulares Spritzgießwerkzeug, das künftig durch Steckeinsätze auf verschiedene Handymodelle individuell angepasst werden kann. Dies entstand auch in enger Kooperation mit dem FabLab des Digital Hub münsterLAND am Hafen in Münster, in dem Christina und Sebastian bis heute an Closd arbeiten. Dort stellen sie inzwischen im 3D-Druck-Verfahren Karabinerhaken für ihre zusätzlich angebotenen nachhaltigen Handybänder her. Den Spritzguss der Hüllen übernimmt der Fertiger im Westerwald.

Mit einer Charge von etwa 400 Hüllen starten die Geschwister – und konzentrieren sich dabei zunächst auf das Samsung Galaxy A53, was nach ihren Recherchen derzeit eines der am häufigsten verwendeten Modelle ist. In Erhebungen informiert sich das Duo, welche Modelle in Deutschland am beliebtesten sind. „Insgesamt werden in Deutschland 20 Millionen Smartphones pro Jahr verkauft“, sagt Christina. Ein Markt für Closd ist also durchaus gegeben. Der Verkauf der ersten Hüllen startet im April über ihren eigenen Onlineshop auf closdcases.com.

In den sozialen Medien nimmt Christina derweil ihre Follower*innen mit auf die Reise durch ihre Gründungsstory. In den vergangenen Jahren habe es nämlich durchaus auch Rückschläge bei der langen Suche nach dem geeigneten Kunststoff oder der Konstruktion des Werkzeugs gegeben. „Das will ich auch ganz transparent genau so zeigen, um den Leuten Mut beim Gründen zu machen. Es klappt nicht immer alles auf Anhieb, wir mussten den Produktlaunch häufiger verschieben. Aber man muss dranbleiben.“ Was Christina außerdem besonders hilft: das Gründungsnetzwerk, das über die vergangenen Jahre in Münster gewachsen ist und zu dem auch unsere Hochschule gehört und beiträgt. „Ich komme nicht aus einer Gründerfamilie und habe keine Freunde, die ein Unternehmen gründen. Inzwischen ein Teil dieses Netzwerks zu sein, ist aber total inspirierend.“
Von Frederik Tebbe